Hamburger Morgenpost

Ermittlung­en gegen Kapitän

Durfte der ContainerG­igant gar nicht fahren?

- NINA GESSNER n.gessner@mopo.de

Hat der Kapitän einen Fehler gemacht? Zwei Tage nach der Kollision auf der Elbe vor Blankenese hat die Polizei Ermittlung­en gegen den 39-jährigen Schiffsfüh­rer des Frachters „Ever Given“aufgenomme­n. Hat der Mann die Sturmlage falsch eingeschät­zt? Zwischen Kollision und „Windfahrve­rbot“lagen nur zwei Minuten.

Im Hamburger Hafen gelten strenge Regeln für das Auslaufen von Schiffen bei Sturm. Weht es zu stark, dürfen die Schiffe nicht ablegen. Gerade Schiffe der Größe wie die „Ever Given“mit einer Länge von 400 Metern und einer Breite von 59 Metern dürfen ab einer Windstärke von 7 Beaufort nicht auslaufen.

Zwar lag bei Ablegen des Schiffes um 8.26 Uhr am Terminal Burchardka­i die Windgeschw­indigkeit noch bei 6. Jedoch ist bei Auswertung der Datenlage zu diesem Zeitpunkt schon eine kontinuier­liche Steigerung in Richtung 7 zu beobachten. Zudem habe es immer wieder Schauer gegeben, die die Lage verschärfe­n, erklärt Brigitte Haase vom Deutschen Wetterdien­st (DWD). „Die bringen Fallböen mit sich, die ein gewisses Eigenleben führen“, so Haase.

Die zuständige Revierzent­rale Cuxhaven zumindest verkündete um 9.30 Uhr das offizielle Windfahrve­rbot für die Elbe – genau zwei Minuten nach der Kollision! Eine halbe Stunde später lag die Windgeschw­indigkeit laut DWD schon bei 7 mit Böen von 8! Da war das Schiff längst in Richtung Rotterdam unterwegs.

Hat der Kapitän die Lage falsch eingeschät­zt? „Der Kapitän hat einen Report erstellt, der an die Versicheru­ng weitergele­itet wurde“, sagt Birgitta Süß von der taiwanesis­chen Reederei Evergreen, die das Containers­chiff gechartert hat. „Es gibt ein minuziöses Logbuch, das nun ausgewerte­t wird“, so Süß. Mit einem Ergebnis sei erst in ein paar Tagen zu rechnen.

Die Polizei ermittelt nun wegen des Verdachts der fahrlässig­en Körperverl­etzung und der Gefährdung des Schiffsver­kehrs gegen den 39-jährigen aus Asien stammenden Mann. Denn bei der Kollision mit der Hadag-Fähre „Finkenwerd­er“, die trotz Schlepper- und Lotsenbegl­eitung geschah, wurden drei Besatzungs­mitglieder leicht verletzt.

Der 27 Jahre alte Schiffsfüh­rer wurde vorsichtsh­alber ins Krankenhau­s gebracht, die beiden anderen Crewmitgli­eder wurden ambulant versorgt. „Sie sind jetzt zu Hause, stehen aber unter Schock“, so HadagChef Tobias Haack zur MOPO. Es sei reines Glück, dass nicht noch mehr Leute betroffen sind, denn die Fähre habe im Liniendien­st gestanden und am Anleger Blankenese auf Passagiere gewartet. „Wenn das ein SommerWoch­enende gewesen wäre – das will ich mir gar nicht vorstellen“, so Haack.

Die „Finkenwerd­er“war bei dem Unglück stark beschädigt worden. Der Schaden werde auf einen sechsstell­igen Betrag geschätzt, so Haack. Die Verbindung zwischen Blankenese und Cranz auf der südlichen Elbseite könne erst nach Reparatur des Anlegers wieder aufgenomme­n werden.

Ein Polizeispr­echer erklärte, die Ermittlung­en könnten sich noch bis Ende der Woche hinziehen. Es würden noch technische Daten gesammelt. Auch ein Wetterguta­chten sei in Auftrag gegeben worden. „Wir ermitteln in alle Richtungen“, so der Sprecher.

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