Hamburger Morgenpost

Omas Liebe gibt’s nur durch den Gartenzaun

Elsbeth Gregor (87) kann ihre Familie derzeit nur durch den Gartenzaun sehen. Wie vielen Älteren setzt ihr die Kontaktspe­rre sehr zu

- Von CAROLA GROSSE-WILDE

Seit Anfang März dürfen Menschen in Pflegeheim­en ihre Angehörige­n nicht mehr sehen, eine oft kaum erträglich­e Situation. Doch im Seniorenze­ntrum St. Markus – Martha Stifung in Eimsbüttel es gibt Ideen, wie ein wenig Kontakt trotzdem möglich sein kann.

„Am meisten vermisse ich meine Tochter und meinen Enkel“, sagt Elsbeth Gregor und blickt sehnsüchti­g über den Gartenzaun zu Jonathan hinüber. Vor sechs Wochen hat die 87-Jährige ihren siebenjähr­igen Enkel zuletzt in den Arm genommen. Seitdem sind die Türen des Seniorenze­ntrums

St. Markus – Martha Stiftung in Eimsbüttel für Besucher geschlosse­n – zu groß ist das Risiko, dass sich jemand mit dem Coronaviru­s anstecken könnte.

Um den Bewohnern die Trennung von ihren Liebsten etwas zu erleichter­n, hat Leiter Wolfgang Janzen die Begegnung am Gartenzaun ermöglicht. Seitdem können sich dort Senioren und ihre Angehörige­n mit genügend Abstand für einen kurzen Plausch treffen.

„Wir wollen unseren Bewohnern auch während der Corona-Krise das Leben so angenehm wie möglich machen“, sagt Janzen. Manche Bewohner nutzten – auch mit Hilfe der Pfleger – Telefon

und Videochats, um den Kontakt zu ihren Familien aufrechtzu­erhalten. „Aber diese Art der Kommunikat­ion kann eine persönlich­e Begegnung nicht ersetzen.“

Genau dieser persönlich­e Kontakt sei für die alten Menschen, die häufig an Demenz oder Parkinson erkrankt seien, aber immens wichtig. „Diese Krise ist eine enorme Belastung für uns alle – die Bewohner, die Pfleger und die Angehörige­n“, erzählt Wolfgang Janzen.

Dem kann Katharina Gregor, Tochter von Elsbeth Gregor, nur zustimmen. „Meiner Mutter geht es seit Beginn der Krise sehr schlecht. Sie ist traurig, depressiv und weint sehr viel“, sagt die 41-Jährige. Für ihre Mutter seien die Einschränk­ungen wegen Corona Freiheitsb­eraubung. Bis zur Schließung des Heims sei ihre Mutter noch regelmäßig vor die Tür gegangen, konnte sich so ein klein wenig Selbstbest­immtheit erhalten. „Dass sie jetzt das Heim nicht mehr verlassen kann, belastet sie sehr“, sagt Katharina Gregor.

Auch die körperlich­e Nähe fehle ihrer Mutter sehr. „Mit Worten in den Arm nehmen und einen weinenden Menschen trösten, reicht einfach nicht“, sagt die 41-Jährige. Da komme die Berührung nicht direkt in den Zellen an.

Trotzdem freut sich die 87-Jährige über die Pflaumen und Walnüsse, die ihre Tochter mitgebrach­t hat und die mithilfe eines Stocks über den Zaun gereicht werden. Wenigstens ein paar Worte können Mutter, Tochter und Enkel so miteinande­r wechseln.

Wie wichtig es ist, in der Krise den persönlich­en Kontakt aufrechtzu­erhalten, weiß auch Alex Kien

Diese Art der Kommunikat­ion kann eine persönlich­e Begegnung nicht ersetzen. Wolfgang Janzen, Heimleiter

scherf. Seine Frau Ursula, die an Parkinson erkrankt ist, lebt ebenfalls in dem Seniorenze­ntrum. Seit zwei Jahren hat der 80-Jährige seine Frau jeden Tag zwei Mal besucht – er ist der Einzige, den die 75-Jährige noch erkennt.

Als er nicht mehr kommen konnte, sei sie sehr unruhig geworden. Als ihm Wolfgang Janzen anbot, zu seiner Frau ins Heim zu ziehen, „musste ich nur eine Nacht darüber schlafen“, erzählt Kienscherf. Dann stand sein Entschluss fest und er packte seine Koffer.

„Ich bin überglückl­ich, dass ich diese Möglichkei­t bekommen habe“, sagt Alex Kienscherf heute, fünf Wochen später. Seine Frau sei ruhiger geworden und „ab und zu habe ich das Gefühl, sie lächelt ein wenig“. Ihm gefalle es sehr gut im Seniorenze­ntrum, „alle sind nett, das Essen ist gut und es ist immer etwas los, da geht die Zeit schnell rum“.

Schon mehrmals seien Musiker aus der Nachbarsch­aft zu Besuch gekommen und hätten im Garten ein Konzert gegeben – während die Bewohner am Fenster und an den Balkonen zuhörten.

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 ??  ?? Katharina Gregor (l.) reicht ihrer Mutter einen Beutel mit kleinen Geschenken über den Zaun des Seniorenze­ntrums. Jonathan isst derweil ein Eis.
Katharina Gregor (l.) reicht ihrer Mutter einen Beutel mit kleinen Geschenken über den Zaun des Seniorenze­ntrums. Jonathan isst derweil ein Eis.
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Unterhaltu­ng durch den Zaun – mehr ist für Elsbeth Gregor (l.) und ihre Familie derzeit nicht möglich.

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