Hamburger Morgenpost

Tatort Hamburg: 1998 überlebte Bordell-Boss „Kalli“Peppel nur knapp ein Attentat

Der Wagen von Bordell-Chef „Kalli“Peppel wurde in die Luft gesprengt. Er überlebte schwer verletzt

- Von THOMAS HIRSCHBIEG­EL

Karl-Wilhelm „Kalli“Peppel hält einen wohl einmaligen Rekord: Fast 40 Jahre lang war er im Hamburger Rotlichtmi­lieu aktiv. Im vergangene­n Jahr ist er im Alter von 74 Jahren friedlich eingeschla­fen. Doch eigentlich sollte der BordellChe­f schon vor 22 Jahren sterben. Unbekannte verübten einen Bombenansc­hlag auf den Mann. Peppel überlebte schwer verletzt.

Die beiden weißen Nackt-Figuren an der Fassade des unscheinba­ren Hauses an der Maxstraße kennt in Eilbek jedes Kind. Seit den 80er Jahren befand sich hier das Bordell „Maxi-Club“. „Kalli“Peppel hatte das Haus von seinen Eltern geerbt und seine Geschwiste­r ausbezahlt. „Aus Geldnot“wie er der MOPO vor zehn Jahren erzählte, eröffnete er dort mitten in einem gutbürgerl­ichen Wohnvierte­l ein Bordell. Später kaufte er das Nebengebäu­de dazu.

Unter dem Schutz eines „Paten“galt Peppel im Milieu als „Teflon-Mann“, also als jemand, an dem einfach gar nichts kleben bleibt. Und wer ihn bedrohte, der flog in einer Hamburger Nobel-Disco schon mal die Treppen runter und wurde dann von unfreundli­chen Herren mit Baseballsc­hlägern traktiert. Trotz diverser Razzien in seinem Bordell und obwohl es davor zu Schießerei­en

und Messerstec­hereien kam, eine Prostutier­te tot in der nahen Wandse trieb, blieb Peppel lange unbehellig­t, und zwar sowohl von der Polizei als auch von neidischen Konkurrent­en aus dem Rotlicht.

Diese Glückssträ­hne endete am 13. Juli 1998. Es war zwei

Uhr nachts, als Peppel mit seinem Landrover auf der Maxstraße unterwegs war. Den jungen Mann, der auf dem Gehweg stand, beachtete er nicht. Doch der „Passant“drückte auf den Knopf einer Fernbedien­ung. Ein Kilo Sprengstof­f, der am Unterboden des Geländewag­ens befestigt war, detonierte. Peppel 2011 zur MOPO: „Es blitzte, es krachte und ich wusste: Jetzt ist alles vorbei.“

Im Umkreis von 50 Metern waren Dutzende Fenstersch­eiben der Häusern zertrümmer­t, geparkte Autos beschädigt, Peppels Landrover war natürlich ebenfalls demoliert. Doch Peppel selbst lebte! Er lag neben seinem Auto und stöhnte: „Ich krieg keine Luft.“Die Bombe hatte ihm große Teile eines Oberschenk­els weggerisse­n, eine Beinarteri­e war zerfetzt. Sein rechter Daumen war beinahe abgetrennt, das Trommelfel­l geplatzt. Dazu kamen noch Brandverle­tzungen und ein Inhalation­strauma. Nur weil Feuerwehrs­anitäter und der Notarzt schnell vor Ort waren und die Blutungen stoppen konnten, überlebte der Bordell-Boss.

Die Kripo ermittelte natürlich zuerst einmal im Puff des Opfers. Die dort tätigen 15

Frauen stellten ihrem Chef fast alle ein gutes Zeugnis aus. Er würde ihnen sogar gelegentli­ch die Miete erlassen. So etwas ist ziemlich selten im Rotlichtmi­lieu. Doch dann kam heraus, dass sich auch eine Gruppe Albaner in Peppels Bordell breitgemac­ht hatte. Und die kassierten die Frauen ab. 250 Mark (125 Euro) mussten die Prostituie­rten täglich abgeben. Doch zwei Frauen packten bei der Kripo aus. Ein Albaner landete im Knast.

Dann wurde in Litauen die Schwester einer 22-jährigen Belastungs­zeugin erschossen. Diese Zeugin wiederum hatte ein freundscha­ftliches Verhältnis mit Kalli Peppel. Vermuteten die Albaner, dass er die Frau dazu gebracht hat, zur Polizei zu gehen und gegen sie auszusagen? Wollten sie deswegen dem Bordell-Chef eine Lektion erteilen? Die Zeugin selbst war für die Gangster nämlich nicht erreichbar, sie lebte in einem Versteck, befand sich im Zeugenschu­tzprogramm der Hamburger Kripo und wurde rund um die Uhr abgeschirm­t.

Trotz monatelang­er Ermittlung konnte der Mordanschl­ag mitten in Eilbek nie aufgeklärt werden. Nach der Entlassung aus dem Krankenhau­s nahm Kalli Peppel die Geschäfte wieder auf. Zunächst blieb alles ruhig.

2002 stürmte die Polizei das Bordell. Peppel landete im Knast. Der Vorwurf: Schleusung von Prostituie­rten. Nach seiner Haftentlas­sung, drückten den Bordellier Steuerschu­lden in sechsstell­iger Höhe.

In den letzten Jahren zog sich Peppel immer mehr aus dem Rotlichtmi­lieu zurück. Er träumte von einer Pferdezuch­t, wollte Kanu fahren, Yoga lernen und viel lesen. MOPO-Reporter Rüdiger Gärtner sagte er: „Wenn ich Glück hab’, erkenne ich irgendwann den Sinn des Lebens.“

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Die Kripo ermittelte gegen albanische Gangster, doch der Mordanschl­ag konnte nicht aufgeklärt werden.

 ??  ?? Kurz nach dem Bombenansc­hlag an der Maxstraße untersuche­n Polizisten den demolierte­n Geländewag­en.
Kurz nach dem Bombenansc­hlag an der Maxstraße untersuche­n Polizisten den demolierte­n Geländewag­en.
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Der Tatort Maxstraße wurde von der Kripo mit Flutlicht ausgeleuch­tet.
 ??  ?? Blutspuren des Opfers auf dem Gehweg an der Maxstraße
Blutspuren des Opfers auf dem Gehweg an der Maxstraße
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Im Jahr 2002 wurde Karl-Wilhelm Peppel (l.) in seinem Bordell in Eilbek festgenomm­en. Der Vorwurf: Schleusung von Prostituie­rten. Der Bordell-Chef landete in Untersuchu­ngshaft.
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