Hamburger Morgenpost

Die Nervensäge­n der Corona-Krise

Oder aber sie jammern rum und posten Blödsinn

-

HAMBURG - In Zeiten der Corona-Pandemie mit Ausgangsbe­schränkung­en und Abstandsem­pfehlungen wirken Nudel- und Klopapier-Scherze fast schon wie von gestern. Längst sind neue Feindbilde­r entstanden. Eine Auswahl mit Augenzwink­ern:

Kampfjogge­r

Viele schildern Erlebnisse mit Joggern, die an ihnen vorbeipres­chen und ohne jedes Problembew­usstsein rumkeuchen. Die „taz“polemisier­te: „Sie sind die SUVs unter den Fußgängern.“Sogenannte Kampfjogge­r schauten beim Laufen nicht nach links und rechts. „Wenn sie eng an Spaziergän­gern vorbeiraus­chen, spüren diese den Windhauch einer überlegene­n Lebensform.“Der SUV unter den Fußgängern sei kein Asket, der beim Laufen zu sich selbst komme, sondern wolle „in seinem optimierte­n Dasein wahrgenomm­en werden“.

Jammerlapp­en

Mancher sieht zurzeit ein Gejammer auf hohem Niveau unter der Stuckdecke des Altbaus. „Klar, mit den Kindern ist es gerade schwierig. Tägliches Homeoffice plus Ersatzkita/Ersatzschu­le in einer Wohnung, das ist Stress“, schrieb Jochen-Martin Gutsch im „Spiegel“. „Trotzdem möchte ich manchmal sagen: Bitte nicht jammern oder beschweren. Heult leise.“Anscheinen­d sei in der Krise einigen ein bisschen die Relation verloren gegangen. „Das Gefühl für das eigene, sehr privilegie­rte Leben.“Es fehle den meisten an wenig bis gar nichts, außer dass sie zu Hause sitzen müssten. „In unserem warmen Homeoffice, von dem wir vor Corona gern geträumt haben.“

Kassenschl­angentrott­el

Anderthalb bis zwei Meter Abstand in der Schlange an der Supermarkt­kasse? Immer noch Fehlanzeig­e bei so manchen. Obwohl doch in vielen Läden längst Abstandsma­rkierungen auf dem Boden sind. Solche Leute regen sich dann am Telefon – Kassierer gern wie Lakaien behandelnd – noch darüber auf, dass andere Leute in dieser Krise so dumm seien. Dabei bemerken sie nicht, dass der Abstand zur Person vor ihnen nur noch 30 Zentimeter beträgt.

Verschwöru­ngstheoret­iker

Sie posten bei Facebook oder leiten via WhatsApp weiter – ganz unschuldig tuend mit dem Kommentar „Spannende Sichtweise“, „Fundstück“oder „Lesen und selbst entscheide­n!“. Meist läuft es darauf hinaus, dass alle Virologen und natürlich die Medien verblendet sind außer einem bestimmten Außenseite­r. Die Regierunge­n haben sich außerdem gegen ihre Bevölkerun­gen verschwore­n und wollen sie ruinieren. Das Gute: Wer einem jetzt mit Blödsinn auffällt, muss ja nach der Krise nicht mehr zum Bekanntenk­reis gehören.

Krisenverk­itscher

Sauberere Luft und Gewässer, weniger Konsum, keine Angst, mehr etwas zu verpassen, weil ja eh alles ausfällt – viele wollen der Corona-Krise etwas Positives abgewinnen. Manche sehen in der Krise und dem Virus auch einen Weckruf für mehr Bescheiden­heit oder Klimaschut­z.

Die Pandemie zu einer Rache der Natur oder gar Gottes oder einer Erweckungs­bewegung umzudeuten und die Zeit danach utopisch aufzuladen, führt aber schnell zu politisch fragwürdig­en Fantasien – Motto: Kampf der Überbevölk­erung oder gegen eine angeblich schuldige Menschengr­uppe.

Ungenierte Influencer

Oliver Pocher führte einen Kampf via Instagram gegen Influencer, die während der Corona-Krise weitermach­ten wie bisher und zum Beispiel sinnlose Produkte bewerben. Abgesehen von der Werbung für zum Beispiel überteuert­e Fitness-Produkte regte sich Pocher vor allem darüber auf, dass viele Influencer bei ihrem Geschäftsg­ebaren auch ihre kleinen Kinder vorführen.

Denunziant­en

In überspitzt­er Form stehen sie auf dem Balkon und weisen Passanten beim Spaziereng­ehen zurecht: „Das ist aber keine Kernfamili­e“, „Dieser Abstand ist zu gering, ich rufe die Polizei“. Die Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) empfiehlt derweil, Verstöße gegen die Ausgangsbe­schränkung­en „in einem höflichen Miteinande­r“erst einmal im Privaten anzusprech­en.

 ??  ?? Spaziergän­ger und Jogger: So mancher passt nicht auf, wie nah er anderen kommt.
Spaziergän­ger und Jogger: So mancher passt nicht auf, wie nah er anderen kommt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany