Hass und Liebe: Wie man Kindern Ostern erklärt
Kreuzigung und Auferstehung: Manche Eltern schminken ihre Kinder zu Halloween als Zombies, aber die zentrale Geschichte des Christentums ist ihnen zu brutal, um sie zu erzählen. Ein Fehler
„Ostern ist wie Weihnachten, aber ohne Stress“, meinte eine Freundin. „Kein Geschenke-Besorgen, kein Weihnachtsrummel und die paar Eier sind schneller aufgehängt, als die Nordmanntanne geschmückt ist.“In der vergangenen Woche habe ich eine kleine Umfrage unter Freunden und Bekannten gemacht und muss lachen, was ich alles zu hören bekomme auf meine Frage: „Was bedeutet Ostern für dich persönlich?“
„Darf ich bei deiner Umfrage überhaupt mitmachen? Ich bin ja nicht so ein Kirchgänger, wie du weißt“, sagt ein Nachbar. Ja, er darf. Mich interessiert das. Was machen meine Mitmenschen zu Ostern? Was erwarten sie? Was wird von Ostern heute noch verstanden? Gefühlt ist es für die meisten ein Frühlingsfest. Die winterbleichen Gesichter genießen jeden Sonnenstrahl. Davon gibt es in diesem Jahr über das Osterwochenende reichlich. Ich staune immer, wie Menschen im Frühling richtig aufblühen, die verschlossenen Gesichter sich mit Leben füllen.
Am Ostersonntag treffen sich viele Familien, essen gut und sind am liebsten draußen. Der Osterspaziergang ist für viele ein Muss, an Alster und Elbe wird es voll. Jede Familie hat ihre eigenen Traditionen, sei es das üppige Osterfrühstück, sei es die Eierlikörtorte nach Omas Rezept. Für die Kinder werden Ostereier aus Schokolade versteckt. Ein Familienerlebnis, das weniger kostet als der Eintritt im Freizeitbad. Eltern haben einen Heidenspaß daran, ihrem Nachwuchs zu erzählen, dass die bunten Eier vom Osterhasen gebracht wurden.
Aber wissen diese Eltern auch, dass sie mit den Eiern und dem Hasen uralte heidnische Fruchtbarkeitssymbole pflegen? Die Christen haben die beliebten Symbole adoptiert und umgedeutet: Wie das Küken sich durch die Eierschale kämpft, so verlässt Jesus das Grab als Auferstandener. Und die Hasen sind wie die aufgeregten Zeuginnen und Zeugen der Auferstehung, die in alle Richtungen jagen, um das Osterwunder weiterzusagen.
Eier und Häschen sind so harmlos und niedlich. Aber erzählen die Eltern den Kindern auch die biblische Ostergeschichte? Leider immer seltener. Woran liegt das?
Eine Mutter gesteht mir, dass ihr die Ostergeschichte zu brutal ist. Wer von Ostern erzählt, muss ja mit Karfreitag beginnen. Jesus lehrt und lebt die Liebe und versammelt doch den Hass gegen sich. Anklage: Hochverrat.
Als „König der Juden“wird er verspottet, gegeißelt. Mit einer Dornenkrone gekrönt muss er sein Kreuz bis zum Hinrichtungshügel schleppen. Sein letztes Gespräch führt er mit Mördern, die neben ihm hingerichtet werden. Bis hierhin eine finstere Geschichte. Aber wer die Kreuzigung verschweigt, macht Ostern banal.
Ich erzähle Kindern gerne die Geschichte von den trauernden Frauen am Grab, die dem toten Freund am Ostermorgen noch eine letzte Ehre erweisen wollen. Das Grab finden sie offen und leer, sie sehen Engel, die mit ihnen sprechen. Verwirrt und erschrocken laufen die Frauen vom Grab weg. Den Jüngern sagen sie: Christus ist auferstanden! Es dauert, bis sich Zweifel und Trauer in Glauben und Osterfreude verwandeln.
Kinder kommen mit der Ostergeschichte viel besser klar, als viele Eltern es sich vorstellen können. Warum den Kleinen das Original vorenthalten? Weil die Story zu heftig ist? Und dann zu Halloween den Kinderkopf als Totenschädel schminken oder mit Ketchup bluten lassen? Aber das ist eine andere Geschichte.
Kinder können mit der erstaunlichen Ostergeschichte einen Mut und einen Widerstandsgeist lernen, den wir zum Leben brauchen. Am Kreuz stirbt der Sohn Gottes von Menschenhand, aber der Tod behält nicht das letzte Wort, die Liebe überlebt. Auferstehung ist nicht Happy End, sondern bedeutet, Leben in einem neuen Licht zu sehen, gerade am offensichtlichen Ende aller Möglichkeiten.
Gerade denen, die es mit Gott und der Kirche nicht so haben, möchte ich sagen: Wer sich der Auferstehung nicht anvertrauen kann, der sollte das Osterprinzip wenigstens kennen und verstehen, wie es funktioniert: Aus dem Drama des Gekreuzigten und Auferstandenen haben Menschen aller Zeiten und Kulturen immer wieder Kraft geschöpft. Kranke Menschen haben tote Punkte überwunden, totgesagte Beziehungen sind aufgeblüht. Auferstehung und Aufstand haben viel miteinander zu tun. Es waren die Kerzen, die aus den Kirchen auf die dunkle Straße getragen wurden in der friedlichen Revolution 1989, die uns die deutsche Einheit brachte.
Bei dem Brand der Kathedrale Notre-Dame in Paris zeigt sich das Osterprinzip neu: Ein Symbol stirbt und alle Franzosen, ob Christen oder nicht, stehen zusammen und verstehen sofort: Notre-Dame muss auferstehen.