Geheimdienst-Spitzel für die Polizei?
Hamburgs Verfassungsschutz-Chef löst heftige Debatte aus
Hamburgs oberster Verfassungsschützer rüttelt an den Grundfesten unserer Verfassung: Torsten Voß plädiert dafür, das Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdiensten zu lockern. „Kein anderes Land der Welt hat diese strikte Trennung, mindestens in Bezug auf die Informationsübermittlung“, sagte er.
➤ Worum geht’s beim Trennungsgebot? Der Verfassungsschutz hat keine polizeilichen Befugnisse (wie z.B. Festnahmen) und darf Polizeibehörden auch nicht um die Durchführung entsprechender Maßnahmen bitten.
➤ Was sagen Befürworter? Im „Zeitalter der Digitalisierung und globaler Vernetzung auch von Extremisten“müsse „unsere Demokratie auch im Cyberraum wehrhaft sein“, sagte Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, gestern in Hamburg auf einem Symposium zum 70. Geburtstag des Grundgesetzes. Etwa durch Überwachung von Telekommunikation mithilfe von Spionageprogrammen.
➤ Politiker? Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) zeigt sich für die Forderungen offen, den durch das Trennungsgebot gesetzten Rahmen des Informationsaustauschs zwischen Nachrichtendiensten und anderen Behörden „mit Augenmaß“zu erweitern. „Denn wenn zum Beispiel ein Jugendamt von einer Kindeswohlgefährdung durch islamistische Eltern, die ihr Kind zum Dschihad erziehen, nichts weiß, kann es das Kind auch nicht schützen“, sagte er. Sören Schumacher, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, zur MOPO: „Wenn die Möglichkeit besteht, Missstände durch behördlichen Austausch zu verbessern, dann sollten wir sich bietende Potenziale nutzen.“
Carl Jarchow, innenpolitischer Sprecher der FDPFraktion, ist für die Beibehaltung des Trennungsgebots „nicht nur aus Datenschutzgründen“. Die Regeln der Zusammenarbeit von Nachrichtendiensten und Polizei bedürften jedoch einer Überarbeitung: Die Kooperation der Verfassungsschutzämter der Länder und des Bundes sowie der parlamentarischen Kontrollgremien müssten enger abgestimmt werden, so Jarchow.
Christiane Schneider (Linke), Vizepräsidentin der Bürgerschaft, sieht das anders. „Das Trennungsgebot ist eine Schlussfolgerung aus dem Faschismus, vor allem aus dem furchtbaren Treiben der Gestapo bei der Verfolgung und Ausschaltung politischer Gegner. Dass sich Herr Voß ausgerechnet am Tag des Grundgesetzes mit der Forderung nach weiterer Lockerung der Trennung an die Öffentlichkeit wendet, offenbart ein problematisches Verhältnis zu grundlegenden Werteentscheidungen unserer Verfassung. Das Trennungsgebot ist – gerade in Zeiten einer erstarkten Rechten – aktuell wie seit über 70 Jahren“, sagte sie der MOPO.