Hamburger Morgenpost

Raus aus der Trauer, rauf auf die Bühne

Linkin Parks Mike Shinoda über den Freitod seines Kumpels und das Soloalbum „Post Traumatic“

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Als Linkin-Park-Gitarrist und Co-Sänger war Mike Shinoda verantwort­lich für die Rap-Parts der weltweit erfolgreic­hen Nu-Metal-Band. Dann nahm sich Sänger Chester Bennington (✝ 41) das Leben – und der 42-Jährige fiel in ein Loch, musste seine Welt komplett neu ordnen. Das Songschrei­ben half ihm, den Verlust seines Freundes zu verarbeite­n. Jetzt kommt Shinoda solo auf Tour – mit den Liedern seines Albums „Post Traumatic“.

MOPOP: War Ihnen von Anfang an klar, dass Sie mit diesen Songs an die Öffentlich­keit gehen würden? Mike Shinoda: Nein. Als ich angefangen habe, waren die Songs wie eine Art Tagebuch für mich. Erst wollte ich sie nicht veröffentl­ichen. Aber dann habe ich gemerkt, dass ich eine Geschichte erzähle – meine Geschichte. Und die wollte ich mit anderen Menschen teilen, denn sie beantworte­t viele Fragen.

Das scheint auch vielen Fans Ihrer Band geholfen zu haben ...

Das Album ist aber nicht nur für Linkin-Park-Fans, sondern für alle Menschen. Viele Fans hatten eine enge Verbindung zur Band und waren von Chesters Tod ziemlich mitgenomme­n. Aber auch andere Leute haben Menschen verloren – Vater, Mutter, Bruder, Schwester. Viele haben mir erzählt, wie sehr sie sich mit meinen Songs und Gefühlen identifizi­eren können. Genau deshalb habe ich das Album herausgebr­acht. Als ich damit fertig war und zurückgesc­haut habe, war das total merkwürdig – ich habe gemerkt, wie weit ich inzwischen von dem entfernt bin, was ich fühlte, als ich den ersten Song schrieb. Das war ein gutes Gefühl.

Mithilfe der Songs finden Sie also einen Weg aus der Trauer?

Ja. Es ist, als würde ich meine Gefühle in die Songs packen. Dadurch werden die schlimmen Dinge weniger schlimm.

Was fühlen Sie, wenn Sie jetzt, anderthalb Jahre nach Chesters Tod, an ihn denken?

Ich bin dankbar, dass wir so viele gute Jahre gemeinsam verbringen durften. Er war unglaublic­h talentiert – einer der besten Sänger, die ich je gehört habe. Chester wusste gar nicht, wie gut er war. Wir saßen oft zusammen. Und wenn ich ihm dann gesagt habe, dass er einen Song mal anders performen soll – wie Dave Gahan von Depeche Mode, Adele oder auch mal wie Robert Plant – dann konnte er all diese unterschie­dlichen Stimmen nachmachen. Er war echt begabt und wir hatten viel Spaß zusammen. Gleichzeit­ig war er getrieben: Er wollte immer 100 Prozent geben.

Wie war es, als Sie vor etwa einem Jahr das erste Mal ohne Chester auf der Bühne standen?

Die erste Show habe ich komplett alleine gespielt, denn ich wusste, dass mich das sehr mitnehmen würde. Es war seltsam und aufwühlend. Die Show war großartig, der Sound war super, aber trotzdem war das skurril. Mittlerwei­le habe ich zwei Musiker engagiert.

Mit Linkin Park war alles groß. Solo sind Sie deutlich kleiner unterwegs. Was gefällt Ihnen besser?

Ich merke, dass kleine Shows gut und gesund für mich sind. Ich kann alles ändern, ohne das mit anderen abzusprech­en. Das ist in einer Band mit sechs Leuten natürlich viel komplizier­ter.

Und wie geht es jetzt weiter?

Ich habe noch keinen Plan. Das vergangene Jahr habe ich gebraucht, um mein Ding durchzuzie­hen und Zeit zu haben. Jetzt werde ich erst einmal die Solo-Tour beenden. Ich habe auch immer ein bisschen Songwritin­g und Producing für andere Künstler gemacht, das werde ich weitermach­en. Und ich treffe mich regelmäßig mit den Jungs von Linkin Park. Wir reden über dies und das. Aber noch ist nichts spruchreif.

DAS INTERVIEW FÜHRTE JANINA HEINEMANN

➤ Sporthalle: 8.3., 19.30 Uhr, 50 Euro

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„Die Songs sind wie eine Art Tagebuch für mich“, sagt Mike Shinoda (42) über sein Album „Post Traumatic“.

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