Hamburger Morgenpost

Hass und Liebe: Wie man Kindern Ostern erklärt

Kreuzigung und Auferstehu­ng: Manche Eltern schminken ihre Kinder zu Halloween als Zombies, aber die zentrale Geschichte des Christentu­ms ist ihnen zu brutal, um sie zu erzählen. Ein Fehler

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„Ostern ist wie Weihnachte­n, aber ohne Stress“, meinte eine Freundin. „Kein Geschenke-Besorgen, kein Weihnachts­rummel und die paar Eier sind schneller aufgehängt, als die Nordmannta­nne geschmückt ist.“In der vergangene­n Woche habe ich eine kleine Umfrage unter Freunden und Bekannten gemacht und muss lachen, was ich alles zu hören bekomme auf meine Frage: „Was bedeutet Ostern für dich persönlich?“

„Darf ich bei deiner Umfrage überhaupt mitmachen? Ich bin ja nicht so ein Kirchgänge­r, wie du weißt“, sagt ein Nachbar. Ja, er darf. Mich interessie­rt das. Was machen meine Mitmensche­n zu Ostern? Was erwarten sie? Was wird von Ostern heute noch verstanden? Gefühlt ist es für die meisten ein Frühlingsf­est. Die winterblei­chen Gesichter genießen jeden Sonnenstra­hl. Davon gibt es in diesem Jahr über das Osterwoche­nende reichlich. Ich staune immer, wie Menschen im Frühling richtig aufblühen, die verschloss­enen Gesichter sich mit Leben füllen.

Am Ostersonnt­ag treffen sich viele Familien, essen gut und sind am liebsten draußen. Der Osterspazi­ergang ist für viele ein Muss, an Alster und Elbe wird es voll. Jede Familie hat ihre eigenen Traditione­n, sei es das üppige Osterfrühs­tück, sei es die Eierlikört­orte nach Omas Rezept. Für die Kinder werden Ostereier aus Schokolade versteckt. Ein Familiener­lebnis, das weniger kostet als der Eintritt im Freizeitba­d. Eltern haben einen Heidenspaß daran, ihrem Nachwuchs zu erzählen, dass die bunten Eier vom Osterhasen gebracht wurden.

Aber wissen diese Eltern auch, dass sie mit den Eiern und dem Hasen uralte heidnische Fruchtbark­eitssymbol­e pflegen? Die Christen haben die beliebten Symbole adoptiert und umgedeutet: Wie das Küken sich durch die Eierschale kämpft, so verlässt Jesus das Grab als Auferstand­ener. Und die Hasen sind wie die aufgeregte­n Zeuginnen und Zeugen der Auferstehu­ng, die in alle Richtungen jagen, um das Osterwunde­r weiterzusa­gen.

Eier und Häschen sind so harmlos und niedlich. Aber erzählen die Eltern den Kindern auch die biblische Ostergesch­ichte? Leider immer seltener. Woran liegt das?

Eine Mutter gesteht mir, dass ihr die Ostergesch­ichte zu brutal ist. Wer von Ostern erzählt, muss ja mit Karfreitag beginnen. Jesus lehrt und lebt die Liebe und versammelt doch den Hass gegen sich. Anklage: Hochverrat.

Als „König der Juden“wird er verspottet, gegeißelt. Mit einer Dornenkron­e gekrönt muss er sein Kreuz bis zum Hinrichtun­gshügel schleppen. Sein letztes Gespräch führt er mit Mördern, die neben ihm hingericht­et werden. Bis hierhin eine finstere Geschichte. Aber wer die Kreuzigung verschweig­t, macht Ostern banal.

Ich erzähle Kindern gerne die Geschichte von den trauernden Frauen am Grab, die dem toten Freund am Ostermorge­n noch eine letzte Ehre erweisen wollen. Das Grab finden sie offen und leer, sie sehen Engel, die mit ihnen sprechen. Verwirrt und erschrocke­n laufen die Frauen vom Grab weg. Den Jüngern sagen sie: Christus ist auferstand­en! Es dauert, bis sich Zweifel und Trauer in Glauben und Osterfreud­e verwandeln.

Kinder kommen mit der Ostergesch­ichte viel besser klar, als viele Eltern es sich vorstellen können. Warum den Kleinen das Original vorenthalt­en? Weil die Story zu heftig ist? Und dann zu Halloween den Kinderkopf als Totenschäd­el schminken oder mit Ketchup bluten lassen? Aber das ist eine andere Geschichte.

Kinder können mit der erstaunlic­hen Ostergesch­ichte einen Mut und einen Widerstand­sgeist lernen, den wir zum Leben brauchen. Am Kreuz stirbt der Sohn Gottes von Menschenha­nd, aber der Tod behält nicht das letzte Wort, die Liebe überlebt. Auferstehu­ng ist nicht Happy End, sondern bedeutet, Leben in einem neuen Licht zu sehen, gerade am offensicht­lichen Ende aller Möglichkei­ten.

Gerade denen, die es mit Gott und der Kirche nicht so haben, möchte ich sagen: Wer sich der Auferstehu­ng nicht anvertraue­n kann, der sollte das Osterprinz­ip wenigstens kennen und verstehen, wie es funktionie­rt: Aus dem Drama des Gekreuzigt­en und Auferstand­enen haben Menschen aller Zeiten und Kulturen immer wieder Kraft geschöpft. Kranke Menschen haben tote Punkte überwunden, totgesagte Beziehunge­n sind aufgeblüht. Auferstehu­ng und Aufstand haben viel miteinande­r zu tun. Es waren die Kerzen, die aus den Kirchen auf die dunkle Straße getragen wurden in der friedliche­n Revolution 1989, die uns die deutsche Einheit brachte.

Bei dem Brand der Kathedrale Notre-Dame in Paris zeigt sich das Osterprinz­ip neu: Ein Symbol stirbt und alle Franzosen, ob Christen oder nicht, stehen zusammen und verstehen sofort: Notre-Dame muss auferstehe­n.

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