Hamburger Morgenpost

90-jährige Reise durchs Universum

Aus Winterhude­s Wasserturm eines der bedeutends­ten Planetarie­n der Welt wurde

- OLAF WUNDER o.wunder@mopo.de

Im einem alten Wasserturm ist es zu Hause: Deutschlan­ds bedeutends­tes Sternenthe­ater.

Mehr als 20 Meter Durchmesse­r hat die Kuppel – eine gigantisch­e Größe. Der Besucher nimmt, sobald er den Sternensaa­l betreten hat, auf einem der Liegesesse­l Platz. Dann erlischt das Licht, und während sphärische Musik erklingt, zaubert ein Projektor Planeten, ja, ganze Galaxien in den künstliche­n Himmel. Der Besucher des Planetariu­ms darf sich tatsächlic­h ein bisschen fühlen, als säße er als Astronaut in einem Raumschiff – auf einer Reise durch den Kosmos, auf den Spuren unseres Ursprungs und unserer Zukunft.

Zurzeit ist Hamburgs Planetariu­m im Stadtpark aus bekannten Gründen geschlosse­n. Der 90. Geburtstag vorgestern konnte leider „nur“virtuell begangen werden. Aber immerhin hat Direktor Professor Thomas W. Kraupe ein umfangreic­hes Festprogra­mm auf digitale Beine gestellt – mit virtuellem Rundgang, einem Auftritt von Rolf Zuckowski und einem Reigen an Grußbotsch­aften, angefangen bei Kultursena­tor Dr. Carsten Brosda bis hin zum Bürgermeis­ter. Ihren Höhepunkt fanden die Geburtstag­sfeierlich­keiten bei einem Galaabend mit einem festlichen Sternenkon­zert – als Streaming-Event, live aus dem Sternensaa­l.

90 Jahre Planetariu­m. Dabei reicht die Geschichte noch viel weiter zurück. Nämlich mehr als 100 Jahre. Damals, während der Erste Weltkrieg tobt, wird das Gebäude errichtet, das dann 1916 in Betrieb geht, zunächst allerdings als schnöder Wasserturm. Bis er 1924 von modernen Pumpwerken „arbeitslos“gemacht wird, versorgt er die Einwohner Winterhude­s zuverlässi­g mit Trinkwasse­r.

1929 stimmt die Bürgerscha­ft der Nutzung des Wasserturm­s als Planetariu­m zu und noch im selben Jahre beginnt der Umbau. Am 30. April 1930 ist alles fertig. Das Haus, das anfangs unter der Oberaufsic­ht der Hamburger Schulbehör­de steht, wird feierlich eröffnet. Bildung steht damals klar im Vordergrun­d: Es geht um die Vermittlun­g von astronomis­chem Grundwisse­n an Schüler aller Altersstuf­en. Dazu passt auch die Inneneinri­chtung, die noch recht unbequem ist und aus hölzernen Stühlen und Bänken besteht – ein bisschen wie in der Schule eben.

Die Entstehung­sgeschicht­e des Planetariu­ms ist eng mit dem deutsch-jüdischen Kunsthisto­riker Aby Warburg verknüpft, der als einer der bedeutends­ten geisteswis­senschaftl­ichen Impulsgebe­r des 19. und beginnende­n 20. Jahrhunder­ts gilt. Er selbst sieht sich schon als Leiter des neuen Planetariu­ms, konzipiert eine „Bildersamm­lung zur Geschichte von Sternglaub­e und Sternkunde“, die dann auch tatsächlic­h zur Eröffnung des Hauses gezeigt wird – leider ist Warburg da schon einige Monate tot.

Zwei Weltkriege übersteht Hamburgs „Haus der Sterne“weitgehend unbeschädi­gt, allerdings verändert sich nach und nach das Konzept. Schon Erich Übelacker, der das Haus von 1975 bis 2000 leitet, experiment­iert mit Multimedia­shows, bei denen statt des Sternenhim­mels Musik und visuelle Effekte im Vordergrun­d stehen. Auch klassische Konzerte unterm künstliche­n Sternenhim­mel kommen zur Aufführung. Der Schwerpunk­t liegt jetzt auf einer Kombinatio­n aus Wissenscha­ft, Kultur und Unterhaltu­ng.

Seit 2000 leitet der Astrophysi­ker Professor Thomas W. Kraupe das Haus, das er vor allem als „Sternenthe­ater“betrachtet wissen will – als „lebendige Begegnungs­stätte von Kunst, Kultur, Wissenscha­ft und Natur“, wo „Herz und Verstand, Emotion und Intellekt gleicherma­ßen“angesproch­en werden. Das Planetariu­m sei „ein einzigarti­ger Denkraum“, so Kraupe, „der den Menschen hilft, sich im unendlich großen Raum und im Meer der Zeit zu verorten“.

Als „Kreuzfahrt­schiff der Sinne“bietet das Planetariu­m außergewöh­nliche Ausflüge in das Univer

sum und erklärt die großen Zusamunser­er menhänge Erde mit dem Kosmos. Dank neuer weltweit einzigarti­ger technische­r Ausstattun­g können die Zuschauer die Sterne und Planeten buchstäbli­ch „zum Greifen nah“erleben. Das PlanetariH­amburg um ist das erste Sternenwel­tweit, theater in dem 3D-Bild und 3D-Sound zu einem eindrucksR­undum-Erlebnis vollen ver2016 schmelzen.

2015 und wird das Gebäude aufwendig umgebaut. Dem bisherigen einstöckig­en Foyer wird eine zweite untere Ebene hinzugefüg­t. Dadurch erweitert sich die Nutzfläche erheblich.

Um zusätzlich­e barrierefr­eie Eingänge in die neue untere

Ebene des

Foyers zu schaffen, wird das ringförmig­e

Fundament des „Wasserturm­s“ an drei Seiten durchbroch­en. Die obere Ebene des Foyers mit dem Zugang zum Sternensaa­l ist jetzt auch über einen neuen gläsernen Fahrstuhl erreichbar. Das 1930 erstellte Deckengemä­lde, das den mythologis­chen Sternenhim­mel und Goethes Gedicht „Dämonen“zeigt, wird restaurier­t. Thomas W. Kraupe ist stolz darauf, dass Hamburgs Planetariu­m nicht nur eines der dienstälte­sten weltweit ist, sondern auch das erfolgreic­hste im gesamten deutschspr­achigen Raum. Vielen Millionen Menschen hat es bereits den Kosmos nähergebra­cht. Jährlich zählt das Planetariu­m 300 000 Besucher – und das wird hoffentlic­h auch wieder so sein, wenn der Shutdown erst beendet ist.

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 ??  ?? Ein Besuch des Hamburger Planetariu­ms ist ein Erlebnis. 1930 wurde es eingeweiht und feierte vorgestern 90. Geburtstag.
Ein Besuch des Hamburger Planetariu­ms ist ein Erlebnis. 1930 wurde es eingeweiht und feierte vorgestern 90. Geburtstag.
 ??  ?? Werbeplaka­t vom Anfang der 30er Jahre. Eintritt: 1 Reichsmark, Kinder die Hälfte 1916 wird das Gebäude am Rande des Stadtparks fertig: Damals handelte es sich noch um einen Wasserturm.
Der Sternensaa­l mit der anfänglich noch hölzernen Bestuhlung. Die Kuppel hat einen Durchmesse­r von 20 Metern.
Querschnit­t durch das Planetariu­m. Von oben nach unten: Projektion­skuppel, Sternensaa­l, Galerie, Foyer mit Gastronomi­e.
Das Planetariu­m war sein Traum: Der Kunsthisto­riker Aby Warburg starb kurz vor der Eröffnung.
Das neue zweistöcki­ge Foyer. An der Decke ein Gemälde mit mythologis­ch illustrier­tem Sternenhim­mel und Goethes Gedicht „Dämonen“
Werbeplaka­t vom Anfang der 30er Jahre. Eintritt: 1 Reichsmark, Kinder die Hälfte 1916 wird das Gebäude am Rande des Stadtparks fertig: Damals handelte es sich noch um einen Wasserturm. Der Sternensaa­l mit der anfänglich noch hölzernen Bestuhlung. Die Kuppel hat einen Durchmesse­r von 20 Metern. Querschnit­t durch das Planetariu­m. Von oben nach unten: Projektion­skuppel, Sternensaa­l, Galerie, Foyer mit Gastronomi­e. Das Planetariu­m war sein Traum: Der Kunsthisto­riker Aby Warburg starb kurz vor der Eröffnung. Das neue zweistöcki­ge Foyer. An der Decke ein Gemälde mit mythologis­ch illustrier­tem Sternenhim­mel und Goethes Gedicht „Dämonen“

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