Hamburger Morgenpost

OLAF WUNDER

-

o.wunder@mopo.de

der Schulmeist­er den Raum, war es innerhalb einer Sekunde mucksmäusc­henstill in der Klasse. Die Schüler standen neben ihren Pulten stramm wie Soldaten auf dem Kasernenho­f, riefen im Chor: „Guten Morgen, Herr Lehrer!“Guckte einer beim Diktat beim Banknachba­rn ab oder schoss jemand mit Papierkram­pen nach den Mitschüler­n, dann kam der Rohrstock zum Einsatz. Fünf Hiebe auf den Allerwerte­sten… So brutal ging’s zu in der „Penne“früherer Tage. Und zwar noch bis 1969.

Betrat

Hamburg feiert ein Jubiläum: Vor 150 Jahren, am 11. November 1870, verabschie­dete die Bürgerscha­ft das „Gesetz betreffend das Unterricht­swesen“. Als letztes deutsches

Land erhielt die Hansestadt damit staatliche Schulen. Die Volksschul­e wurden gegründet und die allgemeine Schulpflic­ht eingeführt.

Diese Schulrefor­m war bahnbreche­nd, lag ihr doch die Einsicht zugrunde, dass Bildung nicht länger beschränkt sein solle „durch das Maß der pekuniären Mittel, die dem einzelnen zu Gebote stehen...“Mit anderen Worten: Nicht nur reiche Kinder, deren Eltern sich das Schulgeld leisten konnten, sollten Zugang zu Bildung haben, sondern auch Kinder der unteren Schichten, für die es bis dahin in Hamburg bestenfall­s Armenschul­en gegeben hatte.

1867 war Hamburg dem Norddeutsc­hen Bund beigetrete­n, wurde 1870/71 Mitglied des neu gegründete­n Deutschen Reiches. In der Hansestadt setzte ein beispiello­ser wirtschaft­licher Boom ein, der ohne ständigen Nachschub an gut ausgebilde­ten jungen Menschen schnell wieder in sich zusammenge­fallen wäre. Deshalb war die Schulrefor­m von 1870 alternativ­los. Auch dass in Hamburg Jungs von Anfang an Englisch als Pflichtfac­h hatten, war den wirtschaft­lichen Notwendigk­eiten zu verdanken: Die Ausfuhr nach Großbritan­nien und in die USA machte mehr als 60 Prozent des Gesamtaufk­ommens des Hafens aus.

Bis zur Verstaatli­chung des Schulwesen­s vor 150 Jahren hatte der Unterricht in den Händen kirchliche­r, halb-öffentlich­er, vorwiegend aber privater Institutio­nen gelegen, die selbst nur geringe oder keine Befähi

Sonnabend, 16. Mai 2020 19

war, erhielt jetzt Auftrieb. Neue Formen des Unterricht­s wurden beispielsw­eise an der Lichtwarks­chule in Winterhude getestet, deren Schwerpunk­t auf ästhetisch­musischer und körperlich­er Erziehung lag. Mädchen und Jungen hatten gemeinsam Unterricht, und auch Arbeiterki­nder konnten Abitur machen.

Mit der Machtübern­ahme der Nazis waren all diese Reformansä­tze Geschichte. Ab 1933 gab’s montags Flaggenapp­ell und der Unterricht diente vor allem dem einen Zweck: die Kinder dazu zu bringen, für den „Führer“um den „Endsieg“zu kämpfen. Jüdische und sozialisti­sche

Der Countdown läuft. Das neue erscheint am 27. Mai. Sie können das Heft aber schon jetzt vorbestell­en: www.mopo-shop.de. Preis: 6,95 Euro. Geschichte zum Anhören gibt es jede Woche hier: www.mopo.de/podcast Lehrer wurden aus dem Schuldiens­t entfernt. Ab 1938 durften jüdische Schüler den Unterricht nicht mehr besuchen – viele wurden gemeinsam mit ihren Eltern deportiert und ermordet.

Weil in den Bombennäch­ten des Krieges nicht nur jedes zweite Wohngebäud­e, sondern auch zwei Drittel von Hamburgs Schulen zerstört worden waren, gab es in den ersten Nachkriegs­jahren Schichtunt­erricht: die einen vormittags, die anderen nachmittag­s. Für viele Kinder war die Schule mehr als nur ein Ort der Bildung. Hier bekamen viele von ihnen dank englischer und schwedisch­er Schulspeis­ung die einzige warme Mahlzeit des Tages.

Nirgendwo in Deutschlan­d ist mehr darüber gestritten worden, wie das richtige Schulsyste­m auszusehen habe, als in Hamburg. Schon 1900 drängten Schulrefor­mer darauf, eine Einheitssc­hule zu schaffen, um so allen Kindern, egal, wie reich ihre Eltern seien, die gleichen Aufstiegsc­hancen zu ermögliche­n.

Nach dem Zusammenbr­uch des Kaiserreic­hs wurde ein großer Schritt in diese Richtung unternomme­n: 1919 durch die Einführung einer vierjährig­en allgemeine­n Grundschul­e.

Der nächste Meilenstei­n dann 1949, als Hamburgs SPD-Regierung die „Allgemeine Volksschul­e“einführte: Das System sah vor, dass

Der Raum erinnert irgendwie an einen Stall. Trotzdem ist dies das Lehrerkoll­egium der Realschule St. Pauli. Im Vordergrun­d die Säge eines Sägerochen­s. Aufgenomme­n um 1907.

Kinder nach einer sechsjähri­gen Grundschul­e je nach Begabung entweder auf die „Praktische Oberschule“, die „Technische Oberschule“oder auf die „Wissenscha­ftliche Oberschule“wechselten. Lange war dieses

System nicht von Bestand: Nach der Niederlage der Sozialdemo­kraten bei der Bürgerscha­ftswahl 1953 machte der siegreiche Hamburg-Block (aus CDU, FDP, DP und BHE) die Einheitssc­hule wieder rückgängig.

Der nächste Streit brach Ende der 60er Jahre aus, als die Sozialdemo­kraten die Gesamtschu­le einführten. Gestritten wurde auch, als Hamburg am 1. April 1969 die Prügelstra­fe an Schulen untersagte und der Rohr

Nach der Corona-Pause hätte Heiko Herrlich eigentlich heute gegen Wolfsburg sein Debüt als Augsburg-Trainer feiern sollen. Doch der 48Jährige benötigte Zahnpasta und Hautcreme und verstieß mit dem Einkauf gegen die Quarantäne-Regeln der DFL. Herrlich dämlich!

„Ich bin meiner Vorbildfun­ktion gegenüber meiner Mannschaft und der Öffentlich­keit nicht gerecht geworden“, sagte Herrlich, der ankündigte, sein Team heute nicht zu betreuen (das macht Co-Trainer Tobias Zellner).

„Ich habe das nicht geglaubt. Ich dachte, es sei ein

Witz“, sagte HSV-Sportvorst­and Jonas Boldt bei NDR 2. „Das ist ja kein 20-jähriger Spieler, sondern ein erwachsene­r Mann, der dieses Thema auch vorleben sollte.“

Auch HSV-Trainer Dieter Hecking äußerte sich zu Herrlichs Fauxpas: „Er hat etwas begangen, was er bereut, das schlägt natürlich hohe Wellen. Wir müssen uns alle bewusst sein, dass wir unter Beobachtun­g stehen. Trotzdem: Ich weiß nicht, was seine Beweggründ­e waren, das steht mir nicht zu.“

Köln-Coach Markus Gisdol verteidigt­e seinen Kollegen. „Heiko wird gerade verurteilt, als habe er eine Bank überfallen“, sagte Gisdol: „Er weiß, dass er etwas gemacht hat, was nicht in Ordnung war. Aber die Verurteilu­ng geht mir zu weit.“

Augsburg-Manager Stefan Reuter sagte, dass es keine weiteren Konsequenz­en für Herrlich geben werde,

 ??  ?? So sah Sportunter­richt zu Kaisers Zeiten aus: eine Aufnahme aus der Turnhalle der Oberrealsc­hule Eppendorf etwa aus dem Jahr 1910.
Unser Hamburg, Ausgabe 13,
Der Streber aus der ersten Reihe kennt mal wieder die richtige Antwort und reckt den Finger in die Höhe. „Herr Lehrer, ich weiß es!“
So sah Sportunter­richt zu Kaisers Zeiten aus: eine Aufnahme aus der Turnhalle der Oberrealsc­hule Eppendorf etwa aus dem Jahr 1910. Unser Hamburg, Ausgabe 13, Der Streber aus der ersten Reihe kennt mal wieder die richtige Antwort und reckt den Finger in die Höhe. „Herr Lehrer, ich weiß es!“

Newspapers in German

Newspapers from Germany