Scheuer schadet Deutschland
G20-PROZESS Drei Jahre Haft für Loic S. (24), linke Demo vor Gerichtsgebäude
Urteil im Prozess um die G20Ausschreitungen an der Elbchaussee: Das Landgericht verurteilt vier der fünf Angeklagten (20 bis 26 Jahre) wegen Landfriedensbruchs und Beihilfe zur Brandstiftung zu Bewährungsstrafen beziehungsweise Arbeitsauflagen nach dem Jugendrecht. Der Angeklagte Loic S. (24) aus Frankreich wurde zu drei Jahren verurteilt. Er hatte als Einziger Flaschen- und Steinwürfe eingeräumt. Das Gericht ist darüber hinaus überzeugt, dass er an der MaxBrauer-Allee einen Böller in einen Hauseingang geworfen hat.
Einer der Angeklagten hatte sich in seinem letzten Wort bei den Menschen entschuldigt, die bei den Krawallen in Angst und Schock versetzt wurden. Er sei aus Überzeugung bei der Demo mitgelaufen, habe aber nicht damit gerechnet, dass es zu Ausschreitungen kommen würde.
„Selten lag die Wahrheit so sehr in der Mitte wie bei diesem Verfahren“, sagte die Vorsitzende Richterin Anne Meier-Göring in der Urteilsbegründung und ging dann sowohl mit der Staatsanwaltschaft als auch mit der Verteidigung scharf ins Gericht.
Die Staatsanwaltschaft hatte höhere Haftstrafen gefordert und den Angeklagten „Mittäterschaft“bescheinigt. Das sei „politische Stimmungsmache“, so Meier-Göring. Selten habe sie auch unter Richterkollegen „so viel Meinungsmache und Schwarz-Weiß-Analysen“erlebt.
Andererseits seien auch die von der Verteidigung geforderten Freisprüche nicht denkbar gewesen: „Es gab an der Elbchaussee niemanden, auch die Angeklagten nicht, der nur friedlich demonstriert hat. Der gesamte Aufmarsch war unfriedlich und die Basis für die Straftaten. Alle, die sich an diesem Aufmarsch beteiligt haben, haben sich strafbar gemacht.“
Den Angeklagten sei nicht alles an Gewalt zuzurechnen: „Das wäre falsch und undifferenziert.“Dennoch seien sie vermummt und schwarz gekleidet Teil des Schwarzen Blocks gewesen: „Teilnehmer des Schwarzen Blocks können durchaus eine unterschiedliche Gewalttoleranz haben, es kann Teilnehmer geben, die selbst keine privaten Pkw anzünden wollen, aber alle wollen in der Form des Schwarzen Blocks Einschüchterung verbreiten.“Der Schwarze Block sei „keine Ringelpiez-Veranstaltung des zivilen Ungehorsams.“
Die Angeklagten hätten den Gewalttätern Rückhalt geboten: „Sie waren erschüttert über die Gewalt und sind noch 700 Meter mitgelaufen? Im selben Tempo? Wenn Sie die Gewalt nicht hätten unterstützen wollen, hätten Sie sich in eine Nebenstraße absetzen können. Nichts leichter als das.“
Selten habe sie es „mit so zuvorkommenden, intelligenten jungen Angeklagten“zu tun, lobte Meier-Göring sie. „Ihr Engagement für eine bessere Welt ist grundsätzlich zu unterstützen.“Dann wendet die Richterin sich direkt an die jungen Männer: „Aber dieser Aufmarsch hat die Welt nicht besser gemacht. Er hat Menschen leiden lassen.“
Es sei traurig, so die Richterin, dass die Angeklagten sich bis auf einen nicht zu Entschuldigungen bei den geschockten Anwohnern und HVV-Fahrgästen durchringen konnten, weil in der linken Szene gelte: „Anna und Arthur halten’s Maul und dürfen auf keinen Fall Reuebekundigungen abgeben.“Für die Opfer wäre das ein wichtiges Signal der Versöhnung gewesen.
Der Rechtsstaat erlaube Protest, so die Richterin: „Es darf auch unbürgerlich, laut und grell demonstriert werden.“Die Videos von der Elbchaussee jedoch zeigen keinen legitimen Protest: „Wer auf den Videos den Landfriedensbruch nicht sehen will, der verzettelt sich im juristischen Dickicht.“
Auch die Polizei bekommt in der Urteilsbegründung ihr Fett weg, die so spät vor Ort war, dass der Mob lange ungestört wüten konnte: „Der Schwarze Block gierte geradezu nach der Polizei. Warum unter all den Polizisten keine Hundertschaft zur Verfügung stand, konnte die Hauptverhandlung nicht klären.“
Auch die Zivilbeamten, die den Zug angeblich per Fahrrad begleiteten, konnten nicht vernommen werden: „Diese Zeugen wurden uns seitens der Polizei nicht namentlich genannt.“
Neben der Haftstrafe für Loic S. erhielt ein 26-Jähriger aus Hessen ein Jahr und fünf Monate Haft auf Bewährung, ein 24-Jähriger Hesse eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Die beiden anderen, zwei junge Männer aus Hessen im Alter von 20 Jahren, müssen wegen Landfriedensbruchs 20 Arbeitsleistungen erbringen.
Während der Urteilsverkündung demonstrierten Autonome gegen den Prozess. Weil im Saal coronabedingt nur 15 Zuschauer zugelassen waren, blieben Dutzende Sympathisanten vor dem Gerichtsgebäude, bewacht von der Polizei.
Der Schwarze Block ist keine Ringelpiez-Veranstaltung des zivilen Ungehorsams. Richterin Anne Meier-Göring
Wieso ist eigentlich Andreas Scheuer immer noch Minister? Fachleute und Laien wundern sich inzwischen gleichermaßen. Viele deuten auf Markus Söder, den CSU-Chef: Solange der ihn nicht austausche, könne Scheuer nun mal weiterregieren.
Ein Bundesminister dient aber nicht seinem Parteichef. Er dient dem deutschen Volk – dem er schwören muss, dass er „Schaden von ihm wenden“werde. Genau das aber hat Scheuer einfach nicht hinbekommen. Erst hat er bei der Maut vermeidbare, völlig sinnlose Staatsausgaben in enormer Höhe verursacht. Jetzt erschüttert seine allseits verspottete „Straßenverkehrsunordnung“erneut das Vertrauen der Deutschen in eine gute Regierungsführung. Dass Scheuer im Untersuchungsausschuss auch noch alle Register zieht, um die Aufklärung der MautAffäre zu erschweren, kommt hinzu. Der Mann facht die Politikverachtung an, auch in der Mitte der Gesellschaft, bei Leuten, die täglich hart arbeiten, nach den Regeln spielen und sich keine vergleichbaren Fehler leisten können. Darin liegt im Fall Scheuer der inzwischen größte Schaden für Deutschland.