Tine Wittler und das winzige Auto-Theater
Die „Wittlerin“und ihre spezielle Corona-Idee
JABEL - Da sitzt sie unter einem Baldachin, mit Kopfhörern und einem blinkenden Haarreif, vor sich den Zuschauersaal: fünf Autos. Tine Wittler, einst Deutschlands TVEinrichtungsqueen („Einsatz in vier Wänden“) hat das kleinste Auto-Theater der Welt eröffnet. Was soll man auch machen als Künstlerin in Coronazeiten, wenn man im Wendland lebt, nur Steinzeit-Internet hat und vor Kreativität fast überläuft?
Die „spinnerte Idee“(Wittler) mit dem Auto-Theater ist aus der Not geboren: „Ich und andere Künstler können oft von hier aus gar nicht streamen, selbst wenn wir wollten. Wegen des lahmarschigen Netzes.“
Also befindet sich nun dieses weltkleinste Auto-Theater auf dem 200 Jahre alten Fachwerkhof der „Wittlerin“in Jabel. Es läuft das Ein-Frau-Stück „Die Prinzessin und der Horst“, eine szenische Lesung aus Wittlers „horstigem AntiLiebesroman“.
Stück und Roman drehen sich um eine wahnsinnig komische und hoffnungslos verkorkste Liebesgeschichte, die sich Ende der 90er Jahre in Ottensen tatsächlich ereignet hat, damals mit Tine als Prinzessin: „Jeden Abend, wenn ich spiele, beame ich mich vom Dorf zurück nach Ottensen ins Jahr 1999, ins Familieneck, ins Aurel, treffe meine alte Freundin von damals. Das ist so toll, jeden Abend wieder in diese Zeit einzutauchen.“
Die Zuschauer verfolgen das horstige Spektakel von ihren Autos aus, mit Funkkopfhörern und Operngläsern, denn es gibt jede Menge Details zu sehen auf dem winzigen Bühnlein. Tine liest jede Rolle selbst, trägt als „Prinzessin“den Haarreif mit blinkenden Herzen, Prinzessinnen-Freundin „Eske“hat stets eine Kippe in den Fingern und wenn der kastrierte Kater „der Katze“auftritt, hält die Wittlerin sich eine Gummi-Katzenschnauze vors Gesicht. Aufgespießt auf einer Fonduegabel. Die Geschichte ist zeitlos: „Jede Frau hatte doch mal einen Horst in ihrem Leben, so einen bindungsgestörten Scheißkerl“, sagt sie im Gespräch mit der MOPO und lacht ihr Tine-Lachen, das locker einen ganzen wendländischen Hof beschallt.
Dass diese Laut-Lacherin und Schnell-Macherin mit irgendeiner Form von Lahmarschigkeit gut klarkommt – kaum vorstellbar. Ist aber so. Das Internet darf das: „Das kommt mir mit meiner Digitalphobie sogar sehr entgegen. Ich habe ja noch das Klapphandy aus Horstzeiten. Da hält der Akku 14 Tage.“
Beim Thema Medienkonsum wird die studierte Kulturwissenschaftlerin ungewohnt ernst: „Dieses ständige Verkürzen nervt mich, dass die Leute nur noch auf das reagieren, was blinkt und schreit. Ich bin Autorin und da tut es mir weh, dass alles nur noch über Videos transportiert wird. Die Leute sollen ihre Rübe anstrengen, statt sich von visuellen Schnipseln berieseln zu lassen.“
Tickets für das Auto-Theater kosten 60 Euro pro Fahrzeug. Reservierungen: Mo bis Sa 12-13 Uhr unter (05841) 974 01 81 oder unter kontakt@kulturbarwendland.de.