Hamburgs Eltern brauchen eine Perspektive!
Wir Hamburger Eltern hatten uns schon Hoffnung gemacht: Vergangene Woche plädierte UKE-Infektiologe Ansgar Lohse dafür, Kitas und Schulen nach dem 20. April wieder zu öffnen. Dann kam das Leopoldina-Gutachten – und empfahl, jetzt als Erstes Grundschulen zu öffnen. Dann kamen Merkel und die Länderchefs – und beschlossen, Friseursalons und kleine Geschäfte zu öffnen. Schulen dagegen bleiben größtenteils dicht, Kitas komplett.
Manche Eltern sind enttäuscht, manche wütend, wie etwa Hamburgs Grünen-Chefin Anna Gallina, die direkt eine „frauen- und kinderfeindliche“Politik als Ursache wittert.
Das halte ich für falsch, schließlich gibt es gute Argumente für und gegen die Öffnungen von Kitas und Grundschulen. Und andere Gruppen leiden noch mehr unter der Krise. Fakt aber ist: Viele Eltern sind verzweifelt – denn es fehlt völlig an einer langfristigen Perspektive.
Die Begründung für die andauernden Kita-Schließungen lautet ja: Die Kleinen können keine Hygieneregeln einhalten. Das ist richtig. Sie werden es aber auch nicht in vier Wochen oder vier Monaten können.
Wenn man, wie es jetzt den Anschein hat, auf die komplette Eindämmung des Virus statt einer langsamen Durchseuchung der Gesellschaft setzt, müssten die Kitas so lange geschlossen bleiben, bis es einen Impfstoff gegen Corona gibt. Denn da die meisten Kinder bei einer Infektion gar keine Symptome zeigen, ist das Erkennen und Eindämmen von InfektionsketTests ten in Kitas durch schwer zu realisieren.
Mit einem solchen Impfstoff ist aber laut allgemeiner Sichtweise nicht vor Jahresende zu rechnen – und bis es dann genügend Impfdosen für alle Kinder gibt, wird es noch länger dauern.
Klar ist aber auch: Ohne Kinderbetreuung wird diese Gesellschaft nur in Teilen funktionieren. Wie will man die Wirtschaft wieder hochfahren, wenn ein großer Teil der Erwachsenen Kinder hütet? Oma und Opa dürfen ja auch nicht helfen. Gut, dass Melanie Leonhard zumindest Alleinerziehenden schneller helfen will (siehe Text rechts).
Ähnlich wie in Kitas sieht es in den Grundschulen aus: Wenn man Grundschülern jetzt nicht zutraut, Masken zu tragen, dann wird man das auch nicht in vier Wochen oder vier Monaten machen. Dabei können auch Sechsjährige Masken tragen und Hygieneregeln einhalten.
Zudem wäre es möglich, Klassen aufzuteilen in zwei oder drei Gruppen und diese jeweils an zwei bis drei Tagen die Woche zu unterrichten – je nach Kapazität der Schulen und Riskogruppen-Anteil im Lehrerkollegium. Dies würde Eltern zumindest an einigen Tagen entlasten und vor allem die aktuelle massive Benachteiligung von Kindern aus bildungsfernen Haushalten verringern.
Schade ist auch, dass ausgerechnet in diesem Bereich die Länder auf einem einheitlichen Vorgehen pochen. Dabei sind die Länder gar nicht vergleichbar, Mecklenburg-Vorpommern hat zum Beispiel 38 Covid-Fälle je 100 000 Einwohner, Bayern 265 – also sieben Mal mehr. Da wäre es doch sinnvoll, zumindest in weniger stark belasteten Kreisen unterschiedliche Modelle auszuprobieren, um dann in vier Wochen zu sehen, was funktioniert – und was nicht.
So aber sind wir daangewiesen, rauf unseren Nachbarn in Dänezuzuschauen, mark die ungefähr so stark von Corona betroffen sind wie die norddeutschen Länder: Dort haben am Mittwoch Kitas und Grundschulen unter strengen Vorsichtsmaßnahmen wieder geöffnet.