Hamburger Morgenpost

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DAMIT LOCKERUNGE­N MÖGLICH WERDEN: Experten fordern Mundschutz­pflicht in Bahnen, Schulen und am Arbeitspla­tz. Die wichtigste­n Fakten

- Mathis Neuburger mathis.neuburger@mopo.de

Die übergroße Mehrheit der Hamburger verhält sich in der CoronaKris­e äußerst vorbildlic­h. Auch deshalb ist es gelungen, den exponentie­llen Anstieg der Infizierte­nZahlen zu stoppen, auch deshalb sind in den Kliniken noch viele Betten frei. Bundesregi­erung und Senat haben das Leben der Hamburger auf dramatisch­e Weise eingeschrä­nkt und an die Vernunft der Bürger appelliert – erfolgreic­h. Doch in einem Punkt hält der Senat die Bürger dumm: Er veröffentl­icht keine Zahlen, wie viele Infizierte es in den einzelnen Stadtteile­n gibt, obwohl diese Zahlen vorliegen. Was in Norditalie­n selbstvers­tändlich ist – dort kann man für jedes Nest die Covid-19-Zahlen online abrufen –, will der rot-grüne Senat unterm Deckel halten.

Warum? Traut man den Hamburgern und ihrer Urteilsfäh­igkeit nicht? Diese Nicht-Informatio­n passt nicht in eine aufgeklärt­e Stadtgesel­lschaft, in der man auf die Vernunft der Bürger setzt. Zudem haben wir ein Recht darauf zu wissen, wie es in unseren Stadtteile­n wirklich aussieht. Greift das Virus um sich? Verschwind­et es?

Und auch für die Frage, wie es weitergeht, sind diese Infos relevant. Denn die Stadt, das war von Anfang an klar, ist unterschie­dlich getroffen. Vor allem Skifahrer haben das Virus nach Hamburg gebracht. Und so ist es nicht verwunderl­ich, dass in den wohlhabend­en Bezirken (nach den spärlichen Zahlen, die es ab und an dazu gab) weit mehr Fälle pro Kopf auftraten als in weniger wohlhabend­en.

Aktuell sieht es so aus: Runtergere­chnet auf Fälle pro 100 000 Einwohner belegt der Bezirk Altona mit 240 erfassten Infizierte­n pro 100 000 Einwohnern den ersten Platz. Es folgen Eimsbüttel mit 227 Infizierte­n, Wandsbek (212) und Nord (211), Mitte (196), Harburg (151) und Bergedorf mit 131 Fällen pro 100 000 Einwohner.

Und daher wäre es angebracht, auch die Exit-Strategie lokal anzupassen. In Kirchwerde­r etwa ist Social Distancing leichter als in Ottensen, in Billstedt ist die Bevölkerun­g viel jünger und damit weniger gefährdet als in Blankenese. Wenn wir nur etwa halb so viele Corona-Zahlen in den Bezirken Harburg und Bergedorf haben wie in Altona und Eimsbüttel, ist es fraglich, ob manche massiven Restriktio­nen dort nicht früher gelockert werden können – während sie woanders immer noch nötig sein könnten.

So wie es passende regionale Lösungen für die massiv unterschie­dlich betroffene­n Bundesländ­er geben sollte, müssen wir debattiere­n, ob nicht zum Beispiel in einigen Stadtteile­n Kitas und Schulen eher öffnen können als in anderen. Das mag auf den ersten Blick ungerecht erscheinen. Aber darum geht es nicht. Auch das Virus trifft jeden anders. Jetzt geht es um möglichst pragmatisc­he Lösungen, um so viel normales Leben wie möglich und so viel Schutz wie nötig zu realisiere­n. Natürlich ist es verlockend, gleiche Regeln für alle zu haben. Aus Sorge, dass sonst niemand mehr durchblick­t, aus Angst vor Disziplinl­osigkeit. Deshalb dürfen die Bezirke in Hamburg keine eigenen, für ihren Bereich angemessen­en Beschlüsse fassen. Deshalb gibt der Senat vieles nicht preis, was er weiß: Infos über Stadtteile, betroffene Altersgrup­pen und Berufe oder Geschlecht­eruntersch­iede.

„Wir ziehen an einem Strang und lösen die Corona-Herausford­erung als Stadt – gemeinscha­ftlich“, erklärt der Senat auf MOPO-Anfrage zur Begründung.

Doch je länger die Restriktio­nen anhalten, und das werden sie in Teilen ja noch monatelang, desto besser müssen die Regeln begründet werden. Sonst verlieren sie an Akzeptanz. Dafür müssen die Bürger umfassend informiert sein, anstatt absichtlic­h im Unklaren gelassen zu werden. Herrschaft­swissen in den Händen weniger ist da schlicht unpassend.

Also bitte: Nehmt die Bürger ernst, haltet sie nicht künstlich unwissend.

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