„Querdenkerin“vergleicht sich mit Sophie Scholl
HANNOVER Wirrer Auftritt, bockiger Abgang: Studentin sorgt für Entsetzen. Wirbel um „Ordner“
HANNOVER – Verstörender Auftritt: Während einer „Querdenken“-Demo hat sich eine Studentin mit NS-Widerstandskämpferin Sophie Scholl verglichen. Einem jungen Mann platzt deshalb der Kragen. Im Netz wird er nun gefeiert – während über die geschichtsvergessene „Querdenkerin“Entsetzen herrscht.
„Hallo, ich bin Jana aus Kassel und ich fühle mich wie Sophie Scholl“, erklärt die Rednerin vor applaudierenden Zuschauern auf der „Querdenken“-Demo. Ihre wirre Begründung: Sie sei schließlich, genau wie Scholl, „seit Monaten aktiv im Widerstand“: Sie halte Reden, gehe auf Demos und verteile Flyer. Außerdem sei sie 22 Jahre alt, genau wie Scholl bei ihrer Hinrichtung – was übrigens nicht stimmt.
Scholl wurde als Widerstandskämpferin gegen die Nazi-Diktatur bekannt, erstellte und verteilte mit der
Gruppe „Weiße Rose“Flugblätter und wurde dafür mit nur 21 Jahren hingerichtet.
Einem vermeintlichen Ordner platzt nach Janas Vergleich der Kragen: Er machtsichaufdenWegzur Bühne und will der Rednerin seine Warnweste übergeben. „Für so einen Schwachsinn mache ich doch keinen Ordnermehr“,sagterundalser vom Publikum aufgefordert wird, Jana weiterreden zu lassen, entgegnet er: „Sie verharmlost den Holocaust!“
Der Studentin fällt als Erwiderung nichts Besseres einaußer:„Ichhabedochgar nichts gesagt.“Außerdem fragt sie immer wieder „Was?“Der Ordner darauf: „Beim besten Willen, so ein Schwachsinn. Sophie Scholl – du bist doch hängengeblieben.“Schließlich rückt die Polizei an und führt den Mann weg. Jana dreht sich um, fängt an zu weinen, schleudert wutentbrannt das Mikrofon hinter sich und stürmt von der Bühne.
Im Netz hagelt es nun entsetzte Kommentare für die geschichtsvergessene Studentin: Parallelen zu Sophie Scholl zu ziehen sei verantwortungslos, abstoßend und beschämend. Auch Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) reagiert: „Wer sich heute mit Sophie Scholl (...) vergleicht, verhöhnt den Mut, den es brauchte, Haltung gegen Nazis zu zeigen“, twitterte er gestern. „Nichts verbindet Coronaproteste mit Widerstandskämpfer*Innen.“
Der junge Mann bekommt dagegen Zuspruch: „Respekt an den Ordner“und „Ehrenmann“kommentieren Zuschauer unter einem Mitschnitt des Videos auf Twitter. Jemand spricht „großen Respekt und Dank“aus.
Allerdings werden mittlerweile Zweifel laut, ob er wirklich ein Ordner war: Die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“(HAZ) schreibt gestern, dass der Mann nach ihren Informationen ein Aktivist aus der linken Szene sei. Laut „HAZ“hatten sich linksradikale Gegner der „Querdenker“am Samstag unter die Demonstranten und Ordner geschmuggelt, um eine solche Störaktion starten zu können. Die Polizei hat bislang keine Hinweise auf eine Manipulation: „Das war auch kein Sachverhalt, der eine Maßnahme erfordert hätte“, teilt sie mit. Die Registrierung der Ordner sei Sache der Versammlungsleitung.
Janas Aktion erinnert an den Vorfall vor wenigen Tagen, als eine Elfjährige sich auf einer „Querdenken“-Demo in Karlsruhe mit der Jüdin Anne Frank verglich, die sich vor den Nazis verstecken musste und schließlich im Konzentrationslager ermordet wurde. Die Elfjährige fand, das sei vergleichbar mit ihrer eigenen Situation: Sie konnte ihren Geburtstag neulich schließlich aufgrund der Kontaktbeschränkungen auch nur heimlich mit Freunden feiern.