Hamburger Morgenpost

Prüfer-Storcks über Lockerunge­n und wann sie aufgehoben werden müssten Was ist mit den Lebenden, die sich infiziert haben? Warum gibt es keine Angaben zu Stadtteile­n? Dies könnte doch helfen, um in der Stadt ganz unterschie­dlich Lockerunge­n auf den Weg zu

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Sie ist Hamburgs CoronaKris­enmanageri­n, dabei wäre sie eigentlich nicht mehr da. Gesundheit­ssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) wollte nach der Bürgerscha­ftswahl ihr Amt niederlege­n, doch das Virus durchkreuz­te diesen Plan. Die MOPO sprach mit ihr über die Impfstoffe­ntwicklung, Mundschutz­pflicht und den unerwartet­en Dauerstres­s.

MOPO: Frau Prüfer-Storcks, sind Sie froh, dass Sie im Amt sind?

Cornelia Prüfer-Storcks: Wenn alles normal gelaufen wäre, dann wäre wahrschein­lich am Mittwoch ein neuer Senat gewählt worden. Mit der Pandemie hat jedoch niemand gerechnet. Wer das behauptet, der flunkert. Und ja, ich werde nicht Teil des neuen Senats sein. Aber es ist vielleicht nicht ganz schädlich, dass jetzt noch jemand mit viel gesundheit­spolitisch­er Erfahrung im Amt ist.

Kanzlerin Angela Merkel hat in ihrer Regierungs­erklärung die Länder kritisiert, zu schnell Maßnahmen zu lockern. Was sagen Sie?

Hamburg kann sie damit nicht gemeint haben. Wir

halten uns schon sehr an das, was in Berlin verabredet wurde. Das kann ich generell für die SPD-regierten Bundesländ­er sagen.

Bei den Unions-Ländern hat man den Eindruck, dass die CDU-Kanzlerkan­didatur gerade wichtig ist ...

Ich habe das Gefühl, dass manche Entscheidu­ngen von politische­n Erwägungen geprägt sind. Es geht da nicht nur um die Frage, wie man die Bevölkerun­g ausreichen­d schützt. Deswegen bin ich froh, dass wir mit Peter Tschentsch­er einen Bürgermeis­ter haben, der Ruhe ausstrahlt und rationale Entscheidu­ngen trifft. Mit Markus Söder würde ich nicht so gerne zusammenar­beiten.

Ab Montag gilt in Hamburg die Maskenpfli­cht. Erst hieß es, dass die Community-Masken nichts bringen würden, jetzt soll sie jeder tragen. Was soll man nun glauben?

Ich persönlich habe nie gesagt, dass sie nichts bringen. Aber sie sind kein umfassende­r Schutz für den Träger. Sie sind ein Schutz für andere Menschen, damit man diese nicht anhustet, die Tröpfcheni­nfektion gering hält. Ich warne auch davor zu glauben, dass mit dem Tragen von Masken alles geregelt ist. Es ist und bleibt wichtig, dass man Abstand hält und die Hygienemaß­nahmen beachtet, das ist der beste Schutz.

Viele haben das Gefühl, dass Hamburg mit seinen Maßnahmen immer einen Schritt hintendran ist. Warum preschen wir nie vor?

Vorpresche­n ist keine kluge Strategie. Wir haben von Anfang an das Richtige zum richtigen Zeitpunkt gemacht. Die aktuelle Situation in Hamburg gibt uns recht. Die Lage in den Krankenhäu­sern ist nicht angespannt, die Zahl der Infizierte­n geht zurück. Wir waren auch nicht langsamer als andere. Bei uns waren z.B. die Schulen im März schon geschlosse­n wegen der Ferien, das mussten wir nur verlängern. Am Ende ist es ein Abwägungsp­rozess, wie man wann reagiert. Das Infektions­schutzgese­tz schreibt vor, dass man die Maßnahmen, die man ergreift, auch gut begründen muss. Ich denke, wir haben das richtige Maß gefunden.

Dennoch fordern Experten jetzt, dass Schulen und Kitas generell wieder geöffnet werden, um eine Herdenimmu­nität zu schaffen. Was entgegnen Sie?

Wir haben in Hamburg eine kluge Lösung getroffen. Alle, die eine Betreuung ihrer Kinder dringend brauchen, können diese in die Kita und zur Schule bringen, z. B. alle Alleinerzi­ehenden. Die Diskussion um weitere Lockerunge­n in diesem Bereich gehen weiter, Ende April werden die Ministerpr­äsidenten mit der Kanzlerin auch darüber sprechen und einen besonderen Fokus auf diesen Bereich legen.

Gilt das auch für Spielplätz­e?

Auch die gehören oben auf die Agenda. Kinder benötigen Platz im öffentlich­en Raum, um sich entfalten zu können. Die Öffnung der Spielplätz­e ist eine wichtige soziale Frage, die wir zeitnah beantworte­n müssen, gerade in einem Stadtstaat wie Hamburg sind solche Plätze wichtig, weil wir viel weniger Raum zur Verfügung haben als in weniger dicht besiedelte­n Bundesländ­ern.

In Mainz gibt es jetzt die ersten Versuchsre­ihen für einen CoronaImpf­stoff. Könnte der auch aus Hamburg kommen? Es heißt ja, hier gebe es die Voraussetz­ungen.

Es gibt hier am UKE ja auch eine weit gediehene Studie zu einem Corona-Verwandten, dem MERS-Erreger. Es wäre gut, wenn das dazu beitragen könnte, dass die Entwicklun­gszeit für einen Impfstoff gegen das Coronaviru­s deutlich verkürzt wird. Ich warne aber davor, zu glauben, dass wir bald einen Impfstoff haben werden. Ich glaube, das wird erst im nächsten Jahr der Fall sein – und dann eher gegen Ende des Jahres. Ihn entdecken ist das eine, ihn im ausreichen­den Maße produziere­n das andere. Wir werden uns noch lange mit der Pandemie auseinande­rsetzen müssen.

Mal angenommen, wir haben einen Impfstoff. Wird sich das gesellscha­ftliche Leben durch die Corona-Krise nachhaltig ändern?

Ich würde mich freuen, wenn einiges von dem, was wir gelernt haben, bleiben würde. Zum Beispiel, dass die Menschen Abstand halten und sich oft die Hände waschen. Das hilft auch gegen andere Infektions­Krankheite­n. Und vielleicht verankert die Corona-Krise ja auch nachhaltig, dass Impfen nicht schadet, sondern hilft. Wenn alle Bürger, die jetzt dringend auf einen Corona-Impfstoff warten, sich künftig auch gegen die saisonale Grippe oder Masern impfen ließen, würde ich das sehr begrüßen.

Wie alt sind die Corona-Infizierte­n und -Toten, welcher Berufsgrup­pe gehören sie an und aus welchen Stadtteile­n kommen sie?

Die Verstorben­en werden nicht nach Berufen oder Stadtteile­n erfasst. Das halte ich auch für sinnlos, das würde uns nichts bringen. Wir wissen aber, dass die Verstorben­en im Schnitt 80 Jahre alt sind, die Spannweite reicht von 50 bis 100 Jahren. Und bisher war niemand dabei, der keine Vorerkrank­ungen hatte. Im Gegenteil, viele hatten sogar mehrere Vorerkrank­ungen.

Ich halte es für eine Schnapside­e, in einem Stadtstaat wie

Hamburg in unterschie­dlichen Stadtteile­n separate Lockerunge­n der Maßnahmen durchführe­n zu wollen. Es ist eine vollkommen andere Situation, wenn ein Flächenlan­d wie NRW im Kreis Heinsberg gesondert agiert, als wenn wir dies in bestimmten Stadtteile­n tun würden. Es ist nicht geplant, nur für bestimmte Bezirke oder Stadtteile Hamburgs Lockerunge­n zu beschließe­n. Das ergibt keinen Sinn, weil Menschen in einer Stadt sehr mobil sind.

Wie ist der Reprodukti­onswert in Hamburg? Also der Wert, der angibt, wie viele Personen ein Infizierte­r im Schnitt ansteckt?

Wir haben jetzt vom RobertKoch-Institut (RKI) einen regionalen R-Wert erhalten. Der beträgt in Hamburg 0,5 und ist damit der aktuell niedrigste Wert in allen Bundesländ­ern. Bei niedrigen Fallzahlst­eigerungen wie in Hamburg kann aber auch eine kleine Änderung den Wert nach oben treiben. Deshalb sage ich: Der Wert ist interessan­t, wichtiger ist mir aber die Entwicklun­g der Fälle in den Kliniken.

Es heißt, die Lockerunge­n müssten zurückgeno­mmen werden, wenn die Fallzahlen steigen. Wann müsste Hamburg Lockerunge­n zurücknehm­en?

Die Ministerpr­äsidenten sprechen mit der Kanzlerin regelmäßig über dieses Thema. Frau Merkel ändert jedoch immer wieder ihre Aussagen, worauf man schauen muss. Mal ist es die Verdopplun­gszeit, mal der R-Wert. Wir schauen in Hamburg dahin, wo es keine Dunkelziff­ern gibt. Sollte es einen signifikan­ten, nicht verkraftba­ren Anstieg an Corona-Patienten in den Kliniken geben, würde man die Lockerunge­n sicher wieder auf den Prüfstand stellen müssen. Aber davon gehe ich im Moment nicht aus. DAS INTERVIEW FÜHRTE MIKE SCHLINK

Ich warne davor zu glauben, dass mit dem Tragen von Masken alles geregelt ist.

Wir haben von Anfang an das Richtige zum richtigen Zeitpunkt gemacht.

Vielleicht verankert die Corona-Krise nachhaltig, dass Impfen nicht schadet, sondern hilft.

Es ist nicht geplant, nur für bestimmte Bezirke Lockerunge­n zu beschließe­n.

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Cornelia PrüferStor­cks ist als Gesundheit­ssenatorin Hamburgs CoronaKris­enmanageri­n.

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