Intriganten planen Putsch gegen May
Für die britische Premierministerin wird es politisch eng. Massenproteste in London
LONDON - Bislang hat sich Großbritanniens konservative Premierministerin Theresa May erstaunlich lange gehalten, nun aber scheint es der britischen Regierungschefin an den Kragen zu gehen. Oder genauer: ans Amt. Offenbar arbeiten die eigenen Minister am Sturz der 62-Jährigen. Sie wollen mit dem Putsch offenbar Zeit gewinnen, um den britischen Austritt aus der EU anders zu organisieren. So schreiben es die Londoner „Times“und die „Daily Mail“unter Berufung auf Regierungskreise.
Demnach wollen elf Regierungsmitglieder May vor die Wahl stellen: Entweder sie danke selbst ab oder die Minister träten zurück – womit sie handlungsunfähig wäre.
Die „Times“berichtet, als Mays Nachfolger für eine Übergangszeit stehe der bisherige Vizepremier David Lidington bereit. Er solle dann als Interimsregierungschef einen neuen Kurs für den EU-Austritt ausloten und im Herbst für einen neuen, dauerhaften Premierminister Platz machen. Die „Daily Mail“will zudem erfahren haben, auch Umweltminister Michael Gove habe seinen Hut als Nachfolger von Theresa May in den Ring geworfen. Er gilt als gut vernetzt.
Für May wird es jetzt also richtig eng. Zumal ihr Abkommen, das sie mit der EU ausgehandelt hat, vermutlich auch beim dritten Anlauf im Parlament durchfallen wird. Zweimal, Mitte Januar und Mitte März, war sie damit bereits krachend gescheitert. Die EU stimmte einer Verschiebung des EUAustritts zwar zu, doch in London scheint die Geduld mit der Premierministerin weitgehend am Ende zu sein.
Während May die Meuterei droht, zieht es Millionen Briten auf die Straße – um ihre Stimme gegen einen Brexit zu erheben. Mehr als eine Million Menschen kamen am Sonnabend zu einer Anti-Brexit-Demo in London, teilte der Veranstalter mit. Sie seien aus allen Teilen Großbritanniens gekommen. Es sei eine der größten Demos in der Geschichte des Landes gewesen. Die Polizei gab dazu keine Schätzungen ab.
Viele Demonstranten hatten während des
Marsches bei gutem Wetter blau-gelbe Europafahnen dabei und waren in diesen Farben gekleidet. Zu den Teilnehmern an der Veranstaltung gehörten Schauspieler wie Lena Headey („Game of Thrones“), Musiker, der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan und Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon.
Ein Rosenmontagswagen des Düsseldorfer Künstlers Jacques Tilly war ebenfalls zu sehen. Der Motivwagen zeigt May, die mit einer langen Lügennase die britische Wirtschaft aufspießt. „Es ist schön, dass die Düsseldorfer Rosenmontagswagen auch ein Stück Weltgeschichte kommentieren“, sagte der Wagenbauer.
Kampflos will sich May nicht geschlagen geben. Die neueste Volte der Premierministerin: ein Brief, den sie an ihre Abgeordneten im Unterhaus schickte. Sie werde über das Brexit-Abkommen nur dann ein drittes Mal abstimmen lassen, wenn sich eine Unterstützung abzeichne, schrieb sie. Gebe es die nicht, müsse Großbritannien in Brüssel um einen weiteren Aufschub bitten – was eine Teilnahme an der Europawahl bedeuten würde. Die aber will niemand. Die Chaostage in London, sie gehen weiter.