Vier Mann im Kampf gegen die Realität
Trump, Putin, Bolsonaro, Johnson – top sind sie nur bei den Corona-Zahlen
HANNOVER - Ein echter Mann muss für jedes Problem eine klare Antwort haben. Doch das Virus kennt keine einfachen Antworten. Niemand weiß genau, woher es kommt. Niemand weiß, wann und wie es besiegt wird.
Bestimmte politische Führer aber wollen nicht in einer Pose der Ungewissheit gesehen werden. Denn sie wissen: Ihre Anhänger hassen Uneindeutigkeiten aller Art. Und so wird Klarheit flugs auch dort simuliert, wo es keine gibt. Man habe alles unter Kontrolle – mit dieser Aussage ging auch US-Präsident Donald Trump in den ersten Wochen der Viruskrise auf die Bühne. Doch dann folgte die Katastrophe: Kein Land hat so viele Infizierte und so viele Tote wie die USA (93 439).
Ähnlich war es mit Wladimir Putin, der lange so tat, als sei Russland gut vorbereitet. Inzwischen eskaliert die Krise dort, die Kliniken sind mit 317 554 Fällen heillos überlastet. In Großbritannien glaubte Boris Johnson, er finde mit dem Konzept der Herdenimmunität einen ganz eigenen Weg – am Ende landete er selbst auf der Intensivstation, und kein europäisches Land hat so viele Tote zu beklagen (35 786).
Der vierte große Realitätsverweigerer ist Jair Bolsonaro, Präsident Brasiliens. Er spielte Corona als „kleine Grippe“herunter – derweil lassen die Behörden immer mehr Massengräber für die bisher 18 859 Opfer ausheben. Wissenschaftler sehen hier einen weiteren Hinweis auf die weltweite Krise der Männlichkeit. „Für manche Männer ist es sehr schwer zu akzeptieren, dass sie keine klaren Antworten geben können“, sagt Hedwig Richter, Professorin für Neue und Neueste Geschichte an der Universität der Bundeswehr in München. Die Krise der Männlichkeit gehöre auch zu den Faktoren, die derzeit die Verbreitung von Verschwörungstheorien rund um Corona beförderten.