Lesen Sie den kompletten Brief im Wortlaut auf www.mopo.de
Für Hamburgs Musikszene sieht es düster aus: Alle Konzerte bis zum 31. August wurden abgesagt. Michy Reincke fordert nun in einem „offenen Brief an die Intendanz des Norddeutschen Rundfunks“den NDR zu Solidarität auf – und hat auch einen ganz konkreten Vorschlag parat.
Der gebürtige Hamburger wendet sich mit der Bitte an den NDR-Intendanten Joachim Knuth, nachts Produktionen von unabhängigen Musikschaffenden aus der Region zu senden: „Dann spielt die berühmte Quote doch ohnehin keine Rolle.“Hinter seinem Vorschlag steckt der Gedanke, dass norddeutsche Musiker über die Beteiligung an den GEMA- und GVL-Erlösen in Zeiten der Coronakrise über die Runden kommen sollen.
Das Ganze funktioniert so: Für jedes gespielte Lied muss jeder Rundfunk- und Fernsehsender je nach Dauer, Tageszeit und Reichweite eine kalkulierte Gebühr an die GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- & mechanische Vervielfältigungsrechte) und an die GVL (Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten)
zahlen. Mit diesem Geld werden Musikverleger, Komponisten und Texter von der GEMA sowie Label, Interpreten und Musiker von der GVL anteilig für ihre Leistung vergütet, wenn ihre Werke gesendet werden.
„Es würde gerade in diesen Zeiten ein wenig wirtschaftliche Sicherheit für all die regionalen und nicht an Unterhaltungskonzerne angeschlossenen Kulturschaffenden bringen – und wäre vielleicht sogar der Beginn für mehr Vielfalt im norddeutschen Radioprogramm“, erklärt der Popsänger. Darüber hinaus schlägt er vor, nachts in den dritten Fernsehprogrammen Musikvideos von regionalen Künstlern zu spielen, und bittet den NDR darum, seinen Vorschlag der ARD zu unterbreiten.
Reincke ist sich sicher, dass seine Idee auch von den Hörern gut aufgenommen würde. „Ich bin fest davon überzeugt, dass dies nicht nur eine Welle der Solidarität, sondern auch ein neu erwachtes Interesse an der reichen Kreativität in der Gemeinschaft des Nordens auslösen würde“, schreibt der 60-Jährige.
Der Musiker und Songschreiber ist bereits seit Mitte der Achtziger als Unterstützer der regionalen Musikszene aktiv. Mit seiner Band Felix de Luxe hatte er Hits wie „Nächte übers Eis“und „Taxi nach Paris“. Er betreibt das unabhängige Musiklabel „Rintintin-Musik“und tourt regelmäßig durch Norddeutschland, bekannt sind seine Gastspiele im „Schmidts Tivoli“. Reinckes 2020er-Tournee wurde in den September verlegt.
OLIVIER DAVID und MAGNUS BONACKER
Als die Hamburger Tafel wegen der hohen Ansteckungsgefahr ihr Angebot drastisch einschränkte und viele Bedürftige nicht wussten, wie sie etwas zu essen bekommen sollten, waren sie da: die freiwilligen Helfer des CaFée mit Herz auf St. Pauli. Geld, Mitstreiter, Schutzmasken: Den Helfern vor Ort fehlt es nahezu an allem – und dennoch schuften sie im Akkord. Die MOPO war vor Ort und hat mit dem Team gesprochen.
Samstagvormittag um kurz nach 10 Uhr. Im CaFée mit Herz in der Seewartenstraße 10 auf St. Pauli herrscht hektische Betriebsamkeit. Essen wird warm gemacht, Teller werden gestapelt, Getränke aufgefüllt. Gleich macht das CaFée mit Herz zum ersten Mal in seiner 20jährigen Geschichte auch am Wochenende auf.
Vor der Tür, rechts neben der Treppe, sitzen und stehen etwa 15 bis 20 Menschen in einer langen gewundenen Schleuse, wie man sie vom Flughafen kennt, und warten. Darauf, dass das sechsköpfige Team um Vorstand Thomas Paetsch mit der Essensausgabe
startet. Gulasch mit Reis vom Vortag aus der Kantine der Beiersdorf AG Kantine gibt es. Alles, was hier weitergegeben wird, kommt vorher als Spende zu den ehrenamtlichen Helfern.
Und genau da drückt schon der Schuh: Um sich vor einer Ansteckung zu schützen, dürfen sie viele Spenden nicht annehmen, erklärt Thomas Paetsch im Gespräch mit der MOPO. „Dadurch, dass die Tafel und andere ihr Angebot einschränken, haben wir momentan ein erhöhtes Gästeaufkommen. Mit Geldspenden wäre uns am ehesten geholfen“, so Paetsch.
Obwohl das Team an der Belastungsgrenze arbeitet, wollen sie es bis auf Weiteres ohne weitere personelle Hilfe versuchen. Nach einem Hilferuf in der MOPO hatten sich zwar viele freiwillige Helfer gemeldet, die dem Team unter die Arme greifen wollten. Doch um die Ansteckungsgefahr gering zu halten, habe man sich entschieden, vorerst in der jetzigen Besetzung weiterzuarbeiten, sagt Paetsch.
Ist die Versorgung von Obdachlosen und Bedürftigen in solcher Not nicht eigentlich Sache der Stadt? In der Tat, sagt Paetsch, „fühlten
Thomas Paetsch (r.) und Jan Marquardt stehen stellvertretend für das CaFée mit Herz – und für das Hamburger Wir-Gefühl.
wir uns an mancher Stelle tatsächlich etwas alleingelassen. Jetzt sind wir mittlerweile in einer sehr engen Zusammenarbeit mit der Sozialsenatorin.“Man freue sich dennoch über Taten, die in den kommenden Wochen folgen sollen.
Ein anderes Thema ist die Sicherheit. Dem Team fehlt es in Sachen Schutz an fast allem. Man sei zur Realwirtschaft
zurückgekehrt, sagt Paetsch und muss lachen. Auf dem Gelände, auf dem auch das CaFée mit Herz steht, sei man in fleißigem Austausch mit dort ansässigen Unternehmen, um Handschuhe und Hygienemittel zu bekommen.
Schutz bietet auch das geänderte Konzept: Dort, wo die Menschen normalerweise drinnen im Essenssaal ihre