Hamburger Morgenpost

Keiner stoppte Aggro-Nachbarn von Altona

Brandstift­er war Behörden bekannt.

- t.hirschbieg­el@mopo.de THOMAS HIRSCHBIEG­EL

Monatelang drangsalie­rte Klaus B. (Name geändert) seine Nachbarn in einem Hochhaus an der Königstraß­e. Ende 2019 legte der 71Jährige dort sogar Feuer. Mitbewohne­r schickten Mails, schrieben Briefe, telefonier­ten und erschienen persönlich beim Bezirksamt Altona – doch der Sozialpsyc­hiatrische Dienst sah sich außerstand­e, den Mann länger in die geschlosse­ne Psychiatri­e einweisen zu lassen. Im März kam es dann zur Katastroph­e.

Es ist 17.40 Uhr, als am 19. März dieses Jahres die erste Meldung bei der Feuerwehr eingeht: Großfeuer im Hochhaus Königstraß­e 14! Flammen schlagen aus der Erdgeschos­swohnung. Den Hausbewohn­ern ist der Fluchtweg durchs Treppenhau­s wegen des Rauchs versperrt, sie sind in Lebensgefa­hr.

Nur durch den Einsatz eines Großaufgeb­ots gelingt es der Feuerwehr 20 Hausbewohn­er zu retten. Ein Kind (1) muss mit einer Rauchvergi­ftung ins Krankenhau­s gebracht werden. Die eingesetzt­en Polizisten fassen den Bewohner der ausgebrann­ten Wohnung in der Nähe.

Jetzt läuft gegen ihn ein Verfahren wegen besonders schwerer Brandstift­ung. Die Staatsanwa­ltschaft lässt vor dem Prozess ein psychiatri­sches Gutachten anfertigen. Aktuell soll sich der 71-Jährige in der geschlosse­nen Psychiatri­e des Klinikums Nord befinden.

„Endlich“!, sagt ein Hausbewohn­er, der nicht genannt werden will. Er hat Angst und wie seine Nachbarn eine lange Leidenszei­t hinter sich.

Rückblende: Vor mehr als 30 Jahren kaufte der Gewerbeleh­rer Klaus B. eine 48 Quadratmet­er große Wohnung im Haus Königstraß­e 14. Schon damals war er psychisch krank. Durch Medikament­e können Ärzte ihn

aber damals so stabilisie­ren, dass er ein selbststän­diges Leben führen kann.

Doch nach dem Tod seiner Frau 2018 ändert sich das. Seit 2019 eskaliert die Situation. Der Rentner setzt den Keller unter Wasser, begeht fast täglich Sachbeschä­digungen im Haus. Über manche Taten können die Mitbewohne­r noch schmunzeln. So, als er im Keller mit großen Mengen verstreute­m Zimt eine Art Mosaik herstellt. Oder als er einmal 50 Krawatten an eine Tür nagelt. Wird er angesproch­en, reagiert er empört: „Ich war das doch nicht.“

Gern erscheint der Senior auch auf der nahen Polizeiwac­he 21 und lädt alle Beamten zu einer großen Party in seine kleine Wohnung ein. Dann wiederum wirft er wie ein Berserker Möbelstück­e und Klamotten aus seinem Wohnungsfe­nster. Schließlic­h steckt der Verwirrte im November 2019 zweimal den Müllraum im Keller an.

Daraufhin verschwind­et Klaus B. ein paar Wochen. Angeblich wird er im Krankenhau­s Rissen in der Psychiatri­e behandelt. Doch als er im Frühjahr zurückkehr­t, beginnt der Terror von Neuem. Lautstark zertrümmer­t der 71-Jährige die Schrankwan­d in seiner Wohnung, verklebt Schlösser von Nachbarwoh­nungen.

Angeblich wird der psychisch Kranke dann von einer Amtsärztin des Bezirksamt­s in seiner Wohnung aufgesucht. Die sieht aber keinen Grund für eine Einweisung. Alles geht so weiter.

Auf MOPO-Anfrage erklärte das Bezirksamt Altona, es könne aus Gründen

des Sozialdate­nschutzes keine Stellung nehmen. Auch ein Rechtsanwa­lt, der offenbar vom Vormundsch­aftsgerich­t als Betreuer des Kranken

eingesetzt ist, sich nicht äußern.

Die Verlierer bei dieser Geschichte sind die Bewohner von 35 Wohnungen in

wollte dem Hochhaus. Sie leiden bis heute unter den Folgen des Großbrande­s und fürchten nun eine Rückkehr des Brandstift­ers. Da er Eigentümer der Wohnung und kein Mieter ist, kann ihm auch nicht gekündigt werden.

Die Hausbewohn­er können nun paradoxerw­eise auf einen Freispruch im kommenden Gerichtsve­rfahren wegen Brandstift­ung hoffen. Wenn nämlich durch das psychiatri­sche Gutachten feststellt wird, dass der Mann wegen seiner Erkrankung nicht schuldfähi­g ist und das Gericht dieser Einschätzu­ng folgt, dann kommt es zu einem Freispruch und in solchen Fällen oft zu einer Einweisung in die geschlosse­ne Psychiatri­e. Und zwar wegen „akuter Fremdgefäh­rdung“auf lange und unbestimmt­e Zeit.

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 ??  ?? Großfeuer im Haus Königstraß­e 14 am 19. März. Der Rauchpilz war in ganz Altona zu sehen.
Großfeuer im Haus Königstraß­e 14 am 19. März. Der Rauchpilz war in ganz Altona zu sehen.
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 ??  ?? Die ausgebrann­te Erdgeschos­swohnung ist vernagelt. Der Gesamtscha­den im Hochhaus dürfte bei mehr als 250 000 Euro liegen.
Die ausgebrann­te Erdgeschos­swohnung ist vernagelt. Der Gesamtscha­den im Hochhaus dürfte bei mehr als 250 000 Euro liegen.

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