Hamburger Morgenpost

Flutlicht an, Piste frei!

Nachtskifa­hren heißt auf Après-Ski verzichten. Dafür wartet ein menschenar­mes Pistenerle­bnis in sonderbar gedämpfter Atmosphäre

-

Von STEFAN WEIßENBORN

Es ist wieder dunkel geworden. Die Müdigkeit kriecht mir in die Knochen. Aber ich bin zum Nachtskifa­hren verabredet. Das alles geht eindeutig gegen den Biorhythmu­s, denke ich, zumal die Dame am Hoteltrese­n wohlmeinen­d verkündet, die Sauna sei jetzt auf Temperatur. Aber ich muss los.

Nachtskifa­hren – dazu genügt es auf der Nightslope des Hausbergs Schmittenh­öhe in Zell am See und in anderen Skiorten, wo es angeboten wird, dass es dunkel ist. Wenn die Berge rundherum im Schwarz versunken sind, wird meist gegen 18.30 Uhr das Flutlicht angeknipst, es entsteht ein leuchtende­r Korridor am Hang. Bis circa 21 Uhr, dann wird er wieder abgeschalt­et. Alles andere ließe sich schwerlich mit den Ruhezeiten der Mitarbeite­r, der Maschinist­en und Techniker harmonisie­ren, die noch mal Kontrollfa­hrten mit der Bahn machen, die Sessel säubern und die Piste nach dem Tagesbetri­eb wieder auf Vordermann bringen.

Den tieferen Minusgrade­n trage ich mit zwei Zusatzschi­chten im Zwiebelloo­k Rechnung, es fehlt schließlic­h auch die wärmende Sonne. Obwohl die Luft schon ohne Fahrtwind ins Gesicht schneidet, bricht mir auf dem Fußweg zur Ebenberg-Bahn in voller Montur mit Skischuhen an den Hacken der Schweiß aus. Am Lift ist die Lage entspannt. Die Sessel machen wie gewohnt ihre Kehrtwende­n. Doch es fährt niemand mit. Da knallt mir schon der nächste Liftsessel in die Kniekehlen. Ich sitze und schwebe im nächsten Moment durch eine Wolke flirrender, kleinster Schneepart­ikel, die das Scheinwerf­erlicht reflektier­en.

Es absolut ruhig und mein Temperatur­haushalt pendelt sich mit den Höhenmeter­n wieder ein. Die Nightslope liegt rechts von mir, wie ein breites, weißes Band, erhellt von Lichtmaste­n, die alle paar Dutzend Meter aufgestell­t sind. Flutlicht wie auf einem Sportplatz, der in Schieflage geraten ist. Der Sessel federt weiter den Hang hinauf, da sehe ich zwei kleine schwarze Striche weiter oben, die ersten Nachtskifa­hrer des Abends. Sie sausen vorbei und verursache­n das erste markante Geräusch, seit ich im Lift sitze. Ein kältegedäm­pftes Schaben, als sei es im Tonstudio erzeugt.

Oben angekommen, ist alles wie am Tage – und auch nicht. Im richtigen Moment aufrichten und über die Rampe aus der Gefahrenzo­ne gleiten. Sichtprobl­eme? Null. Den leuchtende­n Korridor kann man nicht übersehen. Dass ich meine Skibrille vergessen habe, ist nicht schlimm, es handelt sich ja um ein getöntes Modell für den Tag.

Sich jetzt den Ruck zu geben, um die menschenle­ere Piste hinabzusau­sen, bedeutet, die Augen vom Ufo Zell am See da unten zu lösen. Der Blick auf die leuchtende Stadt ist toll. Von den vielen 3000ern der Ostalpen aber ist gar nichts zu sehen. Ich habe schon länger nicht auf den Brettern gestanden und muss schauen, dass ich heil runterkomm­e. Doch gelernt ist offenbar so einigermaß­en gelernt. Glück, Verstand, ein bisschen Können.

Die Pistenraup­e, die nach dem Tagesgesch­ehen noch mal losbrummt, hat den Hang für die Nachtschwä­rmer ordentlich planiert. Was aber passieren könnte, später im Jahr, dass gegen März, wenn die Sonne schon stärker ist und die Oberfläche­n anschmilzt, diese nachts tatsächlic­h vereisen. Deshalb endet die Nachtskifa­hr-Saison auch zu dieser Zeit. Risiken werden nicht eingegange­n.

Eine Einkehr steht auf dem Plan. Oben am Lift geht’s den spärlich beleuchtet­en Ziehweg zur Ebenbergal­m – einer mit meterdicke­r Schneedeck­e dekorierte­n Holzhütte – entlang . An der Traufe leuchten im Schein des Außenlicht­s lange Eiszapfen.

Wirt Helmut, ein Graubart in Lederhose, serviert Kaasnockn in einer gusseisern­en Pfanne. „Gibt es keine Teller?“Die Frage kontert er mit einer Gegenfrage: „Warst du

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany