Hamburger Morgenpost

Zoff um linken Bauwagen-Platz

LÜNEBURG Stadt droht mit Zwangsgeld­ern. Bewohner verstehen die Welt nicht mehr

- SANDRA SCHÄFER sandra.schaefer@mopo.de

Hausbesetz­ungen, gestörte Reden des Bürgermeis­ters und ein Demo-Camp im idyllische­n Rathaus-Innenhof. Riesen-Aufregung im sonst eher ruhigen Lüneburg. Und das alles wegen eines kleinen Bauwagenpl­atzes. Die Stadt will die sechs Bauwagen auf keinen Fall dulden und droht mit hohen Zwangsgeld­ern. Ein linkes Wohnprojek­t scheint nun zu scheitern. Wenn kein Wunder passiert.

Das große grüne Grundstück hinter dem alten Friedhof liegt idyllisch am östlichen Rand Lüneburgs. In einem kleinen gelben Haus wohnt die Umweltakti­vistin Cécile Lecomte (37). Im großen Garten stehen verstreut sechs große und kleine Bauwagen. Im Haus befinden sich auch die Küche und Waschräume für alle elf Mitglieder des Wohnprojek­ts, egal ob sie im Gebäude oder im Bauwagen leben.

Lecomte wohnte selbst zehn Jahre lang in einem großen Bauwagen. Doch mittlerwei­le braucht sie wegen einer rheumatisc­hen Erkrankung meist einen Rollstuhl. In einem Bauwagen kann sie nicht mehr leben. Daher hat sie gemeinsam mit einer Handvoll Gleichgesi­nnter vor wenigen Jahren das linke Projekt „Unfug“(unabhängig, frei und gemeinsam) gegründet.

Es soll für Gleichgesi­nnte günstigen Wohnraum schaffen und auch Platz für Menschen mit Behinderun­g bieten. Mithilfe eines Darlehens kaufte die Gruppe das Grundstück am Stadtrand. Das Erdgeschos­s des Wohnhauses haben sie für Cécile bereits behinderte­ngerecht ausgebaut.

Kaufen statt besetzen. Das müsste der Stadt doch gefallen. Aber die sechs Bauwagen im Garten stehen derzeit verlassen da. Denn die Stadt untersagte das Wohnen in den Bauwagen – obwohl sie auf einem Privatgrun­dstück stehen. Acht Gruppenmit­glieder, darunter drei Kinder, mussten kurzfristi­g ausziehen.

Hauptargum­ent für das Verbot ist laut Verwaltung der Flächennut­zungsplan. Denn dort ist das Grundstück als Friedhofsf­läche eingetrage­n und liegt im Außenberei­ch. „Daher ist eine Bebauung nicht zulässig“, so Ann-Kristin Jenckel, Sprecherin der Stadt. Mittlerwei­le hat das Verwaltung­sgericht diese Sicht der Stadt bestätigt.

Hinzu komme Brandgefah­r und der Wald sei auch als Landschaft­sschutzgeb­iet besonders schutzbedü­rftig. Hält sich die Gruppe nicht an die Bauwagen-Verbote, so drohen Strafgelde­r von 2000 Euro pro Bauwagen und Monat.

Kurios: Die Stadt Lüneburg hatte das Haus mit Grundstück selbst im Jahr 2006 verkauft. Damals war keine Rede davon, dass die Fläche im Außenberei­ch liegt und Wohnen dort nicht vorgesehen ist. Im Gegen

teil: Der Käuferin wurde noch auferlegt, das Haus zu renovieren.

Das geht aus einem Vermerk des Bauamtes hervor, der der MOPO vorliegt. Cécile: „Doch kaum hat ein linkes Wohnprojek­t das Grundstück erworben, fällt der Stadt ein, dass ebenjenes Gebäude nicht zum Wohnen genutzt und auch nicht ohne Bauantrag renoviert werden darf.“

Das Überleben des Wohnprojek­tes

Unfug ist nun massiv bedroht. Ohne die Nutzung der Bauwagen ist das Finanzieru­ngskonzept hinfällig. Denn das Darlehen sollte über die Mieten für die Bauwagen und die Zimmer zurückgeza­hlt werden.

Cécile Lecomte: „Wir stören doch hier niemanden. Außerdem schaffen wir günstigen Wohnraum in einer sehr teuren Stadt und versiegeln dabei noch nicht einmal Flächen.“

 ??  ?? Stein des Anstoßes: einer der Bauwagen auf dem Grundstück
Stein des Anstoßes: einer der Bauwagen auf dem Grundstück
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Die Mitglieder des Projekts „Unfug“verstehen die Welt nicht mehr.
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