Keiner stoppte Aggro-Nachbarn von Altona
Brandstifter war Behörden bekannt.
Monatelang drangsalierte Klaus B. (Name geändert) seine Nachbarn in einem Hochhaus an der Königstraße. Ende 2019 legte der 71Jährige dort sogar Feuer. Mitbewohner schickten Mails, schrieben Briefe, telefonierten und erschienen persönlich beim Bezirksamt Altona – doch der Sozialpsychiatrische Dienst sah sich außerstande, den Mann länger in die geschlossene Psychiatrie einweisen zu lassen. Im März kam es dann zur Katastrophe.
Es ist 17.40 Uhr, als am 19. März dieses Jahres die erste Meldung bei der Feuerwehr eingeht: Großfeuer im Hochhaus Königstraße 14! Flammen schlagen aus der Erdgeschosswohnung. Den Hausbewohnern ist der Fluchtweg durchs Treppenhaus wegen des Rauchs versperrt, sie sind in Lebensgefahr.
Nur durch den Einsatz eines Großaufgebots gelingt es der Feuerwehr 20 Hausbewohner zu retten. Ein Kind (1) muss mit einer Rauchvergiftung ins Krankenhaus gebracht werden. Die eingesetzten Polizisten fassen den Bewohner der ausgebrannten Wohnung in der Nähe.
Jetzt läuft gegen ihn ein Verfahren wegen besonders schwerer Brandstiftung. Die Staatsanwaltschaft lässt vor dem Prozess ein psychiatrisches Gutachten anfertigen. Aktuell soll sich der 71-Jährige in der geschlossenen Psychiatrie des Klinikums Nord befinden.
„Endlich“!, sagt ein Hausbewohner, der nicht genannt werden will. Er hat Angst und wie seine Nachbarn eine lange Leidenszeit hinter sich.
Rückblende: Vor mehr als 30 Jahren kaufte der Gewerbelehrer Klaus B. eine 48 Quadratmeter große Wohnung im Haus Königstraße 14. Schon damals war er psychisch krank. Durch Medikamente können Ärzte ihn
aber damals so stabilisieren, dass er ein selbstständiges Leben führen kann.
Doch nach dem Tod seiner Frau 2018 ändert sich das. Seit 2019 eskaliert die Situation. Der Rentner setzt den Keller unter Wasser, begeht fast täglich Sachbeschädigungen im Haus. Über manche Taten können die Mitbewohner noch schmunzeln. So, als er im Keller mit großen Mengen verstreutem Zimt eine Art Mosaik herstellt. Oder als er einmal 50 Krawatten an eine Tür nagelt. Wird er angesprochen, reagiert er empört: „Ich war das doch nicht.“
Gern erscheint der Senior auch auf der nahen Polizeiwache 21 und lädt alle Beamten zu einer großen Party in seine kleine Wohnung ein. Dann wiederum wirft er wie ein Berserker Möbelstücke und Klamotten aus seinem Wohnungsfenster. Schließlich steckt der Verwirrte im November 2019 zweimal den Müllraum im Keller an.
Daraufhin verschwindet Klaus B. ein paar Wochen. Angeblich wird er im Krankenhaus Rissen in der Psychiatrie behandelt. Doch als er im Frühjahr zurückkehrt, beginnt der Terror von Neuem. Lautstark zertrümmert der 71-Jährige die Schrankwand in seiner Wohnung, verklebt Schlösser von Nachbarwohnungen.
Angeblich wird der psychisch Kranke dann von einer Amtsärztin des Bezirksamts in seiner Wohnung aufgesucht. Die sieht aber keinen Grund für eine Einweisung. Alles geht so weiter.
Auf MOPO-Anfrage erklärte das Bezirksamt Altona, es könne aus Gründen
des Sozialdatenschutzes keine Stellung nehmen. Auch ein Rechtsanwalt, der offenbar vom Vormundschaftsgericht als Betreuer des Kranken
eingesetzt ist, sich nicht äußern.
Die Verlierer bei dieser Geschichte sind die Bewohner von 35 Wohnungen in
wollte dem Hochhaus. Sie leiden bis heute unter den Folgen des Großbrandes und fürchten nun eine Rückkehr des Brandstifters. Da er Eigentümer der Wohnung und kein Mieter ist, kann ihm auch nicht gekündigt werden.
Die Hausbewohner können nun paradoxerweise auf einen Freispruch im kommenden Gerichtsverfahren wegen Brandstiftung hoffen. Wenn nämlich durch das psychiatrische Gutachten feststellt wird, dass der Mann wegen seiner Erkrankung nicht schuldfähig ist und das Gericht dieser Einschätzung folgt, dann kommt es zu einem Freispruch und in solchen Fällen oft zu einer Einweisung in die geschlossene Psychiatrie. Und zwar wegen „akuter Fremdgefährdung“auf lange und unbestimmte Zeit.