Tatort Hamburg: 1998 überlebte Bordell-Boss „Kalli“Peppel nur knapp ein Attentat
Der Wagen von Bordell-Chef „Kalli“Peppel wurde in die Luft gesprengt. Er überlebte schwer verletzt
Karl-Wilhelm „Kalli“Peppel hält einen wohl einmaligen Rekord: Fast 40 Jahre lang war er im Hamburger Rotlichtmilieu aktiv. Im vergangenen Jahr ist er im Alter von 74 Jahren friedlich eingeschlafen. Doch eigentlich sollte der BordellChef schon vor 22 Jahren sterben. Unbekannte verübten einen Bombenanschlag auf den Mann. Peppel überlebte schwer verletzt.
Die beiden weißen Nackt-Figuren an der Fassade des unscheinbaren Hauses an der Maxstraße kennt in Eilbek jedes Kind. Seit den 80er Jahren befand sich hier das Bordell „Maxi-Club“. „Kalli“Peppel hatte das Haus von seinen Eltern geerbt und seine Geschwister ausbezahlt. „Aus Geldnot“wie er der MOPO vor zehn Jahren erzählte, eröffnete er dort mitten in einem gutbürgerlichen Wohnviertel ein Bordell. Später kaufte er das Nebengebäude dazu.
Unter dem Schutz eines „Paten“galt Peppel im Milieu als „Teflon-Mann“, also als jemand, an dem einfach gar nichts kleben bleibt. Und wer ihn bedrohte, der flog in einer Hamburger Nobel-Disco schon mal die Treppen runter und wurde dann von unfreundlichen Herren mit Baseballschlägern traktiert. Trotz diverser Razzien in seinem Bordell und obwohl es davor zu Schießereien
und Messerstechereien kam, eine Prostutierte tot in der nahen Wandse trieb, blieb Peppel lange unbehelligt, und zwar sowohl von der Polizei als auch von neidischen Konkurrenten aus dem Rotlicht.
Diese Glückssträhne endete am 13. Juli 1998. Es war zwei
Uhr nachts, als Peppel mit seinem Landrover auf der Maxstraße unterwegs war. Den jungen Mann, der auf dem Gehweg stand, beachtete er nicht. Doch der „Passant“drückte auf den Knopf einer Fernbedienung. Ein Kilo Sprengstoff, der am Unterboden des Geländewagens befestigt war, detonierte. Peppel 2011 zur MOPO: „Es blitzte, es krachte und ich wusste: Jetzt ist alles vorbei.“
Im Umkreis von 50 Metern waren Dutzende Fensterscheiben der Häusern zertrümmert, geparkte Autos beschädigt, Peppels Landrover war natürlich ebenfalls demoliert. Doch Peppel selbst lebte! Er lag neben seinem Auto und stöhnte: „Ich krieg keine Luft.“Die Bombe hatte ihm große Teile eines Oberschenkels weggerissen, eine Beinarterie war zerfetzt. Sein rechter Daumen war beinahe abgetrennt, das Trommelfell geplatzt. Dazu kamen noch Brandverletzungen und ein Inhalationstrauma. Nur weil Feuerwehrsanitäter und der Notarzt schnell vor Ort waren und die Blutungen stoppen konnten, überlebte der Bordell-Boss.
Die Kripo ermittelte natürlich zuerst einmal im Puff des Opfers. Die dort tätigen 15
Frauen stellten ihrem Chef fast alle ein gutes Zeugnis aus. Er würde ihnen sogar gelegentlich die Miete erlassen. So etwas ist ziemlich selten im Rotlichtmilieu. Doch dann kam heraus, dass sich auch eine Gruppe Albaner in Peppels Bordell breitgemacht hatte. Und die kassierten die Frauen ab. 250 Mark (125 Euro) mussten die Prostituierten täglich abgeben. Doch zwei Frauen packten bei der Kripo aus. Ein Albaner landete im Knast.
Dann wurde in Litauen die Schwester einer 22-jährigen Belastungszeugin erschossen. Diese Zeugin wiederum hatte ein freundschaftliches Verhältnis mit Kalli Peppel. Vermuteten die Albaner, dass er die Frau dazu gebracht hat, zur Polizei zu gehen und gegen sie auszusagen? Wollten sie deswegen dem Bordell-Chef eine Lektion erteilen? Die Zeugin selbst war für die Gangster nämlich nicht erreichbar, sie lebte in einem Versteck, befand sich im Zeugenschutzprogramm der Hamburger Kripo und wurde rund um die Uhr abgeschirmt.
Trotz monatelanger Ermittlung konnte der Mordanschlag mitten in Eilbek nie aufgeklärt werden. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus nahm Kalli Peppel die Geschäfte wieder auf. Zunächst blieb alles ruhig.
2002 stürmte die Polizei das Bordell. Peppel landete im Knast. Der Vorwurf: Schleusung von Prostituierten. Nach seiner Haftentlassung, drückten den Bordellier Steuerschulden in sechsstelliger Höhe.
In den letzten Jahren zog sich Peppel immer mehr aus dem Rotlichtmilieu zurück. Er träumte von einer Pferdezucht, wollte Kanu fahren, Yoga lernen und viel lesen. MOPO-Reporter Rüdiger Gärtner sagte er: „Wenn ich Glück hab’, erkenne ich irgendwann den Sinn des Lebens.“
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