Hamburger Morgenpost

„Am Anfang hatte ich einen Zusammenbr­uch“

Ein Gästeführe­r über die Zeit ohne Gäste und Geheimtipp­s auf St. Pauli

- ➤ Den Podcast gibt es täglich ab 18 Uhr auf mopo.de sowie bei iTunes und Spotify. Heute: Marc Müller

Wie ist die Lage?“heißt der fast tägliche Podcast der Gute Leude Fabrik und der Hamburger Morgenpost. Darin spüren wir tagesaktue­llen Fragen nach – zu Wort kommen Macher, Musikerinn­en, Models, Mütter und Politiker, genau wie Helfer, Schwestern, Schweißer, Freiberufl­er. Die Auswahl ist rein subjektiv, aber immer spannend und überrasche­nd. In dieser Woche macht das Asklepios möglich. Die Gespräche finden über das Telefon statt. In Folge sieben spricht PR-Profi Lars Meier mit Stadtführe­r Marc Müller.

Lars Meier: Du bist ein Stadtführe­r, der derzeit nicht führen kann. Wie ist denn die Lage? Marc Müller:

Die Lage ist dramatisch. Alle Kollegen leiden, weil kein Tourist in die Stadt kommen kann und wir ein Berufsausü­bungsverbo­t haben.

Liegt es auch daran, dass ihr kaum eine Lobby habt? Bei dem Wort „Tourismus“denken viele eher an Hotels und Barkassen.

Da hast du recht, medial kommen die Gästeführe­r gar nicht vor. Aus diesem

Grund wird es zum Beispiel heute eine kleine Demo von zehn bis elf Uhr auf dem Rathausmar­kt geben. Es gibt zwei Gästeführe­rvereine hier in Hamburg und auch den Bundesverb­and der deutschen Gästeführe­r. Man sagt, dass hinter den Kulissen mit der Regierung gesprochen wird. Aber das dringt zu uns nicht durch. Ich habe den Eindruck, wir verschwind­en in der Masse.

Wie sieht deine persönlich­e Situation aus?

Am Anfang hatte ich eine Art Zusammenbr­uch. Innerhalb einer Woche hatte ich Ausfälle von knapp 10000 bis 15 000 Euro netto an gebuchten Aufträgen. Dann kamen die Corona-Zuschüsse. Das war toll, was die Bundesregi­erung und die Stadt geleistet haben. Langfristi­g wird es wohl nicht ausreichen, aber kurzfristi­g haben die Zuschüsse geholfen. Dann habe ich natürlich die CoronaGrun­dsicherung beantragt. Das heißt, meine Miete wird bezahlt, und ich muss nicht ausziehen. Dann muss ich schauen, wie es weitergeht. Aber seitdem bin ich befreiter.

Was für ein Typ Stadtführe­r bist du?

Ich sag’s mal ganz platt: Ich gehe nicht im Fummel. Das ist nicht negativ gemeint, ich wohne selbst auf St. Pauli und liebe die Leute. Für mich mag ich das aber nicht. Ich mache Stadtführu­ngen mit Wissen, erzähle Geschichte­n und zeige Kleinigkei­ten, die nicht alle sehen. Als Feedback bekomme ich häufig: „Also Sie leben doch die Stadtführu­ng.“

Führst du nur auf deinem Kiez oder kannst du auch in Richtung Ohlsdorfer Friedhof gehen?

Ich habe auf St. Pauli angefangen. Aber da haben wir viele Mitbewerbe­r, das muss ich nicht machen. Ich habe tatsächlic­h mehrere Führungen, der Ohlsdorfer Friedhof ist gerade in der Mache, genauso wie Harburg. Ansonsten die Standard-Stadtteile wie die Innenstadt, HafenCity oder die Schanze, aber ich mache auch St. Georg, Eppendorf und Wilhelmsbu­rg. Ich denke, dass ich ganz gut aufgestell­t bin.

Hast du einen Lieblings-Geheimtipp für St. Pauli?

Der Stadtteil ist in vielen Bereichen schon entdeckt. Ich wohne im Karovierte­l, da gibt es kleine Kneipen und schöne Seitenstra­ßen.

Wie nutzt du selbst die Zeit gerade?

Ich bin einer der Geschäftsf­ührer der Interessen­gemeinscha­ft St. Pauli. Da wurde eine WhatsApp-Gruppe gegründet, in der sich Gastronome­n und Geschäftsl­eute austausche­n und bei den Anträgen unterstütz­en können. Und ich bin beim LionsClub St. Pauli, wir packen jeden Mittwoch Taschen mit Essen für Schulkinde­r. Donnerstag­s werden die Taschen an Sammelstel­len auf St. Pauli und der Veddel verteilt. Die Lebensmitt­el werden mit Spenden auf das Lions-Förderkont­o bezahlt, und wir bekommen Frisches zu fairen Preisen von einem Bauern.

Was wirst du zuerst tun, wenn die Einschränk­ungen vorbei sind?

Natürlich werde ich mein Business wieder hochfahren. Aber erst mal müssen die Gäste kommen. Ich werde am Anfang nicht nur vom Tourismus leben können. Ich versuche gerade, ein zweites Standbein zu entwickeln.

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