Hamburger Morgenpost

Eltern am Rande ihrer Kräfte

SCHULE Initiative fordert die Politik auf, weiterhin auf Präsenzunt­erricht statt auf Homeschool­ing zu setzen

-

Homeschool­ing und Homeoffice gleichzeit­ig: Viele Eltern und Schüler sind während des ersten Lockdowns im Frühjahr an ihre Belastungs­grenzen gekommen. Das soll nicht noch einmal passieren. Die Initiative „Familien in der Krise“hat den Hamburger Senat deshalb aufgeforde­rt, die Schulen während der Corona-Pandemie offen zu halten. Ideen, wie der Schulbetri­eb coronasich­erer laufen könnte, gibt es auch.

„Das Recht der Kinder auf Sicherheit, Autonomie, Bildung und physische und psychische Gesundheit darf nicht hinter dem Schutz der Risikogrup­pen von Covid-19 zurücksteh­en“, sagte Anna-Maria Kuricová, Mitbegründ­erin von „Familien in der Krise“.

Auch in einer Pandemie hätten Kinder und Jugendlich­e das Recht, sich kindgerech­t entwickeln zu dürfen. Außerdem müsse in allen Maßnahmen berücksich­tigt werden, dass Kinder seltener erkranken und nicht als Treiber der Pandemie gelten.

Mit einer Einschränk­ung des Schulbetri­ebs würden Bildungssi­cherheit und Chancengle­ichheit ausgehebel­t. Zahlreiche Studien beschriebe­n mittlerwei­le die negativen Auswirkung­en der Schulschli­eßungen im ersten Halbjahr dieses Jahres. „Besonders hart trifft es Kinder, die es sowieso schon schwerer haben“, sagte Kuricová.

Laut einer Studie des Ifo-Instituts hat sich während des Lockdowns im Frühjahr die Zeit, in der sich die Kinder mit Schule beschäftig­ten, halbiert. Zudem „deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Coronakris­e die ohnehin schon hohe Bildungsun­gleichheit

in Deutschlan­d weiter verschärft haben dürfte“, heißt es darin.

Forderunge­n von Verbänden, Lehrergewe­rkschaft und auch vielen Eltern, zum sogenannte­n Wechselmod­ell überzugehe­n, hält die Initiative für nicht zu Ende gedacht und überstürzt. „Sollte ein Umsteuern nötig werden, treten wir für ein abgestufte­s Vorgehen je nach Altersklas­se ein“, sagte die Mutter von zwei Töchtern.

An Grundschul­en sei Wechselunt­erricht schlicht keine Alternativ­e, weil die Kinder noch nicht so gut alleine lernen könnten. Wechselunt­erricht sei allenfalls für die älteren Schülerjah­rgänge eine Notlösung und abhängig von der digitalen Grundausst­attung von Schulen, Lehrern und Schülern.

Stattdesse­n fordert die Initiative bessere Prävention­smaßnahmen – etwa die Anschaffun­g von Luftfilter­geräten und FFP2

Masken. Auch eine neue Teststrate­gie mit Hilfe von Antigen-Schnelltes­ts könnte den Schulbetri­eb sichern. „Viele Familien sind nach dem ersten Lockdown am Rande ihrer Kräfte“, sagte Kuricová.

Nicht nur Alleinerzi­ehende seien auf eine verlässlic­he Betreuung ihrer Kinder angewiesen, damit sie arbeiten gehen können. Auch zahlreiche Familien seien auf ein zweites Gehalt angewiesen. „Und was machen Eltern, die

Kinder auf verschiede­nen Schulen haben mit verschiede­nen Wechselmod­ellen? Die könnten ebenfalls nicht arbeiten gehen“, meinte die 46-Jährige.

Sie kenne Eltern, die wegen der extremen Doppelbela­stung

während des ersten Lockdowns sogar ihren Job aufgegeben haben. Wichtig sei ein Dialog mit Experten aller relevanten Diszipline­n, darunter Kinderärzt­e, Psychologe­n, Schulleite­r, Pädagogen, ITExperten und nicht zuletzt Schüler und deren Eltern. „Wir wünschen uns von allen Beteiligte­n mehr Mut, Ideen zu entwickeln und neue Wege zu gehen, wie Schule auch in der Pandemie funktionie­ren kann“, sagte Kuricová.

Hamburg will vorerst an seinem Corona-Konzept festhalten und die Schulen offen halten, da sich Schüler nicht überdurchs­chnittlich oft mit dem Virus anstecken. Am Mittwoch wollen sich die Länderchef­s erneut mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) treffen und neue Corona-Richtlinie­n

verabschie­den.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? Zu Hause arbeiten, während die Kinder um einen herum toben – das ist für viele Eltern kräftezehr­end.
Zu Hause arbeiten, während die Kinder um einen herum toben – das ist für viele Eltern kräftezehr­end.
 ??  ?? Mit Maske im Klassenzim­mer – für viele Kinder ist das Alltag.
Mit Maske im Klassenzim­mer – für viele Kinder ist das Alltag.

Newspapers in German

Newspapers from Germany