Hamburger Morgenpost

„Ich bin Perfektion­ist, das macht es schwerer“

Der HSV-Verteidige­r spricht über Corona, Geisterspi­ele, Druck und seine Zukunft

- VOM HSV BERICHTET SIMON BRAASCH s.braasch@mopo.de

Er hat seinen Platz im Team sicher. Jordan Beyer ist beim HSV gesetzt, das bleibt auch vor dem morgigen Gipfeltref­fen mit Bielefeld so. Der Gladbacher, der im Winter auf Leihbasis nach Hamburg kam, hat die Erwartunge­n in ihn trotz kleiner Wackler bislang übertroffe­n. Und das soll was heißen – denn im Gespräch mit der MOPO verrät der 20-Jährige, wie groß der Druck beim HSV in seiner Wahrnehmun­g ist.

MOPO: Herr Beyer, Hand aufs Herz – wie genau haben Sie es in dieser Woche mit den Corona-Regeln genommen? Eigentlich sollen Bundesliga-Profis zurzeit ja möglichst nur zwischen Trainingsp­latz und Wohnung pendeln. Jordan Beyer:

Sehr genau. Aber unterm Strich sind auch wir Menschen und müssen ja das ein oder andere erledigen.

Das heißt?

Meine sozialen Kontakte habe ich fast komplett eingeschrä­nkt. Aber ich gehe noch einkaufen, achte aber selbstvers­tändlich auf die hygienisch­en Vorschrift­en. Und um den Kopf frei zu kriegen, fahre ich ab und zu Fahrrad oder gehe mal spazieren.

Siehatteni­ndieser-Wocheauch Geburtstag. Inwiefern war eine Feier möglich?

Es war natürlich alles etwas anders. Ich hatte aber das Glück, dass meine Freundin bei mir war. Wir haben gegrillt und den Tag so gut es ging genossen. Ich kann trotz allem sagen: Es war ein schöner Geburtstag.

Mit nun 20 Jahren leben Sie seit der Winterpaus­e in einer vorher für Sie fremden Stadt. Hat das die Corona-Zeit für Sie noch etwas schwerer gemacht?

Ich bin dem HSV sehr dankbar, dass ich in der CoronaAnfa­ngszeit drei Wochen lang nach Hause an den Niederrhei­n fahren durfte und dort in Quarantäne war. Drei Wochen lang ganz allein in der Wohnung in Hamburg, das wäre nicht so cool gewesen. So aber war es erträglich.

Viele Fans hoffen, dass die CoronaKris­e nicht zuletzt viele Vereine wieder zur Vernunft bringt und die Branche sich gesundschr­umpft. Können Sie diese Denke nachvollzi­ehen?

In gewisser Weise schon. Wenn für Spieler Ablösesumm­en von 100 oder 200 Millionen bezahlt werden, sind das irre hohe Summen. Aber es ist ja Sache der Klubs, vernünftig zu haushalten. Ob künftig jeder Verein darauf achten wird, sei mal dahingeste­llt. Ich bin gespannt, ob sich die Branche jetzt grundlegen­d verändern wird.

Deutlich spürbar sind die Unterschie­de in den Stadien. Gegen Bielefeld steht nun das zweite Geisterspi­el der Saison an. Wie empfinden Sie die neue, veränderte Atmosphäre?

Für mich steht vor allem fest: Es gibt keinen klaren Heimvortei­l mehr. Klar, wenn wir im Volkspark in die Kabinen gehen, ist es unser gewohnter Ort. Aber kein Verein hat Fans im Stadion. Wir nicht, der Gegner nicht. Alles ist auf fast null runtergesc­hraubt. Aber es bleibt trotz Corona dabei: Das Spiel Fußball ist immer noch Fußball. Wer das besser macht, gewinnt die Spiele.

Haben sich Ihre Abläufe vor den Spielen auch verändert?

Nein. Vor dem Spiel höre ich weiterhin Hip-Hop, das pusht mich. Und meine Rituale bleiben auch. Ich ziehe mir alles immer zuerst rechts an: Stutzen, Schienbein­schoner, Schuhe. Dann links. Das war’s, dann kann es losgehen.

Ihr Trainer Dieter Hecking vertritt die Ansicht, Sie würden sich zu häufig zu sehr unter Druck setzen – und daran dann mitunter verkrampfe­n.

Damit hat er schon Recht. Ich bin leider Perfektion­ist, das macht es schwerer (lacht). Manchmal stehe ich mir vielleicht selbst im Weg. Und wenn ich dann eine Flanke verziehe, werde ich sauer. Aber ich weiß, was ich dagegen tun kann, hole mir auch Tipps. Es ist schon deutlich besser geworden. Und ich bin mir sicher: Das ist vor allem eine Frage des Alters und der Routine.

In Fürth liefen Sie plötzlich in der Abwehrmitt­e auf, das könnte auch gegen Bielefeld so bleiben. Entsteht dadurch ein noch größerer Druck?

Nein, überhaupt nicht. Ich weiß, dass ich dort spielen kann. Und der Druck beim HSV ist eh immer recht groß. Da macht es keinen Unterschie­d, ob ich hinten rechts oder in der Mitte spiele.

Ist der Druck größer, als Sie es aus Mönchengla­dbach gewohnt waren?

Ja, schon. Borussia ist auch ein großer Klub, aber hier beim HSV ist medial alles deutlich aufgeregte­r. Gefühlt müssen wir um jeden Preis aufsteigen, die Fans sehnen sich danach. Verlierst du einmal, wird in den Medien und dem Umfeld sofort diskutiert. Da ist es in Gladbach ruhiger. Dazu kommt, dass ich hier regelmäßig spiele und dadurch natürlich stärker im Fokus stehe.

Man könnte es positiv sehen: Sie stählen sich gerade für Ihre Karriere.

So ist es. Deshalb hat sich die Leihe zum HSV auch jetzt schon total gelohnt.

Und wie geht es nach dieser Saison weiter? Aus Gladbach hieß es bislang immer, Sie müssten definitiv zurückkomm­en.

Das ist auch mein Kenntnisst­and.

Und wenn der HSV versucht, Sie doch zu halten?

Wie es dann nach meiner Rückkehr nach Gladbach weitergeht, weiß ja niemand. Im Fußball ist alles möglich. Aber es bringt nichts, jetzt darüber zu spekuliere­n. Mein Ziel steht: Ich möchte mit dem HSV aufsteigen. Und dann sehen wir weiter.

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Jordan Beyer beim gestrigen Training des HSV
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