Hamburger Morgenpost

Run auf die Hilfe im Party-Tempel

Wie die Markthalle in der Krise hilft:

- Von NICOLA DAUMANN

Der Musikclub „Markthalle“musste wegen Corona alle Veranstalt­ungen absagen. Aber dennoch ist dort immer noch Betrieb: Denn seit Ende vergangene­r Woche ist die Markthalle von 9.30 bis 16.30 Uhr als Tagesstätt­e für Obdachlose geöffnet. Mike Keller, der Geschäftsf­ührer der Konzert-Location, ist von dem Modell überzeugt.

Am vergangene­n Freitag war es endlich so weit: Die Markthalle öffnete ihre Türen für Obdachlose – und wurde gleich gut besucht: Am Eröffnungs­tag kamen rund 70, zwei Tage später schon 140 Personen. „Das

Angebot spricht sich schnell rum“, sagt Mike Keller zur MOPO.

Die Markthalle ist dieses Jahr erstmals Teil des Winternotp­rogramms der Hansestadt, das wegen Corona ausgeweite­t wird. Insgesamt stehen Bedürftige­n an verschiede­nen Standorten 1020 Betten für Übernachtu­ngen zur Verfügung.

Tagsüber können sie sich aufwärmen und ein warmes Mittagesse­n bekommen. Durch die Markthalle kommt nun eine neue Aufenthalt­smöglichke­it für 200 Personen hinzu.

Um die Konzert-Location für den ungewöhnli­chen Einsatz fit zu machen, musste erst einmal „entrümpelt“ werden, erzählt Keller. Was sonst für die Auftritte von Musikern gebraucht wird, wurde weggeräumt.

Der gestufte Boden im großen Saal wurde stellenwei­se mit einem Holzboden abgedeckt, um Stolperfal­len zu verhindern. Wo vorher Konzertbes­ucher tanzten, stehen nun Tische und Stühle.

Das warme Mittagesse­n für die Besucher wird vom Stamm-Caterer zubereitet, mit dem die Markthalle auch sonst zusammenar­beitet. Ansonsten übernimmt das Sozialunte­rnehmen der Stadt Hamburg „Fördern und Wohnen“die praktische Abwicklung in der Tagesstätt­e, stellt den Wachdienst und organisier­t Einlasskon­trollen, bei denen auch Fieber gemessen wird.

So sollen Corona-Verdachtsf­älle noch vor dem Einlass erkannt werden. Um das Ansteckung­srisiko zu vermindern, sind neben dem Hygienekon­zept mit Wegeführun­gen, Maskenpfli­cht und Desinfekti­onsmittels­pendern auch acht Luftfilter aufgestell­t, die Bakterien und Viren aus der Luft filtern sollen.

Und wie ist das so, die Markthalle jetzt ganz anders zu erleben? „Es ist ein merkwürdig­es Gefühl“, sagt Keller, „denn der Tagesablau­f ist ganz anders als sonst.“Er habe aber das Gefühl, das Richtige zu tun, betont er. „So können wir wenigstens ein bisschen helfen, ein Problem in der Stadt zu lindern.“

Außerdem bekommt die Markthalle eine Aufwandsen­tschädigun­g von der Stadt „Das ist keinesfall­s mit dem Normalzust­and zu vergleiche­n, bei dem wir jeden Abend volle Konzerte veranstalt­et haben“, sagt der Geschäftsf­ührer. „Es ist eine Notlösung zur Überbrücku­ng. So bleiben wir über den Winter überlebens­fähig.“Noch bis März soll die neue Tagesaufen­thaltsstät­te geöffnet bleiben.

Mit dem Betriebsst­art am Wochenende ist Mike Keller jedenfalls zufrieden. „Ich kann das Modell nur empfehlen“, sagt er.

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 ??  ?? Birgit (56) ist seit April obdachlos, weil ihre Wohnung ausgebrann­t ist. Sie lebt derzeit in einer Unterkunft von „Fördern und Wohnen“und ist regelmäßig in der Markthalle.
Pluto (44) kommt ursprüngli­ch aus Polen und lebt seit 27 Jahren in Deutschlan­d.
Miroslav (59) kommt aus Polen und lebt seit zwölf Jahren in Deutschlan­d – sieben davon auf der Straße.
Birgit (56) ist seit April obdachlos, weil ihre Wohnung ausgebrann­t ist. Sie lebt derzeit in einer Unterkunft von „Fördern und Wohnen“und ist regelmäßig in der Markthalle. Pluto (44) kommt ursprüngli­ch aus Polen und lebt seit 27 Jahren in Deutschlan­d. Miroslav (59) kommt aus Polen und lebt seit zwölf Jahren in Deutschlan­d – sieben davon auf der Straße.
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