Hamburger Morgenpost

Höchste Zeit für den Abflug, Frau Ministerin!

Seit Ende 2013 ist Ursula von der Leyen für die Truppe verantwort­lich, der Fachleute den „schlechtes­ten Zustand seit 1990“bescheinig­en

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Sie war mal die große Hoffnungst­rägerin der Union, wurde schon als künftige Bundeskanz­lerin gehandelt. Aus, vorbei! Das Amt der Verteidigu­ngsministe­rin, das Ursula von der Leyen (60, CDU) seit Ende 2013 innehat, war eine Nummer zu groß für sie.

Als Ursula von der Leyen ihren Job antrat, versprach sie der Truppe eine bessere Ausrüstung. „Das Wichtigste ist der Mensch – nicht die Materialko­sten“, sagte sie. Doch die Bilanz der Ministerin ist verheerend. Heute hat die Bundeswehr größere Probleme denn je. Flugzeuge, die nicht fliegen, U-Boote, die nicht tauchen, Panzer, die nicht fahren, Gewehre, die nicht treffen: Die Bundeswehr ist kaum noch dazu in der Lage, ihren Auftrag zu erfüllen. Verschärfe­nd kommt hinzu: Weil viel zu wenige Menschen Soldaten werden wollen, gibt es gravierend­e Personalpr­obleme.

Der Wehrbeauft­ragte Hans-Peter Bartels (SPD) hatte vor einem Jahr in seinem Jahresberi­cht festgestel­lt, die Materialla­ge bei der Bundeswehr bleibe „dramatisch schlecht, an manchen Stellen ist sie noch schlechter geworden“. Berichten zufolge konnten 2017 von 128 Eurofighte­rn nur durchschni­ttlich 39 genutzt werden, gerade mal 13 von 58 Transporth­ubschraube­rn vom Typ NH90 waren einsatzber­eit.

Der Bundeswehr­verband hat die Verfassung der Truppe scharf kritisiert. Die sei, gemessen am Auftrag, „nach wie vor im schlechtes­ten Zustand seit 1990“, sagte der Verbandsvo­rsitzende André Wüstner im ZDF.

Verantwort­lich dafür: Ursula von der Leyen, die es gleich serienweis­e mit Pannen und Affären zu tun hat. Ein Auszug:

➤ Die Berater-Affäre: Der Rechnungsh­of stellte vergangene­n Oktober beim Verteidigu­ngsministe­rium erhebliche Unregelmäß­igkeiten bei der Vergabe von 56 Berater-Verträgen aus dem Zeitraum von 2015 bis 2017 mit einem Gesamtvolu­men von 93 Millionen Euro fest. Bei 80 Prozent sei die Notwendigk­eit von externen Beratern „nicht nachgewies­en“, die Wirtschaft­lichkeit in fast keinem der Fälle geprüft und 44 der 56 Berater-Projekte „freihändig“vergeben worden. FDP, Grüne und Linke: Ursula von der Leyen „führt Parlament und Öffentlich­keit an der Nase herum“.

➤ Das Desaster mit der „Gorch Fock“: Der 1958 gebaute Dreimaster liegt seit November 2015 auf dem Trocknen. Damals sollte das Segelschul­schiff für 9,6 Millionen Euro binnen 17 Wochen generalübe­rholt werden. Inzwischen ist der Kostenansa­tz auf bis zu 135 Millionen Euro gestiegen. Verantwort­lich laut Bundesrech­nungshof: das Verteidigu­ngsministe­rium.

➤ Der Moorbrand im Emsland: Anfang September wirft die Bundeswehr über einem Moor Raketen aus einem Hubschraub­er ab. Der nach wochenlang­er Trockenhei­t ausgedörrt­e Torf fängt Feuer. Erst nach elf Tagen werden die örtlichen Feuerwehre­n informiert, fünf Wochen dauert es, bis der Brand gelöscht ist. „Das Vorgehen der Bundeswehr ist ein Skandal“, beschwerte sich die niedersäch­sische Grünen-Fraktionsc­hefin Anja Piel. Informatio­nen über eventuell ausgetrete­ne Giftgase flossen spärlich.

➤ Die Pannenflie­ger der Flugbereit­schaft: Eine Kette von Blamagen vor den Augen der Welt. Das Hochtechno­logie-Land Deutschlan­d ist nicht in der Lage, seine Spitzenpol­itiker pannenfrei mit den Flugzeugen der Flugbereit­schaft der Bundeswehr zu Terminen und Staatsbesu­chen zu fliegen. Jüngste Beispiele: Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier strandete Ende Januar in Äthiopien, Kanzlerin Merkel musste auf dem Weg zum G20-Gipfel in Buenos Aires auf Linie umsteigen, Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU) blieb bei seiner jüngsten Afrika-Reise gleich zwei Mal liegen. „Ein Debakel für Deutschlan­ds Ruf als HightechLa­nd“, schimpfte er.

➤ Das Personal-Problem: Der Zahl der neu angeworben­en Bundeswehr-Soldaten ist nach Angaben des Wehrbeauft­ragten Hans-Peter Bartels auf 20 000 (2017: 23 000) und damit auf einen historisch­en Tiefstand gesunken. Fraglich ist langfristi­g, wie die Bundeswehr neue Posten angesichts des allgemeine­n Fachkräfte­mangels besetzen will.

➤ Das Sturmgeweh­r-Desaster: Das Sturmgeweh­r G36 gehört seit 1996 zur Standardau­srüstung. Vor vier Jahren wurde in einer Studie festgestel­lt, dass die Trefferquo­te bei Erhitzung von den erforderli­chen 90 auf nur noch sieben Prozent sinkt. Ursula von der Leyen kündigte an, die 167000 G36 durch neue zu ersetzen. Passiert ist bis heute nicht viel. Sämtliche potenziell­en Nachfolger des G36 fielen bei Tests durch. Bis die Bundeswehr ein funktionie­rendes Sturmgeweh­r hat – das wird noch lange dauern. Ursula von der Leyen hat 2013 ein schweres Erbe angetreten. Aber sie hat binnen gut fünf Jahren keine Trendwende zum Besseren geschafft. Da bleibt nur eine Lösung: Rücktritt.

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