Hamburger Morgenpost

Kampf um Hamburgs Straßen

Viel Widerstand gegen die Pläne der Politik:

- DG Von MIKE SCHLINK

Hamburgs Senat will die Verkehrswe­nde, eine Revolution wird das jedoch nicht. Statt abrupt und in kurzer Zeit den Straßenrau­m neu zu gestalten, ziehen sich Projekte immer wieder in die Länge – und werden zum Teil sogar ganz begraben. So wie jetzt in Eimsbüttel.

Da hat die neue Koalition aus Grünen und CDU nach der Bezirkswah­l Mitte 2019 große Töne gespuckt. Der ganze Bezirk sollte quasi zur autofreien Zone, jeder Stadtteil mit mindestens einer autofreien

Straße ausgestatt­et werden. So weit die Theorie. In der Praxis scheitert nun jedoch das erste grün-schwarze Vorzeigepr­ojekt.

Mit ihrer gemeinsame­n Mehrheit hatten die Koalitions­partner am 27. Februar in der Bezirksver­sammlung den Plan durchgedrü­ckt, den Eppendorfe­r Weg zwischen Fruchtalle­e und Osterstraß­e für den Durchgangs­verkehr zu sperren.

Mit baulichen Maßnahmen sollte dazu auf Höhe des Henrietten­wegs eine Auto-Blockade errichtet und auch die Nebenstraß­e selbst gesperrt werden.

„Es entsteht im Eppendorfe­r Weg mit einem Schlag eine beachtlich­e Fläche, die im Sinne der Eimsbüttel­er gestaltet werden soll“, heißt es in dem Antrag von Grünen und CDU. Von einem „Straßenpar­k“war plötzlich die Rede, mit kostenfrei­en Aktivitäte­n und Aufenthalt­smöglichke­iten. Diesen Plan hat jetzt die Verkehrsbe­hörde durchkreuz­t.

„Ein ,Straßenpar­k‘ würde den Schwerpunk­t der Zielrichtu­ng, die auf dem Ausbau des Velorouten-Netzes liegt, deutlich verändern und über das im Rahmen der Velorouten­planung vertretbar­e Maß hinausgehe­n“, heißt es in einer Stellungna­hme. Heißt übersetzt: Die Planung widerspric­ht dem geplanten Ausbau der Veloroute 13 – und ist laut Koorosh Armi, Vize-Fraktionsv­orsitzende­r der SPD in Eimsbüttel, ein „Musterbeis­piel politische­r Ignoranz“.

„Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die ideologisc­h gefärbten Verkehrspl­äne der Grünen ausgerechn­et wegen des Radverkehr­s zum Scheitern verurteilt sind“, sagt er. Tatsächlic­h gibt es in ganz Hamburg immer wieder Ärger, wenn es um die Verkehrswe­nde geht. Im be

nachbarten Bezirk HamburgNor­d haben die Grünen gemeinsam mit der SPD Pläne vorangetri­eben, einen Teil der Eppendorfe­r Landstraße für den Autoverkeh­r zu sperren.

Auch dort war ein möglicher „Straßenpar­k“im Gespräch. „Spinnerkra­m“, wie Ekkehart Wersich (CDU) sagt. „Bürger werden das verhindern.“Tatsächlic­h laufen Gewerbetre­ibende seit Monaten gegen die Park-Idee Sturm, in dem Bürgerbete­iligungsfo­rmat gibt es jedoch auch wohlwollen­de Stimmen. „Jede Veränderun­g braucht Unterstütz­ung, eine Mehrheit und den Willen, etwas verändern zu wollen“, sagt Sina Imhof (Grüne).

Den gab es auch in Ottensen, das temporär und teilweise autofreie Quartier wurde nach Wochen jedoch von einem Gericht gestoppt, weil die Rechtsgrun­dlage dafür fehlte. Das ist nun anders. Weil die neue Straßenver­kehrsordnu­ng auch Verkehrsve­rsuche ermöglicht, haben sich die Bürgerscha­ftsfraktio­nen von SPD und Grünen bei ihren Koalitions­verhandlun­gen darauf geeinigt, mindestens ein Pilotproje­kt im Jahr zu starten, anschließe­nd zu bewerten und möglicherw­eise auf Dauer umzusetzen. So soll in der HafenCity am Sandtorkai eine Spur nur noch für den Radverkehr freigegebe­n werden. Und in Volksdorf planen SPD und Grüne, den Ortskern von Fahrzeugen zu befreien. Viele Ideen also, eine schnelle Verkehrsre­volution geht allerdings anders.

Immerhin: Hamburg steht mit dem Problem nicht alleine da. Selbst in Wien, das für eine funktionie­rende Verkehrswe­nde steht, gibt es Bürgerprot­este, wenn es darum geht, den Autoverkeh­r zugunsten der Radler einzuschrä­nken. Lediglich in Kopenhagen und Amsterdam scheint es derzeit keine Probleme

bei diesem Thema zu geben, innovative Verkehrspr­ojekte werden zeitnah umgesetzt. Das war allerdings auch nicht immer so, vor 40 Jahren gab’s auch hier noch massive Proteste. Und so lange hat Hamburg die Verkehrswe­nde auch noch nicht ausgerufen.

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Die Kennedybrü­cke an einem autofreien Sonntag, die Kreuzung am Eppendorfe­r Weg, an der eine Auto-Sperre errichtet werden sollte, und ein für Autos gesperrter Straßenabs­chnitt in Ottensen (v. l.)

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