Hamburger Morgenpost

Taiwanhat Corona im Griff

Virus erst ignoriert, jetzt ist der Inselstaat Lehrbeispi­el

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TAIPEH - Taiwan wird für seinen Umgang mit dem Virus viel gelobt. Es gibt wenige Infizierte, nicht einmal Ausgangssp­erren. Die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) war keine Hilfe: Auf Druck Chinas ist die Insel in der WHO nicht dabei.

Und doch lässt sich vieles von Taiwan lernen – auch wie das Leben danach aussehen kann. Kaum ein Land war so gefährdet: Die Inselrepub­lik liegt nur 130 Kilometer vor der chinesisch­en Küste. Einige Hunderttau­send Taiwaner leben in der Volksrepub­lik. Mehr als zwei Millionen Chinesen besuchten im Vorjahr die Insel. Die Verbindung­en sind eng.

Trotzdem zählt Taiwan bisher nicht einmal 500 Infektione­n sowie sechs Tote – auf 23 Millionen Taiwaner gerechnet weltweit ein Spitzenpla­tz.

Mit seiner frühen und energische­n Reaktion auf den Ausbruch von SarsCoV-2 wird Taiwan heute als „Erfolgsges­chichte“gepriesen. „Anders als praktisch jedes andere Land der Welt hat Taiwan die erste Welle der Covid-19-Pandemie bewunderns­wert gut überstande­n“, sagt Ryan Hass, Experte der USDenkfabr­ik Brookings.

Schon erste Berichte im Dezember über rätselhaft­e Lungenentz­ündungen in Wuhan lösten Alarm aus. Die Erinnerung an die Pandemie mit dem ersten SarsVirus 2003 mit 73 Toten und Hunderten Infizierte­n ließ die Behörden wachsam sein. Bereits am 31. Dezember, als China noch abwiegelte, schrieb Taiwan an die WHO und sprach die Gefahr einer Übertragun­g von Mensch zu Mensch an.

Die E-Mail wurde nie beantworte­t. Sie wurde „ignoriert“, wie US-Präsident Donald Trump (73) sagt. Er attackiert die WHO, auch um von eigenen Versäumnis­sen in den USA abzulenken, und hat ihr das Geld gestrichen. Auch wirft er ihr vor, zu „chinafreun­dlich“zu sein.

Da die kommunisti­sche Führung das demokratis­che Taiwan als Teil Chinas ansieht, darf es nicht der WHO angehören. Zwischen 2009 und 2016 nahm es als Beobachter an der jährlichen Weltgesund­heitsversa­mmlung teil. Aber Peking „stellt Politik vor Gesundheit“, wie Kritiker sagen. Nach dem Amtsantrit­t der chinakriti­schen Präsidenti­n Tsai Ing-wen (63) 2016 in Taipeh wurde Taiwan auf Druck Pekings ganz ausgeschlo­ssen.

Noch am Tag der war

nenden E-Mail an die WHO führte Taiwan Fieberkont­rollen für Fluggäste aus Wuhan ein. Drei Wochen später durften Bewohner der Metropole nicht mehr einreisen. Ein nach der Sars-Pandemie eigens geschaffen­es Kommandoze­ntrum der Regierung übernahm die Koordinier­ung im Kampf gegen das Virus. Die Produktion von Gesichtsma­sken wurde hochgefahr­en, ihre Verteilung geregelt. Anfang Februar wurde die Grenze für alle Chinesen dichtgemac­ht – im März für fast alle Ausländer.

Die frühzeitig­en Einreisesp­erren waren effektiv. Die Behörden verfolgten und unterbrach­en umgehend Infektions­ketten, brachten Kontaktper­sonen in Quarantäne. Die Öffentlich­keit wurde über Risiken und Vorbeugung unterricht­et. Das frühe Eingreifen ersparte den Taiwanern Ausgangssp­erren wie in anderen Ländern oder einen „Lockdown“der Wirtschaft.

WHO-Nothilfedi­rektor Michael Ryan (55) lobt die Insel. „Sie haben in Taiwan eine sehr gute öffentlich­e Gesundheit­sreaktion auf die Beine gestellt. Das lässt sich an den Zahlen sehen.“Beispielha­ft ist auch, wie das Land die „neue Normalität“meistert. So könnte das Leben nach dem Ausnahmezu­stand auch in anderen Ländern aussehen, bis es einen Impfstoff gibt.

In Bussen, Bahnen und Zügen ist Mund- und Nasenschut­z Pflicht. Taxifahrer können Fahrgäste ohne Maske ablehnen. In Räumen müssen Menschen 1,5 Meter Abstand halten, im Freien einen Meter. Restaurant­s rücken Stühle und Tische auseinande­r. Versammlun­gen sind in Räumen bis 100 Personen erlaubt, im Freien bis 500. Bei Schülern wird jeden Morgen Temperatur gemessen. An Eingängen zu Banken, Postämtern und Geschäften gibt es Fieberkont­rollen und Desinfekti­onsmittel. Am Flughafen und in Bahnhöfen stehen Infrarotge­räte, die Passagiere­n automatisc­h die Temperatur messen.

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Auch Sportveran­staltungen finden in Taiwan wieder statt. Hier posieren die Cheerleade­r der Rakuten Monkeys im Taoyuan Baseball-Stadion.

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