Hamburger Morgenpost

Hamburgs Eltern brauchen eine Perspektiv­e!

- MATHIS NEUBURGER m.neuburger@mopo.de

Wir Hamburger Eltern hatten uns schon Hoffnung gemacht: Vergangene Woche plädierte UKE-Infektiolo­ge Ansgar Lohse dafür, Kitas und Schulen nach dem 20. April wieder zu öffnen. Dann kam das Leopoldina-Gutachten – und empfahl, jetzt als Erstes Grundschul­en zu öffnen. Dann kamen Merkel und die Länderchef­s – und beschlosse­n, Friseursal­ons und kleine Geschäfte zu öffnen. Schulen dagegen bleiben größtentei­ls dicht, Kitas komplett.

Manche Eltern sind enttäuscht, manche wütend, wie etwa Hamburgs Grünen-Chefin Anna Gallina, die direkt eine „frauen- und kinderfein­dliche“Politik als Ursache wittert.

Das halte ich für falsch, schließlic­h gibt es gute Argumente für und gegen die Öffnungen von Kitas und Grundschul­en. Und andere Gruppen leiden noch mehr unter der Krise. Fakt aber ist: Viele Eltern sind verzweifel­t – denn es fehlt völlig an einer langfristi­gen Perspektiv­e.

Die Begründung für die andauernde­n Kita-Schließung­en lautet ja: Die Kleinen können keine Hygienereg­eln einhalten. Das ist richtig. Sie werden es aber auch nicht in vier Wochen oder vier Monaten können.

Wenn man, wie es jetzt den Anschein hat, auf die komplette Eindämmung des Virus statt einer langsamen Durchseuch­ung der Gesellscha­ft setzt, müssten die Kitas so lange geschlosse­n bleiben, bis es einen Impfstoff gegen Corona gibt. Denn da die meisten Kinder bei einer Infektion gar keine Symptome zeigen, ist das Erkennen und Eindämmen von Infektions­ketTests ten in Kitas durch schwer zu realisiere­n.

Mit einem solchen Impfstoff ist aber laut allgemeine­r Sichtweise nicht vor Jahresende zu rechnen – und bis es dann genügend Impfdosen für alle Kinder gibt, wird es noch länger dauern.

Klar ist aber auch: Ohne Kinderbetr­euung wird diese Gesellscha­ft nur in Teilen funktionie­ren. Wie will man die Wirtschaft wieder hochfahren, wenn ein großer Teil der Erwachsene­n Kinder hütet? Oma und Opa dürfen ja auch nicht helfen. Gut, dass Melanie Leonhard zumindest Alleinerzi­ehenden schneller helfen will (siehe Text rechts).

Ähnlich wie in Kitas sieht es in den Grundschul­en aus: Wenn man Grundschül­ern jetzt nicht zutraut, Masken zu tragen, dann wird man das auch nicht in vier Wochen oder vier Monaten machen. Dabei können auch Sechsjähri­ge Masken tragen und Hygienereg­eln einhalten.

Zudem wäre es möglich, Klassen aufzuteile­n in zwei oder drei Gruppen und diese jeweils an zwei bis drei Tagen die Woche zu unterricht­en – je nach Kapazität der Schulen und Riskogrupp­en-Anteil im Lehrerkoll­egium. Dies würde Eltern zumindest an einigen Tagen entlasten und vor allem die aktuelle massive Benachteil­igung von Kindern aus bildungsfe­rnen Haushalten verringern.

Schade ist auch, dass ausgerechn­et in diesem Bereich die Länder auf einem einheitlic­hen Vorgehen pochen. Dabei sind die Länder gar nicht vergleichb­ar, Mecklenbur­g-Vorpommern hat zum Beispiel 38 Covid-Fälle je 100 000 Einwohner, Bayern 265 – also sieben Mal mehr. Da wäre es doch sinnvoll, zumindest in weniger stark belasteten Kreisen unterschie­dliche Modelle auszuprobi­eren, um dann in vier Wochen zu sehen, was funktionie­rt – und was nicht.

So aber sind wir daangewies­en, rauf unseren Nachbarn in Dänezuzusc­hauen, mark die ungefähr so stark von Corona betroffen sind wie die norddeutsc­hen Länder: Dort haben am Mittwoch Kitas und Grundschul­en unter strengen Vorsichtsm­aßnahmen wieder geöffnet.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany