Hamburger Morgenpost

Klassik für HarryPotte­r-Fans

Künstliche Intelligen­z komponiert Schluss für Schuberts unvollende­te Sinfonie. Die MOPO war bei der Uraufführu­ng

- KRISTIAN MEYER kristian.meyer@mopo.de

Ein Handy-Konzern sagt, er habe mithilfe Künstliche­r Intelligen­z eine fast 200 Jahre alte unvollende­te Sinfonie zu Ende komponiert. Zur Uraufführu­ng in London waren Journalist­en und vor allem Inf uencer aus ganz Europa eingeladen. Die MOPO am Sonntag war auch dabei.

Huawei sorgt für Schlagzeil­en. Die Finanzchef­in des chinesisch­en Handy-Konzerns wurde jüngst in Kanada festgenomm­en, soll an die USA ausgeliefe­rt werden. Dort drohen Meng Wanzhou 30 Jahre Haft. Der Vorwurf: Industries­pionage. Auch Angela Merkel äußerte sich jüngst über den Konzern. Man könne sich eine Zusammenar­beit beim Ausbau von 5G-Netzen vorstellen, aber nur wenn Garantien gegeben würden, dass keine Handydaten an den chinesi

h n h n

In Großbritan­niens PromiSzene gibt es da deutlich weni ger Berührungs­ängste. Vergangene­n Montag im Londoner Stadtteil Westminste­r: Blitzlicht­gewitter vor der Ca dogan Hall. Pressefoto­grafen rufen YouTube- und Insta gram-Stars zu, Fans bitten um Selfies. Der Anlass: ein Klas sik-Konzert – die siebte Sinfo nie von Franz Schubert (1797 1828).

Das Besondere: Die hat Schubert nie vollendet. Und Huawei hat nun eine Künstliche Intelligen­z (KI) drauf angesetzt. Die Software habe nun angeblich das geschafft, woran Generation­en von Komponis ten gescheiter­t seien. Denn an jenem Montag ist Uraufführu­ng des „richtungsw­eisenden Endes“. Und neben all den Inf uencer-Sternchen aus Großbritan­nien, Deutschlan­d und anderen europäisch­en Ländern dabei: ich, der MOPOam-Sonntag-Reporter.

Zugegeben, die ganzen Inf uencer kenne ich nicht. Erst im Nachhinein erfahre ich von In r m- ffin n n h n

dass in „meiner“deutschen Gruppe unter anderem Nikeata Thompson dabei war. Bekannt aus diversen deutschen Tanzshows („Masters Of Dance“zum Beispiel) und als Laufsteg-Coach bei „Germany’s Next Topmodel“. Und dass die beiden Frauen, die vor mir sitzen, Luise (InstagramN­ame „luiseliebt“) und Diana („doandlive“) heißen. Die meiste Zeit während des Konzerts blitzen Handys auf, werden kurze Ansagen ins Display gehaucht, Diana und Luise fotografie­ren sich gegenseiti­g.

Vorne auf der Bühne spielt das English Session Orchestra. Zunächst den ersten und den zweiten Satz der Sinfonie (offizielle Bezeichnun­g: „Sinfonie h-Moll, D 759“). Üblicherwe­ise haben Sinfonien vier Sätze, die beiden letzten blieb der Wiener Komponist der Nachwelt schuldig. Bis heute. Man habe die KI mit Daten gefüttert, verrät Huawei-KI-Experte Arne

erkelmann. Klangfarbe, Tonhöhen, Takte der ersten beiden Sätze und anderer Schubertk

Heraus kamen Vorschläge, die der von Huawei gecastete Komponist, Emmy-Preisträge­r Lucas Cantor aus den USA, zusammenge­fügt hat. „Das ist nicht die einzig mögliche Version“, so Herkelmann. „Aber es ging uns darum zu zeigen, wozu KI in Zusammenar­beit mit Menschen imstande ist.“Ein KI-PR-Termin also.

„Ich glaube, Schubert würde es mögen“, sagt Komponist Cantor. Überhaupt: Ein Abend wie heute, der hätte ihm be

imm h f ll n Kl r - mals gab es noch keine KI und keine Inf uencer, aber eine Band wie Kraftwerk habe auch erst mal Abneigung erzeugt, heute sei das anerkannte­s Kulturgut. Und das Besondere an der KI, so Cantor eher scherzhaft: „Anders als menschlich­e Mitarbeite­r wird die nie müde oder hungrig, meckert nicht, arbeitet immer weiter.“Bei der Auswahl der Melodien habe er darauf geachtet, dass die typischen Schubert-Gefühle erzeugt werden. Das kann – bislang – dann doch noch nur der Mensch. Sagt auch KI-Experte Herkelmann.

Aber: Das Ganze sehe man als wichtigen Schritt für die Akzeptanz von KI. In der Rede des Westeuropa-Chefs von Huawei, Walter Ji, klingt das noch deutlich höher gegriffen: „Wir können die Welt zu einer besseren Welt machen.“KI könne helfen bei Bildung in der ärmeren Weltbevölk­erung, bei der Bekämpfung von Arbeitslos­igkeit und eben auch in Fragen der Kreativitä­t. „Dies ist nur der Anfang.“Und wenn m n mi KI h ff n h1 Jahren Schuberts Siebte zu vollenden – „was sonst ist dann noch alles für Menschen möglich?“

Dann beginnt das Konzert. Das Orchester spielt die ersten beiden Sätze. Auf der Bühne gibt es die ersten Show-Lichteffek­te, Laserschwe­rt-artige Röhren leuchten zwischen den Musikern. Und in der Halle leuchtet’s eh: Handydispl­ays. Obwohl die Moderatori­n noch gescherzt hatte: „Handys bitte aus! Es sei denn, sie sind von Huawei.“Natürlich ist es in dem Fall im Sinne des Erfinders, dass die YouTube- und Instagram-Stars ihren Fans berichten. Gute Werbung für Huawei und KI im Allgemeine­n einerseits. Werbung für klassische Musik bei jungen Leuten anderersei­ts. Vielleicht könnte hier wirklich die Stärke des Konzepts liegen.

Das Problem: Die Kompositio­n klingt nicht nach Schubert. Einzelne Versatzstü­cke ja. Aber Komponist Cantor macht normalerwe­ise Filmmusik. Und das Orchester spielt n rm l r i Filmm ik Das Ganze klingt irgendwie ... nach Filmmusik. Beim zweiten Satz habe ich ständig „Harry Potter“-Assoziatio­nen. Stelle mir vor, dass jetzt gleich kleine Zauberer auf Besen durch die Gegend f iegen und Quidditch spielen. Der vierte Satz: eine Mischung aus „Star Wars“(wahrschein­lich verstärkt durch die „Laserschwe­rter“und das riesige Huawei-Logo über der Bühne – erinnert ans „Imperium“) und „Herr der Ringe“-Endschlach­t. Viel zu bombastisc­h alles, nicht so fein, wie man es erwartet hätte bei einer zu Ende komponiert­en Schubert-Sinfonie.

Dem Publikum gefällt’s. Standing Ovations gibt es am Schluss von den 500 Inf uencern und Journalist­en. Der Versuch, mit KI klassische Musik zu komponiere­n, der ist wohl noch ausbaufähi­g. Was der Abend geleistet hat: Einige Menschen für Schubert zu begeistern, die den vermutlich noch nicht so auf dem Schirm hatten. Auch schon was.

Wir wollen zeigen, wozu Künstliche Intelligen­z in Zusammenar­beit mit Menschen imstande ist. Arne Herkelmann

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 ??  ?? Das English Session Orchestra präsentier­te die uraufführu­ng in der Londoner Cadogan Hall. Die Bühnen-Deko erinnerte an „Star Wars“.
Das English Session Orchestra präsentier­te die uraufführu­ng in der Londoner Cadogan Hall. Die Bühnen-Deko erinnerte an „Star Wars“.
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Arne Herkelmann, Experte für Künstliche Intelligen­z bei Huawei

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