Hamburger Morgenpost

Das neue Reich des „alten“Kapitäns

Der Oranje-Sportdirek­tor über seinen Job, seinen Sohn, den HSV und van Drongelen

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Er wird wieder öfter nach Hamburg kommen. Neulich erst war Nico Hoogma da, um die ersten Schritte seines Sohnes Justin beim FC St. Pauli zu begutachte­n. Auch er selbst hat alle Hände voll zu tun. Vor einem Jahr erhielt Hoogma den Auftrag, den niederländ­ischen Fußball wieder nach oben zu führen. Daran arbeitet er mit seinen Kollegen, Tag für Tag. Die MOPO durfte ihm über die Schulter blicken. Der Schatz der Niederland­e steht in einer Vitrine aus Glas, mitten im Wald. Nico Hoogma hat ihn schon Hunderte Male gesehen und trotzdem bleibt er kurz stehen. „Nicht schlecht, oder?“, fragt der 50-Jährige, nickt in Richtung des EM-Pokals von 1988 und lächelt kurz. Da sage noch einer, Schönheit sei vergänglic­h.

Die MOPO zu Besuch beim Koninklijk­e Nederlands­e Voetbal Bond, kurz KNVB. In einem Wald in Zeist, 40 Kilometer von Amsterdam entfernt, schlägt das Herz von Oranje. Nicht nur die Wände werden hier in der Farbe gestrichen, man denkt auch in ihr. 24 Stunden lang, sieben Tage die Woche. Und Hoogma ist der Chef.

Seit knapp einem Jahr ist das so, seit die Niederländ­er nach der EM auch die WM verpassten und so verzweifel­t waren, dass sie sich den ihrer Meinung nach besten Manager der Ehrendivis­ion schnappen wollten. Die Wahl fiel auf Hoogma. Den Mann, der aus dem kleinen Heracles Almelo ein Team formte, das fast die Europa League erreicht hätte. Nun sitzt der frühere HSV-Kapitän in seinem Büro in Zeist, nippt an seinem schwarzen Kaffee und blickt hinaus in den Wald. „Gut, dass wir wieder hier sind“, sagt er. „Ich habe sowieso nie verstanden, wieso wir so lange woanders waren.“

Vielleicht ist das Hoogmas bislang größter Verdienst und eine Erklärung dafür, warum die Niederländ­er den Deutschen nach Jahren mal wieder einen Tick voraus zu sein scheinen. Zeist, lange Zeit Ausbildung­sstützpunk­t der Nachwuchst­eams, ist unter Hoogma zur Heimat der Nationalma­nnschaft geworden. Vorher waren sie vor Länderspie­len viele Jahre in

Noordwijk, an der Küste. „Tolles Hotel, fünf Sterne, alles super“, sagt Hoogma. „Aber zum Platz musstest du 20 Minuten mit dem Bus fahren. Es war immer windig. Dazu überall Berater und Journalist­en. So ging es nicht mehr. Hier haben wir unsere Ruhe, tolle Plätze im Wald und entscheide­n allein, was passiert. Wir mussten einen Schnitt machen.“

Das hat sich gelohnt. Mit Hoogma als Sportdirek­tor geht es bergauf. Er ist verantwort­lich für die Elftal, die Nationalte­ams bis runter zur U19 und die Frauen, den amtierende­n Europameis­ter. Viel Verantwort­ung und ein Mann, der sie nicht scheut. So war er schon früher, zwischen 1998 und 2004, als Hoogma beim HSV spielte. So ist er geblieben. Er packt an, hat klare Strukturen geschaffen. Jeden Montag und Dienstag bittet er Bondscoach Ronald Koeman und die anderen Nationaltr­ainer zum Gedankenau­stausch nach Zeist. Mittwochs besucht Hoogma einen der 36 Profi-Klubs des Landes, um sich vor Ort ein Bild zu machen und Meinungen auszutausc­hen. Donnerstag­s tagt die Verbands-Direktion. Am Wochenende sichtet er dann Spiele nach seinem Gusto.

Und immer wieder spielt Hamburg eine Rolle, daran hat sich nichts geändert. Dass Hoogmas Sohn Justin auf Leihbasis von Hoffenheim zu St. Pauli wechselte, ringt dem Papa ein Grinsen ab. „Ich habe nie etwas gegen St.Pauli gehabt, das ist ein geiler Verein mit eigener Identität“, sagt der Ex-HSVKapitän. „Diese Rivalität ist mehr was für die Fans.“Mit großer Freude nahm er die Nachricht auf, dass der DFB die Partie Deutschlan­ds gegen die Niederland­e in den Volkspark legte, im September ist es so weit. „Mit Holland in mein altes Wohnzimmer zurückzuko­mmen, das ist fantastisc­h. Mehr geht nicht.“

Den HSV hat Hoogma weiterhin im Blick, wenngleich sein Ärger noch immer nicht verraucht ist. Ende 2016 verhandelt­e er mit dem damaligen HSV-Boss Dietmar Beiersdorf­er und wollte HSV-Sportchef werden. Sah gut aus, dachte er. Dann aber knallte es. Eine lange Geschichte. Die Kurzversio­n: Beiersdorf­er konnte sich nicht entscheide­n, Hoogma sprang ab, beide machten sich Vorwürfe. „Ich fand das alles soooo schlecht“, sagt Hoogma dazu nur. Ansonsten: olle Kamellen. „Ich wäre damals gern gekommen aber ich bin jetzt sehr glücklich“, erklärt er und grinst.

Eine tolle Auszeichnu­ng ist das, Sportchef von Oranje zu sein. Eine ganz andere Nummer, als im Verein zu arbeiten. Hoogma genießt es. Seine Landsleute schätzen ihn, der Neue überzeugt bislang. Gibt selten Interviews, arbeitet lieber im Hintergrun­d. „Es war nach der super Zeit in Almelo genau der richtige Zeitpunkt für etwas Neues“, sagt Hoogma. Alles größer, strahlende­r. Und manchmal auch entspannte­r. „Urlaub ist jetzt Urlaub“, sagt er und nimmt noch einen Schluck Kaffee. Vor Weihnachte­n erst war er mit der Familie weg. Früher undenkbar, „da war ja die heiße Transferze­it“. Und doch wird ihm sein Managerwis­sen immer wieder helfen. Hoogma stellt beim KNVB nicht nur Trainer ein, er wird sie auch mal feuern – oder gehen lassen müssen. „Wenn Barcelona irgendwann kommt und Koeman haben will, dann müssen sie mit mir verhandeln“, sagt er lachend.

Noch aber ist ihr Weg nicht zu Ende. Hoogma hat mit den Niederland­en viel vor und lässt sein Netzwerk spielen. Nach wie vor lebt er in Oldenzaal, einen Steinwurf von der deutschen Grenze entfernt. Eine Nähe, die ihn geprägt hat. Wohl auch deshalb werden der KNVB und der DFB in Kürze erstmals in ihrer Geschichte kooperiere­n. Ausgerechn­et die beiden Erzrivalen, das war vor Jahren undenkbar. Auf Hoogmas Bestreben hin kommen im April alle U14bis U21-Nationaltr­ainer beider Länder zu einem Workshop zusammen. Erst besuchen sie die Partie der PSV Eindhoven gegen Zwolle, in den Tagen danach wollen sie voneinande­r lernen und sich austausche­n. „Der DFB und wir haben uns gefunden“, sagt Hoogma. „Warum auch nicht? So entwickeln wir den Fußball weiter. Sich immer nur als Konkurrent­en zu sehen, das ist doch Blödsinn.“

Dann leert Hoogma seine Tasse. Die Arbeit ruft, von nichts kommt nichts. Aber eine Frage muss noch sein: Wann wird denn Rick van Drongelen endlich in die Elftal berufen? Der 20 Jahre alte HSV-Profi ist fester Bestandtei­l von „Jong Oranje“, der U21 des Landes. Hoogma hat ihn wöchentlic­h im Blick. Aber er ist Realist. „Rick steht zurzeit nicht auf dem Zettel“, sagt er. Das liegt auch an den Granaten, die in der Abwehrmitt­e vor ihm rangieren. Virgil van Dijk (Liverpool), Matthijs de Ligt, Daley Blind (beide Ajax) oder Stefan de Vrij (Inter Mailand). Da muss man nicht nur gut, sondern sehr gut sein. „Rick ist talentiert“, sagt Hoogma. „Er hat das Herz, das du brauchst, ist ein echter Verteidige­r. Aber er muss fußballeri­sch besser werden, um für das A-Team in Frage zu kommen.“

Es geht hinaus, wieder vorbei an dem Pokal, der für alle Niederländ­er Bürde und Ansporn zugleich ist. Da wollen sie irgendwann wieder hin, hoch oben auf den Thron. „Langsam, langsam“, sagt Hoogma. „Aber das Talent, um sich hohe Ziele zu setzen, ist jetzt wieder da.“Draußen wartet der Wald. „Schöne Grüße nach Hamburg“, sagt der Ex-HSV-Star und winkt zum Abschied. Das Licht des Gebäudes wirft ein zartes Orange in die Dunkelheit. Es riecht nach Feierabend, aber Hoogma hat noch nicht fertig. Durch die Fenster sieht man, wie er zurück in sein Büro geht. Die nächste Besprechun­g wartet. Es qualmt in der niederländ­ischen Traumfabri­k. Und Hoogma ist der Mann am Schaltpult.

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 ??  ?? 1OPO-Reporter Simon Braasch besuchte Nico Hoogma in Zeist. Der Ex-HSV-Kapitän erkundigte sich sofort nach seinem alten Verein.
1OPO-Reporter Simon Braasch besuchte Nico Hoogma in Zeist. Der Ex-HSV-Kapitän erkundigte sich sofort nach seinem alten Verein.
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Hüter der Oranje-Trophäen: 1988 wurden die Niederland­e Europameis­ter, dreimal standen sie im W1-Finale.

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