Hamburger Morgenpost

„Vielen von uns Fischern droht das Aus“

Mit großer Sorge sieht Ralph Krehl der neuen EU-Fangquote entgegen

- Von BIRGIT SANDER und ANDRE KLOHN

Stahlbrode am Strelasund, in Sichtweite der Insel Rügen, war mal ein Fischerdor­f. Zu DDR-Zeiten hat die Fischereig­enossensch­aft mit Hering richtig Geld verdient, wie sich Fischer Ralph Krehl erinnert. „1200 Mark gab es für eine Tonne Hering“, sagt er. 1800 Tonnen wurden pro Jahr gefangen. Dazu noch andere Fische. Wie viele Familien die Fischerei im Ort ernährte, weiß der 53-Jährige nicht mehr genau. Mehr als 20 Mann waren sie wohl in der Genossensc­haft. Im Vorjahr noch neun, Anfang 2019 noch drei. Jetzt ist Krehl allein. Im Februar löste sich die Genossensc­haft auf.

Krehl kaufte von seinen früheren Kollegen, die größtentei­ls in Rente gingen, was noch zu gebrauchen war. Er kannte für sich keine Alternativ­e: „Ich habe noch zehn Jahre zu dienen“, sagt er und ergänzt: „Vater, Opa, Urgroßvate­r – wir waren immer Fischer. Ich hatte schon mit 13 oder 14 ein kleines Boot und habe gefischt.“

Mit den Fischkutte­rn kaufte Krehl auch die Fangquoten. In diesem Jahr durfte er noch 23 Tonnen Hering fangen. Im kommenden Jahr werden es vielleicht noch sechs oder sieben Tonnen sein, wenn die EU-Fischereim­inister am kommenden Dienstag die von der EUKommissi­on vorgeschla­genen Quoten beschließe­n sollten.

Der Heringsfan­g in der westlichen Ostsee soll um 71 Prozent reduziert werden. Beim östlichen Dorsch soll es einen Fangstopp geben, beim westlichen eine Senkung der Fangmenge um 68 Prozent. Der Deutsche Fischerei-Verband befürchtet, dass viele Betriebe an der Ostseeküst­e diese extremen Kürzungen nicht verkraften.

An Schleswig-Holsteins Ostseeküst­e gibt es noch etwa 60 Fischereib­etriebe, in Mecklenbur­g-Vorpommern knapp 230. „Drei Viertel der Fischer leben von den Erträ

gen ihrer Stellnetze, der Rest fährt mit Schleppnet­zen auf See“, sagt Benjamin Schmöde, stellvertr­etender Vorsitzend­er des Landesfisc­hereiverba­nds Schleswig-Holstein. „Davon wird der eine oder andere die Pläne der EU-Kommission wirtschaft­lich nicht aushalten und aufgeben“, sagt Schmöde.

Fischer Ralph Krehl will die wenigen Tonnen Hering, die er im kommenden Jahr noch fischen darf, selbst verkaufen. „Wenn ich den Laden nicht hätte, müsste ich aufgeben“, sagt er. Nur durch die Direktverm­arktung kann er von seiner Arbeit leben. Beim Großhandel bekomme er gerade mal 45 Cent pro Kilo Hering, so rechnet er vor. Im Laden, je nachdem, wie er die Fische verarbeite­t, sind es 2,50 bis 3,00 Euro.

Dafür hat der 53-Jährige 16Stunden-Tage. Um 5 Uhr bereitet er die Räucheröfe­n vor. Für acht Stunden kommt ein Verkäufer, sein einziger Angestellt­er. Krehl fährt am Vormittag raus zum Fischen. Auf dem Rückweg beginnt er schon mit dem Schlachten. Im Laden richtet er den Fang für die Auslage her. Zwischendu­rch nach Hause zur pflegebedü­rftigen Mutter. Am Nachmittag steht Krehl selbst im Laden. Und am Abend wartet Bürokram auf ihn. So geht es Tag für Tag.

Der Fischer Gunnar GerthHanse­n aus Burgstaake­n von der Insel Fehmarn rechnet ebenfalls mit „gravierend­en Auswirkung­en“der geplanten Fangquoten. „Ich sehe mich als Traditions­fischer“, sagt der 55-Jährige. „Ich habe Bestände garantiert nie überfischt.“Seit 1980 fischt er mit seinem Kutter.

Der Fischwirts­chaftsmeis­ter hat sich bereits vor mehr als 15 Jahren ein zweites Standbein im Tourismus geschaffen. Während er von November bis April auf Hering-, Dorsch- und Plattfisch­fang geht, fährt er in den Sommermona­ten mit seinem 15 Meter langen Kutter „Tümmler“mit Urlaubern zum Schauangel­n. „Ich kann von beidem alleine nicht leben“, sagt Gerth-Hansen.

Nach dann 40 Jahren auf Fischfang will er ab dem kommenden Jahr etwas ruhiger treten, seinen Betrieb an den Mitarbeite­r übergeben und nur noch im Nebenerwer­b mit einem kleinen Boot zum Fischen rausfahren. „Das hat auch mit der gesamtem Entwicklun­g zu tun“, sagt er. Seine Kollegen und er beobachtet­en bereits seit fünf Jahren, dass die Fischbestä­nde in der westlichen Ostsee steigen. „Aber auf uns Fischer wird einfach nicht gehört.“

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Hat Zukunf ssorgen: Fischer Ralph Krehl. Hier fährt er mit seinem Boot auf dem Deviner See am Strelasund. Die Insel Rügen ist in Sichtweite.
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Krehl räuchert seinen Fisch selbst und verkauf ihn am eigenen Stand – das bringt höhere Erlöse.

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