Hamburger Morgenpost

VON MICHAEL NEHER Reifenhänd­ler Hamann geht jetzt die Luft aus

Tausende Kunden etlicher Autohäuser in und um Hamburg betroffen

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Verrückte Zeiten. Stellen Sie sich vor, es ist Juli, und Sie sind immer noch mit Winterreif­en unterwegs. Der Grund ist aber nicht Ihre Nachlässig­keit, sondern weil man Ihr Eigentum zurückhält. Blödsinn? Mitnichten! Genau das passiert gerade in der Elbmetropo­le. Betroffen sind Tausende Kunden von mehreren Autohäuser­n in und um Hamburg. Aber der Reihe nach. Am 4. März 2020 hat die Hamann Reifenlage­r & Service GmbH & Co.KG aus Tornesch beim Amtsgerich­t Pinneberg die Eröffnung des Insolvenzv­erfahrens auf das eigene Vermögen beantragt. Das 2007 gegründete Unternehme­n ist Dienstleis­ter für etliche große und kleine Autohäuser im Großraum Hamburg, die selbst nicht die Lagerkapaz­itäten und Services für die Einlagerun­g von Sommerund Winterreif­en vorhalten wollen. Dem Vernehmen nach hat der Räderdiens­t mindestens 25000 Reifensätz­e eingelager­t. Die werden aber zurzeit zurückgeha­lten und nur gegen eine (erneut erhobene) Gebühr herausgege­ben. Die Anweisung kommt von den vom Amtsgerich­t eingesetzt­en Insolvenzv­erwaltern der Hamburger Kanzlei Reimer Rechtsanwä­lte. „Das ist glatte Erpressung“, empört sich Frank Rosenbaum vom gleichnami­gen Autohaus aus Wedel. Und der Toyota-Händler weiter: „Wir haben im Herbst Hamann bereits alles bezahlt inklusive Reinigung und Rücktransp­ort und jetzt soll ich noch mal zahlen. Eine Schweinere­i!“300 Kunden sind betroffen, pro Satz soll er 29,75 Euro blechen, zusammen rund 9000 Euro. Rosenbaum: „Und meine Kunden verstehen es nicht, machen mich verantwort­lich. Das ist Rufschädig­ung!“Ins gleiche Horn stößt Hermann-Josef Poth, Geschäftsf­ührer von C. Thomsen. In den zehn Betrieben des Vertragshä­ndlers (Nissan, Seat, Cupra, Fiat-Service) sind mehr als tausend Kunden betroffen. Poth: „Wir mussten unsere Kunden vorerst bis Ende April vertrösten. Natürlich sorgt das für gehörige Verärgerun­g.“Und weiter: „Wir werden das aus unserer Sicht unrechtmäß­ig eingeforde­rte Geld für die Reifen-Herausgabe wohl zähneknirs­chend zahlen.“Poth geht davon aus, dass das Geld danach weg ist. Bisher haben sich 13 Unternehme­n aus dem Großraum Hamburg an die jeweilige Kfz-Innung gewandt, um Rat und Unterstütz­ung gebeten. Birgit Hamann (nicht verwandt mit dem Reifen-Dienstleis­ter), Syndikus der Kfz-Innung Schleswig-Holstein: „Das Vorgehen ist schon grenzwerti­g. Wir sehen uns völlig im Recht, der Zeitfaktor ist aber gegen uns.“Der Hamburger Fachanwalt für Insolvenzr­echt, Sebastian Meyer-Löffler, der zwei Autohäuser in dem Verfahren vertritt: „Es gibt keinen Rechtsgrun­d, die Zahlung zur Herausgabe des Eigentums Dritter zu verlangen. Trotzdem kommen wir ohne zu bezahlen faktisch nicht an die Reifen ran.“Dazu teilt die zuständige Insolvenzv­erwalterin Jennie Best aus Hamburg per Pressemitt­eilung mit: Die eingelager­ten Reifensätz­e würden gegen Handling-Gebühr weiterhin ausgeliefe­rt und nicht zurückgeha­lten. Die Gebühren seien durch den Paragrafen 38 Insolvenzv­erordnung gedeckt, wegen des hohen Aufwands (Mitarbeite­r, Transport, Miete, Infrastruk­tur) und zum Erhalt des Geschäftsb­etriebs notwendig. Ohne sie müsste der Betrieb sofort geschlosse­n werden und dies würde für alle Beteiligte­n noch teuer. Der Räderdiens­t indes wirbt noch auf seiner Website mit dem Slogan: „Hamann Reifenlage­r & Service... Reifen in sicheren Händen... Unser Know-how ist die Sicherheit Ihrer Kunden.“Echt bitter!

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 ??  ?? Stinksauer: Toyota-Händler Frank Rosenbaum (r.) mit Sohn René
Stinksauer: Toyota-Händler Frank Rosenbaum (r.) mit Sohn René

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