Bunt, bekifft und hochbegabt
Bilderbuch im „Mehr!“-Theater: Spannender wird’s nicht im deutschsprachigen Pop ...
Nach einer halben Stunde gibt es so einen Bilderbuch-Moment, der Außenstehende irritiert und Fans verzückt. Da lässt sich Sänger Maurice Ernst übers Publikum tragen und ruft dabei immer wieder „Ich hab’ Gef hle!“, als sei es ein Autotune-Mantra. Es bleibt dabei: Die Österreicher sind die talentiertesten und charmantesten Spinner im deutschsprachigen Pop-Zirkus.
„Mehr!“-Theater, Mittwochabend. 3000 Leute, ausverkauft. Groß sind sie geworden, die verstrahlten Burschen aus Wien. Die Show: inzwischen auf dem Weg zur Stadiontauglichkeit. Papierherzen schneien schon zum Auftakt von der Decke, zwei Drum-Sets f ankieren eine Gangway, überall Klimbim und Deko, alles groß.
Und das passt, weil: So sind die. Neue Alben kommen inzwischen alle paar Monate. Und die Mixtur ist immer gleich: Zwei, drei direkt erkennbare Hits – und daneben oft wildwuchernde Spielwiese, bekiffte Strukturen, assoziative Texte. Was ist das? Rock? R’n’B? Psychedelic-Pop?
Ist den Leuten wurscht, weil es groovt wie blöd und spannend ist und anders. Ist der Start mit „Mr. Supercool“noch eher meditativ-versponnen, kommt mit „Memory Card“so’n Hit-Ding ohne Chance auszuweichen. „Du hast hier ausgecheckt. Ich rauch' das ganze Weed, das du liegen lässt. Es hat sich ausgecrasht. Und ich such’ nach etwas Liebe hier im Internet.“So singt der Ernst das, die immer leicht näselnde Rampensau, mit Theatralik und Lässigkeit, einem Touch Falco-Attitüde und einer Portion The Hives-Ego.
Dieser ganze Spinnkram funktioniert auch deshalb so gut, weil die Herren ganz ausgezeichnete Musiker sind. Gitarrist Michael Krammer kann urgewaltig und funky federnd. Schlagzeug und Bass sind felsenfeste Tanzgaranten. Und so gehen fast zwei Stunden dahin: „Bungalow“, „Baba“, „Maschin“, „Plansch“, „Checkpoint“, „sneakers4free“. Riesige Bandbreite. Pure Originalität. Hut ab.