BLUTIGES ATTENTAT
Der Bomben-Tod eines MafiaBosses in der Neustadt:
Beim Stichwort Maueröffnung denken wohl die meisten Hamburger an eine fröhliche Zeit, an die Trabi-Invasion auf dem Jungfernstieg oder ganz viele neugierige DDR-Bürger auf dem Kiez. Doch mit den Grenzöffnungen, mit der neuen Offenheit des Ostens, mit Glasnost und Perestroika kam auch eine brutale Form der Kriminalität nach Hamburg. Mafiamäßig organisierte Banden aus dem ehemaligen Ostblock scheffelten Millionen. Es wurde geschossen, gebombt, entführt und gefoltert. Und das auch in der Hansestadt. Höhepunkt: Mitten in der Neustadt wurde der Ferrari eines Mafia-Bosses per Fernzündung in die Luft gejagt. Der Mann starb.
Zbigniew N. betrieb an der Ditmar-Koel-Straße in der Nähe der Landungsbrücken ein kleines Im- und Exportgeschäft. Doch das war nur eine Kulisse! Tatsächlich schmuggelte er gestohlene Autos, Zigaretten und Spirituosen quer durch Europa. So kaufte er in Deutschland Schnaps, um ihn angeblich nach Russland zu exportieren. Tatsächlich wurden die Spirituosen aber nur nach Polen gebracht und dann zurück nach Deutschland geschafft und hier auf „Polenmärkten“verkauft. Zbigniew N. „sparte“auf diese Weise alle Steuern und Abgaben. Ein so geschmuggelter Container brachte dem 41-Jährigen locker eine halbe Million Mark (250 000 Euro) Profit. Doch solche Profite rufen Neider und Konkurrenten auf den Plan.
Erst explodierte nur eine kleine Bombe vor der Garage des 41-Jährigen in der Neustadt. Eine Warnung?
Dann kommt der 1. November 1991, ein Freitag. Um 19.17 Uhr will Zbigniew N. an der Poolstraße in seinen knallroten Ferrari Testarossa einsteigen. Unweit vom Auto stehen seine Geliebte (19) und seine kleine Tochter. Als der Gangster die Autotür öffnet, achtet er nicht auf die beiden Männer auf der anderen Straßenseite. Ein Fehler. Denn einer der Männer drückt auf eine Funkfernsteuerung. Eine Nitroglycerin-Bombe am linken hinteren Radkasten explodiert. Ein ohrenbetäubender Knall. Dutzende Scheiben an Wohnhäusern in der engen Straße werden zerschmettert, Flammen schlagen bis in den vierten Stock. Der Ferrari brennt lichterloh. Auch der Fahrer wird von dem heftigen Feuer erfasst.
Mutige Passanten zerren ihn von dem brennenden Auto weg, ersticken die Flammen mit einer Lederjacke und gießen kaltes Wasser auf den Schwerverletzten. Dann kommt die Feuerwehr. Der Notarzt setzt eine Betäubungsspritze. Bevor Zbigniew N. schließlich das Bewusstsein verliert, stammelt er noch: „Was ist mit dem Kind? Sagt mir, was ist mit dem Kind?“Ein Feuerwehrmann beruhigt ihn: „Alles wird gut.“Tatsächlich überstehen seine Geliebte und die Tochter den An
schlag mit leichteren Verletzungen. Zbigniew N. aber erliegt wenig später in der Boberger Spezialklinik für Brandopfer seinen schweren Verletzungen. Durch die Wucht der Explosion waren ihm auch beide Füße abgerissen worden.
Zeugen hatten unmittelbar nach der Tat zwei Männer in ein Auto mit polnischen Kennzeichen springen sehen. So kann die Hamburger Kripo bald die Spur der Täter aufnehmen. In Zusammenarbeit mit der polnischen Polizei werden zunächst die beiden 28 und 29 Jahre alten Bombenleger in Danzig verhaftet. Sie hatten umgerechnet 70 000 Euro für den Anschlag bekommen. Im Prozess kam heraus: Die Fernsteuerung für die Bombe hatten sie in einem Wiener Spielzeuggeschäft gekauft.
Das Urteil: 14 und 25 Jahren Haft und sie belasten Michael M. - Er soll der Auftraggeber gewesen sein.
Doch der Hintermann des Attentats entkommt nach Südamerika: Michael M. ist der frühere „Abteilungsleiter Wodka“in Zbigniew N.s mafiöser Firma und wollte wohl die Geschäfte des Mordopfers komplett übernehmen. In Brasilien nimmt der Täter die Identität eines Toten an, später schleust er
Menschen von Mexiko in die USA. Der Killer wähnt sich in Sicherheit.
2004 erhalten Hamburger Zielfahnder erste Hinweise, dass sich der Gesuchte wieder in Polen befindet. 2007 schließlich geht der Gangster in die Falle. Polnische Spezialkommandos überwältigen den 42-Jährigen, als er in Bielsko-Biala, unweit von Krakau, ein Einzelhaus verlässt. Das Gebäude ist extrem gut gesichert. Laut Polizei wäre es den Spezialkräften nur unter Anwendung von Sprengstoff gelungen, dort einzudringen. Nach einem langwierigen Verfahren fällt 2009 das Urteil für den Auftraggeber des Bombenattentats: 25 Jahre Haft.