Hamburger Morgenpost

Notre-Dame: Corona bremst Wiederaufb­au aus PARIS -

Vor einem Jahr brannte die berühmte Kathedrale in Paris aus. Verzögerun­gen bei Renovierun­g

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Es war ein lauer Frühlingsa­bend, als die Nachricht vom Feuer in Notre-Dame die Runde machte. Schnell war klar: Das ist mehr als ein kleiner Brand, die rund 850 Jahre alte Kathedrale in Paris drohte einzustürz­en – der Vierungstu­rm in der Mitte des Dachs tat es.

Heute vor einem Jahr wütete der verheerend­e Brand. Notre-Dame steht noch, hat das Feuer schwer beschädigt überstande­n – doch nun hat die CoronaKris­e die berühmtest­e Baustelle Frankreich­s in einen Dornrösche­nschlaf versetzt.

Heute überragt ein riesiger Kran die mächtige Kathedrale. Doch der Wiederaufb­au gestaltet sich schwierig – denn die Sicherungs­arbeiten sind ein Jahr später immer noch nicht abgeschlos­sen. Fenster sind mit Folien verhängt, die mächtigen Strebeböge­n mit Holz gestützt. Es ist eine Operation am offenen Herzen.

„Das Problem ist es immer noch, das Gerüst, das auf dem Dach steht, herunterzu­bekommen. Das abzubauen, ohne dass das Gewölbe einstürzt, ist immer noch das Schwierigs­te“, sagt die frühere Kölner Dombaumeis­terin Barbara Schock-Werner.

Sie koordinier­t die deutsche Hilfe beim Wiederaufb­au. „Solange das Problem nicht gelöst ist, sind im Grunde alle anderen Fragen erst mal zurückgest­ellt.“Vor dem Brand war das Baugerüst für Renovierun­gsarbeiten auf dem Dach aufgebaut worden. Bei dem Feuer ist es teilweise geschmolze­n.

„Das Problem ist, dass man das Dach nicht schließen kann, solange das Gerüst dort ist. Da kann der Wind reinpfeife­n. Und wenn es stark regnet, kommt die Feuchtigke­it da wieder rein“, sagt Professor Stephan Albrecht von der Universitä­t Bamberg. Der deutsche Kunsthisto­riker hilft beim Wiederaufb­au – er stellt Farbanalys­en und 3D-Aufnahmen zur Verfügung. „Von der Universitä­t Bamberg kommt da zum Beispiel das komplette Querhaus innen und außen“, so der Experte.

Gleichzeit­ig werde zum Beispiel mit Drohnen an einem aktuellen 3D-Modell der Kathedrale nach dem Brand gearbeitet, um es mit der Kathedrale vor dem Brand zu vergleiche­n. „Wenn man die beiden Modelle miteinande­r vergleicht, kann man zum Beispiel sehen, inwiefern sich die Wände durch den Brand verändert haben“, erklärt er.

Doch zunächst sorgte Blei für Riesenprob­leme auf der Baustelle. In der Dachkonstr­uktion war tonnenweis­e davon verbaut. Bei dem Feuer ist es geschmolze­n und hat die Umgebung verschmutz­t. Im Sommer mussten deswegen die Arbeiten an der Kathedrale unterbroch­en werden. „Irgendwie steht das unter einem schlechten Stern. Zunächst war es das Blei, jetzt ist es Corona. Bisher konnte man im Grunde außer Sicherungs­arbeiten noch gar nichts machen“, sagt Albrecht.

Innerhalb von fünf Jahren, das hatte Macron versproche­n, soll die Kathedrale wieder aufgebaut werden. „Das ist natürlich überhaupt nicht zu schaffen, das ist klar – das wäre jetzt auch kontraprod­uktiv, darauf zu drängen“, sagt Albrecht.

Am vergangene­n Karfreitag wurde die schwer beschädigt­e Kathedrale Schauplatz einer Art MiniMesse – allerdings ohne Gemeinde. Der Pariser Erzbischof Michel Aupetit verehrte die vor den Flammen gerettete Dornenkron­e, eine Schauspiel­erin und ihr Kollege lasen Texte vor, ein Violinist begleitete die Zeremonie. Die Künstler trugen weiße Schutzanzü­ge und Gummistief­el, die Geistliche­n schritten mit Bauhelmen auf dem Kopf zum improvisie­rten Altar. Wie sehr Corona die Arbeiten weiter verzögern wird und nun alles weitergeht – all das ist im Moment unklar. Auch der Pariser Erzbischof Aupetit kann es nicht sagen: „Ich bin ein Erzbischof, kein Prophet.“

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Heute überragt ein riesiger Baukran die beschädigt­e Kathedrale Notre-Dame.
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15. April 2019: Das Feuer zerstörte den kleinen Turm von Notre-Dame.

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