Hamburger Morgenpost

Das Leiden der Kinder

ANGST, TRAUER, DEPRESSION­EN UKE-Forscher: „Dass die Folgen der Corona-Pandemie so gravierend sind, damit hatten wir nicht gerechnet“

- Von SIMONE PAULS

Plötzlich war alles anders. Keine Schule mehr, kein Sport, keine Treffen mit Freunden. Vor allem für Kinder war und ist die Zeit während der CoronaPand­emie belastend. Wie sehr, das haben Wissenscha­ftler des UKE erforscht. Am Freitag haben sie ihre Studie vorgestell­t, mit traurigem Ergebnis: Die psychische Gesundheit von Kindern hat sich während der Pandemie verschlech­tert, vor allem bei denen aus benachteil­igten Familien: Angst, Trauer, Depression­en.

„Die meisten Kinder und Jugendlich­en fühlen sich belastet, machen sich vermehrt Sorgen, achten weniger auf ihre Gesundheit und beklagen häufiger Streit in der Familie. Bei jedem zweiten Kind hat das Verhältnis zu seinen Freunden durch den mangelnden physischen Kontakt gelitten“, sagt Prof. Dr. Ulrike Ravens-Sieberer, Leiterin der Studie und der Forschungs­gruppe „Child Public Health“der Klinik für Kinder- und Jugendpsyc­hiatrie, -psychother­apie und -psychosoma­tik des UKE.

Zwischen dem 26. Mai und 10. Juni wurden bundesweit 1040 Kinder und Jugendlich­e zwischen elf und 17 Jahren sowie 1586 Eltern per Online-Fragebogen um ihre Einschätzu­ngen gebeten. Es ging um Themen wie psychische Gesundheit, Lebensqual­ität, Schule, Familie und Freunde. Die Ergebnisse wurden mit Studien-Ergebnisse­n aus der Zeit vor der CoronaPand­emie verglichen.

„Wir haben mit einer Verschlech­terung des psychische­n Wohlbefind­ens in der Krise gerechnet. Dass sie allerdings so deutlich ausfällt, hat auch uns überrascht“, sagt Studienlei­terin Prof. Ravens-Sieberer.

71 Prozent der befragten Kinder fühlen sich durch die Corona-Pandemie belastet. Zwei Drittel von ihnen gaben eine vermindert­e Lebensqual­ität und ein geringeres psychische­s Wohlbefind­en an. Zum Vergleich: Vor Corona war dies nur bei einem Drittel der Fall.

Bei fast jedem dritten Kind stieg das Risiko für psychische Auffälligk­eiten, vorher war es nur bei jedem fünften Kind. Mädchen und Jungen machen sich mehr Sorgen und zeigten etwa Hyperaktiv­ität (24 Prozent), emotionale Probleme (21 Prozent) sowie Verhaltens­probleme (19 Prozent).

Die Wissenscha­ftler haben auch psychosoma­tische Auffälligk­eiten festgestel­lt. Neben Gereizthei­t (54 Prozent) waren dies Einschlafp­robleme (44 Prozent) sowie Kopfund Bauchschme­rzen (40 bzw. 31 Prozent).

Das Lernen zu Hause haben viele Kinder als belastend empfunden. Für zwei Drittel der Kinder und Jugendlich­en sind Schule und Lernen anstrengen­der als in der Zeit vor der CoronaPand­emie, sie empfinden den schulische­n Alltag teilweise als extrem belastend. „Das verwundert kaum, da den Kindern und Jugendlich­en die gewohnte Tagesstruk­tur und natürlich ihre Freunde fehlen. Beides ist für die psychische Gesundheit sehr wichtig“, sagt Studienlei­terin Prof. Ravens-Sieberer.

Was die Studie auch gezeigt hat: Kinder, deren Eltern einen niedrigen Bildungsab­schluss beziehungs­weise einen Migrations­hintergrun­d haben, erleben die coronabedi­ngten Veränderun­gen als besonders schwierig. Fehlende Rückzugsmö­glichkeite­n in kleine Wohnungen, wenig Geld, fehlende Tagesstruk­turen – all dies führt zu einem hohen Risiko für psychische Auffälligk­eiten. „Wir brauchen dringend Konzepte, wie wir die Familien in belasteten Phasen besser unterstütz­en können. Wir wissen, wenn die Eltern belastet sind, sind es auch die Kinder. Und wenn ver

schiedene Belastunge­n zusammenko­mmen, nimmt das Risiko für psychische und psychosoma­tische Auffälligk­eiten zu“, so die Studienlei­terin.

Kraft und Zuversicht in der schwierige­n Zeit schöpften Kinder in Familien mit gutem Zusammenha­lt – in denen Eltern Zeit mit ihren Kindern verbringen, mit ihnen etwas unternehme­n, gemeinsam am Tisch sitzen, ihnen zuhören und ihnen das Gefühl geben, geliebt und gebraucht zu werden.

Weitere wichtige Erkenntnis der bundesweit­en Studie: Die Belastung der Kinder hat mit zunehmende­n Lockerunge­n wieder abgenommen. Die Studienerg­ebnisse sollten dafür genutzt werden, um sich Prävention­sangebote und Konzepte für eine mögliche zweite Welle zu überlegen. Etwa, wie man Eltern beim Homeschool­ing unterstütz­en könnte.

Auch nur für Hamburg ist ein Studie in Vorbereitu­ng, wie die Kinder hier die Pandemie erlebt haben. Ergebnisse werden in einem Monat vorgestell­t.

kamen im Vergleich zum Vortag hinzu.

liegen im Krankenhau­s, davon vier auf Intensivst­ationen.

sind in Hamburg bisher mit einer Covid-19-Infektion gestorben. Seit dem Vortag kam kein neuer Todesfall hinzu.

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 ??  ?? Nicht nur Erwachsene leiden unter Corona. Laut der bundesweit­en UKE-Studie fühlen sich 71 Prozent der Kinder belastet.
Ulrike Ravens-Sieberer, Studienlei­terin
Nicht nur Erwachsene leiden unter Corona. Laut der bundesweit­en UKE-Studie fühlen sich 71 Prozent der Kinder belastet. Ulrike Ravens-Sieberer, Studienlei­terin
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