Endlich zeigen meine Sozis wieder Mut!
SPD-Urgestein Wolfgang Rose ist sicher: Der Linksruck seiner Partei macht Deutschland zu einem gerechteren Land
Die SPD erneuert sich. Seit Monaten steht meine Partei unter Feuer – in den öffentlichen und vor allem in den sozialen Medien, auch in dieser Zeitung. Die Vorwürfe: nicht mehr erkennbar, keine Volkspartei mehr, nicht von der CDU zu unterscheiden, nicht links genug. Sicher, es gab auch eigene Fehler – und trotzdem ist klar: Die SPD hat auch heute, nach 150 Jahren, ihre Aufgabe. Und sie ist allemal in der Lage sich zu erneuern. Wer nicht nur zuschaut, sondern mitmacht, hat alle Möglichkeiten, dieses Land zum Besseren zu verändern.
Wer vorankommen will, muss auf seine Schritte achten. Am Wochenende wurde mit einem mutigen Konzept ein Meilenstein erreicht: für einen neuen Sozialstaat. Die Pläne zur Zukunft der Arbeit, für Kinderrechte und Bürgergeld sind erst der Anfang; Vorhaben zur Alterssicherheit, Gesundheit, Pflege und Wohngeld werden folgen. Erneuerung ist kein einmaliger Beschluss, sondern ein Prozess, von Kühnert bis Scholz.
Der Aufschrei von CDU-Hardlinern und neoliberalen Ideologen kam wie ein Reflex. „Die Beerdigung der sozialen Marktwirtschaft“entdeckte Hessens Bouffier. Die arbeitgeberfinanzierte Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft warnte vor Sozialpopulismus. Und aus allen Ecken tönte es: „Unbezahlbar!“Dies zeigt, dass die SPD auf einem guten Weg ist. Aus Klartext wird Profil: Arbeit – Solidarität – Menschlichkeit sind die Werte auch in Zeiten der Digitalisierung und Globalisierung. Nun müssen daraus Gesetze entstehen.
Ist der neue Sozialstaat bezahlbar? Moritz Rödle vom ARD-Hauptstadtstudio gab dazu eine kluge Antwort: „CDU und CSU fordern weiter die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags auch für die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung. Das kostet deutlich mehr als die SPD-Grundrente. Wenn es also möglich ist, die Wohlhabenden zu entlasten, warum sorgen wir dann nicht vorher mit einer Grundrente und einer Kindergrundsicherung für Gerechtigkeit im Land.“Recht hat er.
Und: Nur in Litauen ist das Vermögen europaweit noch ungerechter verteilt als hier. Deutschland ist Schlusslicht bei der Erbschaftsteuer. Die CDU macht permanent Stimmung gegen Steuererhöhungen, ohne zu sagen, welche Steuer sie meint. Um den Sozialstaat zu finanzieren, brauchen wir auch die Vermögenund Erbschaftsteuer sowie einen höheren Spitzensteuersatz. Die Bevölkerungsmehrheit wartet auf die gerechte Verteilung des Wohlstandes.
Als Gewerkschafter geht mein Blick auf das Kapitel Arbeit. Digitalisierung und Globalisierung sorgen bei vielen Kolleginnen und Kollegen für Unsicherheit und Abstiegsängste. Die Kassiererin oder der Busfahrer fragen sich, ob es ihren Job bald nicht mehr gibt. Sie und viele andere brauchen Schutz und neue Chancen. Dafür steht das SPD-Konzept. Ich stimme Andrea Nahles zu: „Das Bürgergeld, die Kindergrundsicherung, das Recht auf Weiterbildung, längere Bezugsdauer des ALG I, Recht auf Home-Office: Alle diese Maßnahmen sorgen in diesem Wandel für mehr Sicherheit und Gerechtigkeit.“Das ist nicht die Beerdigung der Sozialen Marktwirtschaft, sondern ihre Wiederbelebung.
Im Mittelpunkt des neuen Sozialstaats steht der Wert der Arbeit – er soll gestärkt werden. Wie dringend das ist, zeigt die Tarifflucht von Konzernen wie Kaufhof. Als SPD stehen wir hier an der Seite der Gewerkschaften. Tarifverträge dürfen nicht immer mehr zum Spielball der Unternehmenskonkurrenz werden. Öster-
reich hat eine Tarifbindung von fast 100 Prozent, auch die skandinavischen Länder haben eine hohe Tarifquote, während Deutschland weit unten in der Skala steht. Die Koalitionsfreiheit steht in unserer Verfassung – ohne Tarifverträge wird sie inhaltslos. Darum wollen wir den Arbeitgebern ihr Vetorecht gegen die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen nehmen und tarifgebundene Firmen steuerlich besserstellen. Und wir wollen den Mindestlohn auf 12 Euro anheben, damit er Existenz und Teilhabe, aber auch eine Rente oberhalb der Grundsicherung sichert. Das ist gerecht. Und wirtschaftlich vernünftig.
Mit diesem Sozialstaatskonzept lässt die SPD Hartz IV hinter sich – was heißt: nicht verurteilen und beschimpfen, sondern die Erfahrungen selbstkritisch bewerten und dann Schlüsse für die Politik von morgen ziehen. Ich war vor 15 Jahren selbst ein entschiedener Kritiker der Agenda-Politik. Deren Unterstützer habe ich aber nie für „Arbeiterverräter“gehalten, sondern ihnen auch nachvollziehbare Motive in schwierigen Zeiten zugebilligt. Heute kann ich den Satz von Olaf Scholz unterstreichen: „Gut 15 Jahre nach den letzten grundlegenden Reformen schlagen wir abermals eine Modernisierung des Sozialstaats vor.“
Ist die SPD noch Volkspartei, fragt sich heute so mancher. „In Hamburg – ja“, könnte ich antworten, aber das wäre zu einfach. Es geht nicht um 15 oder 30 Umfrageprozente. Entscheidend ist für mich, dass eine Volkspartei die Integrationskraft hat, Menschen aus verschiedenen Schichten und Milieus, mit unterschiedlichen Weltanschauungen und Religionen werteorientiert zusammenzuführen. Das tut sie. Wer die Welt verbessern will, braucht Mehrheiten. Die gibt es in Deutschland nur mit der SPD.
Deshalb bin ich für einen kritisch-solidarischen Dialog – im Konkreten wie im Visionären. Wir brauchen einen neuen solidarischen und humanen Gesellschaftsvertrag. Bei aller Individualität und Heterogenität der Lebensverhältnisse muss er der Würde aller Menschen in Artikel 1 unseres Grundgesetzes auch heute und morgen Geltung verschaffen.
Dafür liefert das Konzept für einen neuen Sozialstaat einen Aufschlag. Wer guten Willens ist, der nimmt ihn an.
Wer die Welt ver-bessern will, braucht Mehrheiten. Die gibt es in Deutschland nur mit der SPD.