Interview Kanzleramtsminister Helge Braun über die CoronaMaßnahmen
Kanzleramtsminister Helge Braun CDU) im interview mit der MOPO
BERLIN - Er ist eine zentrale Figur in der Regierung: Kanzleramtsminister Helge Braun (48). Der promovierte Mediziner hat ein wichtiges Wort bei den Corona-Maßnahmen von Bund und Ländern mitzureden, Eva Quadbeck und Daniela Vates sprachen mit Braun über den kommenden Mittwoch der Lockdown-Entscheidungen, Corona und Feiertagsvorlieben.
Für das letzte Fest des Jahres allerdings sieht Braun schwarz.
Herr Braun, wie feiern Sie Weihnachten?
Wie jedes Jahr in sehr kleinem familiären Kreis.
Und wollen Sie Silvester mit Feuerwerk feiern?
Nein, es ist nicht die richtige Zeit, um Silvester groß zu feiern. Das wird in diesem Winter nicht möglich sein.
Wie sollen Weihnachtsfeiern aussehen, wenn Sie Kontaktbeschränkungen empfehlen? Mit zwei Großelternpaaren kommen viele Familien auf mindestens drei Haushalte.
Es ist für mich nicht vorstellbar, dass die Großeltern an Weihnachten nicht mitfeiern. Deswegen muss man besondere Sorgfalt walten lassen. Wichtiger als die Anzahl der Menschen, die zusammenkommen, ist, dass man vorher seine Kontakte reduziert und darauf achtet, dass niemand Symptome hat.
Die Kanzlerin hat eine langfristige Strategie im Kampf gegen Corona angekündigt. Heißt das, der Teil-Lockdown wird bis ins kommende Frühjahr hinein verlängert?
Wenn man sich das Infektionsgeschehen anschaut, ist es völlig klar, dass wir im Dezember noch weit entfernt sein werden vom angestrebten Inzidenzwert von maximal 50 Neuinfektionen in sieben Tagen pro 100000 Einwohner. Der bleibt unser Ziel. Deswegen werden wir weiter Beschränkungen brauchen. Zusätzliche?
Was wir für den November beschlossen haben, hat die Infektionsdynamik gebrochen. Aber es hat noch nicht dazu geführt, dass die Zahlen nach unten gehen. Deswegen müssen wir sehen, wo wir weiter Kontakte reduzieren können. Die hohen Infektionsraten bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen müssen wir senken, denn sie tragen wesentlich zur Verbreitung der Infektion bei. An diesem Punkt gilt es anzusetzen. Darüber werden wir am Mittwoch mit den Ministerpräsidenten sprechen.
Warten Sie darauf, dass die Länder etwas vorlegen oder gibt es ein gemeinsames Papier?
Wir werden ein gemeinsames Konzept entwickeln.
Sie empfehlen die Halbierung von Klassen. Woher kommen die zusätzlich nötigen Lehrer?
Wir wollen Schulen nicht schließen. Dafür müssen wir Unterricht und Infektionsschutz bestmöglich zusammenbringen. Da ist Kreativität gefragt. In größeren Räumen lassen sich Abstandsregeln leichter einhalten. Wo es die in den Schulen nicht gibt, lässt sich in Bürgerhäuser und Kinosäle ausweichen. Ältere Schüler ließen sich ins Homeschooling schicken.
Das ist alles machbar. Wenn die Beschränkungen verlängert werden, werden dann auch die Hilfen etwa für die Veranstaltungsbranche verlängert?
Wenn Beschränkungen weiter notwendig sind, wollen wir alles tun, was in den öffentlichen Haushalten verantwortbar ist, um unverschuldete Härten für wirtschaftliche Existenzen abzufedern. Den Gesundheitsämtern gelingt es seit Wochen nicht, Kontakte von Infizierten ausreichend nachzuverfolgen. Haben Sie da aufgegeben?
Die vollständige Nachverfolgung von Kontakten muss unser Ziel bleiben. Nur wenn wir das schaffen, stabilisiert sich das Infektionsgeschehen.
Sonst helfen wie jetzt nur noch teure Beschränkungen. Allerdings ist auch schon viel passiert: Es arbeiten mittlerweile Tausende Menschen in der Kontaktnachverfolgung. Vor der Pandemie hatten die Gesundheitsämter dafür praktisch kein Personal. dass die Corona-Warn-App nicht gut genug funktioniere. Braucht es neue Komponenten oder eine zentrale Datenspeicherung?
Die Entscheidung für den dezentralen Ansatz war absolut richtig. Die dezentrale Lösung sichert den Datenschutz. Deshalb wird eine zentrale Datenhaltung von den Betriebssystemherstellern auch nicht unterstützt. Ist angesichts der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen eine Verschärfung überhaupt vermittelbar?
Ich bin davon überzeugt, dass der weit überwiegende Teil unserer Bevölkerung die Maßnahmen unterstützt. Die Zahlen der verfügbaren Intensivbetten sinkt. Die Todeszahlen steigen – auf derzeit 300 täglich. In der Schweiz sind mittlerweile alle Intensivbetten belegt. Dort wird nun abhängig vom Lebensalter und von Vorerkrankungen entschieden, wer vordringlich behandelt wird. Es gibt einen breiten Konsens in der Gesellschaft, dass wir das vermeiden wollen.
Wenn ein Gesundheitssystem überlastet ist, kann man die Triage nicht ausschließen. Kritiker sagen, die Regierung verbreite Angst, schränke die Freiheit ein und schade der Wirtschaft.
Die Freiheit endet, wo sie das Leben anderer gefährdet. Und es geht nicht um Angst, sondern darum, Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Nicht die Beschränkungen verursachen wirtschaftlichen Schaden, sondern die Pandemie. Er ist umso höher, je weniger man sie in Schach hält.