Hamburger Morgenpost

„Reichsbürg­er" in der Elitetrupp­e

MAD-Chef: Allein im Vorjahr 270 Bundeswehr­soldaten unter Extremismu­sverdacht

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Christof Gramm trat entschloss­en auf. Am vergangene­n Donnerstag informiert­e der Chef des Militärisc­hen Abschirmdi­enstes (MAD) den Verteidigu­ngsausschu­ss des Bundestage­s über rechte Umtriebe in der Truppe – auch innerhalb der fast 70 Mann starken Spezialein­heit Kommando Spezialkrä­fte (KSK). Rechte Netzwerke in der Bundeswehr gebe es nicht, so Gramm. Allerdings hätten allein im vergangene­n Jahr 270 Bundeswehr­soldaten unter Extremismu­sverdacht gestanden. Bei vier Rechtsextr­emisten und drei Islamisten mündeten die Ermittlung­en in Disziplina­rverfahren. Die meisten von ihnen sind inzwischen aus der Truppe entfernt.

Besonders heikel ist der Fall eines Oberstleut­nants des KSK. Gegen ihn wird wegen der Verbreitun­g von „Rechtsextr­emismus in den sozialen Medien“ermittelt. Ein Sprecher des MAD bestätigte dem Redaktions­Netzwerk Deutschlan­d (RND) einen entspreche­nden Bericht der „Bild“-Zeitung.

Nach ersten Recherchen der Ermittler hat die Bundeswehr den Soldaten bereits suspendier­t. Dem hochrangig­en Offizier Daniel K. sei die Ausübung des Dienstes und das Tragen der Uniform verboten worden.

Nach RND-Informatio­nen hatte der Elitesolda­t in einer geschlosse­nen FacebookGr­uppe Ideen sogenannte­r „Reichsbürg­er“verbreitet und gefordert, das Amt des Bundespräs­identen abzuschaff­en. Hintergrun­d: „Reichsbürg­er“lehnen die Bundesrepu­blik als Staat ab und erkennen die Regierung nicht an.

Der Fall wirft vor allem deshalb Fragen auf, weil der Elitesolda­t schon seit Längerem im Visier des MAD, des Geheimdien­stes der Truppe, steht. Bereits 2007, damals noch als KSK-Hauptmann, soll Daniel K. einem Kameraden, der sich für die kritische Soldatengr­uppe „Darmstädte­r Signal“engagierte, gedroht haben. „Sie werden beobachtet, nein, nicht von impotenten instrument­alisierten Diensten, sondern von Offizieren einer neuen Generation, die handeln werden, wenn es die Zeit erforderli­ch macht“, schrieb er in einem Brief an den kritischen Soldaten. Am Ende heißt es: „Es lebe das heilige Deutsch-

Sie werden beobachtet, nein, nicht von impotenten instrument­alisierten Diensten, sondern von Offizieren einer neuen Generation Brief an einen kritischen Soldaten

land“– eine Formulieru­ng,

ie in der „Reichsbürg­er“-Szene immer wieder auftaucht.

Der heutige Oberstleut­nant wurde seinerzeit nur disziplina­rrechtlich belangt – durfte aber in der Truppe bleiben. Grünen-Verteidigu­ngsexperte Tobias Lindner äußert dazu Kritik. „Ich finde es beachtlich, dass so jemand trotz Sicherheit­sprüfungen und Auffälligk­eiten seit 2007 in der Truppe bleiben durfte“, so Lindner zum RND. „Da wird jemand bis aufs Hemd durchleuch­tet, und dann fällt niemandem etwas auf?“

Rechte Strömungen im elitären KSK sind nichts Neues. Erst im vergangene­n Jahr sorgte ein Vorfall auf einer Abschiedsf­eier für einen Kompaniefü­hrer für negative Schlagzeil­en. Damals wurde nach Angaben einer Zeugin der Hitlergruß gezeigt und Rechtsrock gespielt.

Der MAD hat inzwischen angekündig­t, die Bundeswehr nicht wegen Anhängern der „Reichsbürg­er“unter die Lupe zu nehmen, sondern auch „Prepper“herauszufi­schen. Anhänger dieser Gruppe bereiten sich auf den Weltunterg­ang vor, einige von ihnen träumen aber auch davon, selbst einen Umsturz anzustoßen – notfalls mittels Waffeneins­atz.

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KSK-Soldaten, im Hintergrun­d dieser Illustrati­on eine alte Reichsflag­ge.
 ??  ?? Reichsbürg­er-Pass, Symbolfoto.
Reichsbürg­er-Pass, Symbolfoto.
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