Hamburger Morgenpost

Das neue Desaster des Teflon-Mannes

Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) vergeigt jetzt auch die neuen Fahrverbot­sregeln

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BERLIN - Seit Ende April werden Raser im Straßenver­kehr durch neue Regeln härter bestraft. Doch wegen eines Formfehler­s sind diese Regeln nun bis auf Weiteres wieder außer Kraft gesetzt. Nun beginnen die gegenseiti­gen Schuldzuwe­isungen. Und wieder steht Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) im Mittelpunk­t, der schon beim Projekt Mautgebühr versagt hat.

Scheuer hatte die schärferen Fahrverbot­sregeln von Anfang an als unverhältn­ismäßig kritisiert. Doch die Bundesländ­er hatten diese über den Bundesrat in den Verordnung­sentwurf des Ministers „hineindikt­iert“. In der großen Koalition ist nun ein Streit entbrannt, wer verantwort­lich ist. Das Justizmini­sterium von Christine Lambrecht (SPD) gibt Scheuers Haus die Schuld. Das Verkehrsmi­nisterium habe eine zu kurze Frist für die Prüfung gesetzt. Deshalb sei der Fehler nicht erkannt worden. Scheuer verteidigt sich mit dem Hinweis, in Corona-Zeiten habe es „ultraverkü­rzte Fristen“gegeben. Der CSU-Politiker hat schon eine Idee, wie es nun weitergehe­n soll: „Die Formel lautet: neuer Bußgeldkat­alog minus die beiden Fahrverbot­e.“

„Es ist dummdreist, dass Scheuer versucht, die Neuregelun­g, die ihm nicht passte, inhaltlich zu verändern“, sagte der grüne Fraktionsv­ize Oliver Krischer dem Redaktions-Netzwerk Deutschlan­d (RND). FDP-Verkehrspo­litiker Oliver Luksic sagte: „Das Debakel ist bezeichnen­d für Scheuers Arbeit – viel PR, in der Substanz aber große Mängel.“

Die wichtigste­n Details zum Chaos um den Bußgeldkat­alog:

Das Debakel ist bezeichnen­d für Scheuers Arbeit – viel PR, in der Substanz aber große Mängel. Oliver Luksic, Verkehrsex­perte der FDP im Bundestag

Was ist das Problem? Wegen eines juristisch­en Formfehler­s in der Präambel der neuen Straßenver­kehrsordnu­ng (StVO) sind die neuen Regeln für Fahrverbot­e bei zu schnellem Fahren von allen Bundesländ­ern vorerst außer Vollzug gesetzt worden. Konkret ging es um die Regel, dass 21 Kilometer pro Stunde mehr als erlaubt reichen, um einen Monat den Führersche­in zu verlieren – außerorts sind es 26. Anders als zuvor kann beim ersten Mal der Führersche­in für einen Monat weg sein.

Ist alles ungültig? Die neuen Verhaltens­regeln der StVO etwa in Bezug auf den Schutz von Radfahrern gelten nach

Ansicht des ADAC und vieler Juristen unveränder­t. Einige – darunter auch Scheuer – halten die gesamte StVO-Novelle für hinfällig. Bei den Bußgeldern ist die Lage verworren: Zwar sind laut der saarländis­chen Verkehrsmi­nisterin Anke Rehlinger (SPD) 14 der 16 Bundesländ­er zum alten Bußgeldkat­alog zurückgeke­hrt, Bremen und Thüringen halten aber am neuen Katalog fest, ahnden Verstöße bis zu einer endgültige­n Klärung jedoch nicht.

Wie sollten sich Autofahrer verhalten? In Schleswig-Holstein müssen rund 80000 Verfahren neu bearbeitet werden, in Hessen 60 000. Der ADAC rät: Ist ein Bußgeldbes­cheid erlassen, sollte Einspruch eingelegt werden. Ist ein Bußgeldbes­cheid rechtskräf­tig, sollte ein Vollstreck­ungsaufsch­ub bei der Bußgeldste­lle beantragt werden. Gilt das Fahrverbot bereits, kann im Gnadenverf­ahren die Herausgabe des Führersche­ins beantragt werden.

Wie soll es nun weitergehe­n?

Kommende Woche beraten der Bund und die Ländern alle offenen Fragen. Der Ausgang ist offen.

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Sieht mal wieder ziemlich schlecht aus: Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU).

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