Der Crash-Vergleich: Corona- vs. Finanzkrise
Krisen sind immer auch Chancen, heißt es ja. Aber was für Chancen? Wir hören derzeit oft den Vergleich mit der Finanzkrise 2008/2009, aber ist die Corona-Krise nicht wesentlich schlimmer, weil noch globaler, noch dramatischer? Was gleicht sich in beiden Crashs und was ist anders? Was können wir aus der einen Krise für die derzeitige lernen? Und was nicht?
Ein großer Unterschied liegt schon mal auf der Hand und ist für jeden spürbar: Nach der Finanzkrise 2008/2009 hat sich das Leben der meisten Menschen – zumindest in Deutschland – weiter in gewohnten Bahnen bewegt. Das ist jetzt anders und wird vermutlich auch für eine längere Zeit so bleiben. Und: „Die Kosten jetzt werden voraussichtlich alles übersteigen, was aus Wirtschaftskrisen oder Naturkatastrophen der letzten Jahrzehnte in Deutschland bekannt ist“, sagt Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts. Aber kann man trotzdem Parallelen zwischen 2020 und der Finanzkrise ziehen? Oder hinkt der Vergleich? Eine Einordnung:
➤ Ursachen: 2020 ist die Krise durch ein Virus ausgelöst worden, es trifft alle unvorbereitet, auch gleich mit großen sozialen Folgen. Die Finanzkrise hatte ihren Ursprung im weltweiten Bankennetz – und laxen Regeln. Geldhäuser finanzierten Amerikanern Häuser und Wohnungen – auch solchen, die sich ein Leben auf Pump nicht leisten konnten. Die schlecht besicherten Kredite bündelten Finanzjongleure zu Päckchen und verkauften sie. Weil Ratingagenturen die Pakete mit Bestnoten adelten, interessierte sich keiner für deren riskanten Inhalt. Die Blase platzte, als Kreditnehmer ihre Raten nicht mehr zahlen konnten. Mit der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers 2008 wurde das Ganze zur weltweiten Bankenkrise. Banken mussten Milliardenverluste verkraften, das Vertrauen in Geschäftspartner erodierte, etliche Institute wurden mit Steuermilliarden vor dem Kollaps gerettet. Die Ursachen waren 2008/2009 systemimmanent, die Krise jetzt kommt von außen (auch wenn sie genauso menschengemacht ist).
➤ Reaktionen: Die Verwerfungen im Finanzsystem trafen 2008/2009 die Weltwirtschaft mit Wucht, nahezu alle Volkswirtschaften rund um den Globus stürzten in eine Rezession, in Deutschland schrumpfte die Wirtschaftsleistung um 5,7 Prozent. Für den noch jungen Euroraum wurden die Jahre ab 2010 zur Zerreißprobe.
US-Fed, Europäische Zentralbank (EZB) und weitere Notenbanken senkten die Zinsen drastisch, pumpten Milliarden in die Märkte. Die Politik bemühte sich, Lücken bei der Überwa
chung von Banken zu schließen und schärfere Regeln festzuzurren. Das dauerte.
2020 hilft davon schon vieles. Banken müssen deutlich mehr Eigenkapital vorweisen, mit dem sie in Krisen – wie jetzt – Verluste abpuffern. Die EZB überwacht die großen Banken im Euroraum zentral, sollte die Abwicklung einer maroden Bank nötig sein, gibt es dafür europäische Regeln. Für Staaten zogen die Europäer den EuroRettungsschirm ESM als „Netz“ein und Notenbanken haben inzwischen reichlich Erfahrung mit Notfallmaßnahmen wie Anleihenkäufen.
➤ Internationale Kooperation: Die Finanzkrise katapultierte die G20 – die Gruppe der großen Industrieund Schwellenländer – zum zentralen Forum der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Das lief überraschend gut.
Der gemeinsame Kampf gegen die Corona-Pandemie lief dagegen zögerlich an. Selbst innerhalb der EU schlossen Staaten im Alleingang Grenzen. Jetzt soll es den Rettungsschirm für EU-Staaten auch geben. Streit um die folgenden Instrumente gibt es weiterhin. Ein gemeinsames Vorgehen macht auch US-Präsident Donald Trump schwer. George W. Bush war da ein angenehmerer Partner. Die Spannungen unter den G20-Partnern – darunter die Türkei, Saudi-Arabien, Brasilien und Russland – haben im Vergleich zugenommen.
➤ Staatsverschuldung: Konjunkturprogramme und Rettungsmilliarden für Banken ließen 2009 die schon gewaltigen staatlichen Schuldenberge wachsen – ein Problem für die schwächeren Euro-Volkswirtschaften. Sie mussten immer höhere Zinsen aufbringen, um Geld am Kapitalmarkt zu bekommen.
Auch in der Corona-Krise wird die Staatsverschuldung angesichts billionenschwerer Rettungspakete, höherer Ausgaben für steigende Arbeitslosigkeit und sinkender Steuereinnahmen steigen. Doch es gibt einen Unterschied zur Finanzkrise: Die Notenbanken feuern jetzt aus allen Rohren. Die Staatsanleihenkäufe der EZB sichern derzeit auch hoch verschuldeten Eurostaaten den Zugang zum Kapitalmarkt.
➤ Dauer: Die Finanzkrise kündigte sich schleichend an, schlug zu, aber die Wirtschaft in Deutschland sprang schnell wieder an: Nur ein Jahr später meldete sich Europas größte Volkswirtschaft eindrucksvoll zurück, es folgte ein zehnjähriger Aufschwung.
Die Tiefphase dürfte jetzt länger dauern. Aber: Die neue Krise trifft eine im Kern gesunde Volkswirtschaft. Wirtschaftsweiser Volker Wieland: „Es ist nicht wie in einem Krieg, wo der Kapitalstock zerbombt wäre, die Arbeiter an der Front sind.“