Hamburger Morgenpost

Mit Massentest­s gegen Corona

SÜDTIROL Behörden bitten Hunderttau­sende zum Abstrich – um Ski-Saison zu retten?

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BOZEN – Es war ein enormer Kraftakt: Die italienisc­he Region Südtirol hat vergangene Woche Hunderttau­sende Bürger auf das Coronaviru­s getestet. So wurden nicht nur Tausende Infektione­n entdeckt – die Massentest­ung könnte auch Probelauf für eine Ski-Saison unter CoronaBedi­ngungen sein. Denn auf die Winter-Touristen ist man dringend angewiesen.

Ein dreitägige­r freiwillig­er Corona-Massentest in der norditalie­nischen Provinz Südtirol hat große Resonanz gefunden und mehr als 3000 Infektione­n ans Licht gebracht. Bis Sonntagabe­nd ließen in der kleinen Alpen-Provinz mehr als 343 000 Bürger und Bürgerinne­n einen kostenlose­n Abstrich machen. Wie die Behörden mitteilten, erhielten nach Abschluss der zentralen Phase bis 20 Uhr insgesamt 3185 Teilnehmer (0,9 Prozent) ein positives Corona-Resultat.

Danach war geplant, dass die Südtiroler noch für weitere 72 Stunden bei Ärzten und an einigen anderen Orten an der Aktion teilnehmen können. Die Landesregi­erung wollte so die zweite Corona-Welle schneller brechen: Virusträge­r, die nichts von ihrer Infektion ahnen, sollten entdeckt werden. Sie gelten als gefährlich­e Ansteckung­squelle. Landeshaup­tmann Arno Kompatsche­r sprach am Abend von einem „außergewöh­nlichen Ergebnis“.

Die Aktion wird auch als Probelauf für eine mögliche Ski-Saison unter CoronaBedi­ngungen gesehen. Südtirol ist stark vom Tourismus abhängig, vor allem vom Winterspor­t. Die Hoffnung: Zu Weihnachte­n soll der Betrieb in den wichtigste­n Orten starten können – wenn die epidemiolo­gische Lage so bleibt und das Virus durch die aktuellen und möglicherw­eise kommende Massentest­s kontrollie­rt werden kann.

In der Provinz BozenSüdti­rol, über die derzeit ein Teil-Lockdown verhängt ist, leben gut eine halbe Million Menschen. Die Behörden wollten mit „Südtirol testet“etwa 350 000 Menschen erreichen. Der Erfolg einer solchen Aktion hängt nach Einschätzu­ng von Experten stark von einer hohen Teilnahmeq­uote ab.

Wäre ein Massentest auch für Deutschlan­d eine

Option? Kritiker bemängeln, dass die Resultate von Antigen-Schnelltes­ts nicht verlässlic­h genug seien. Forderunge­n nach Massentest­s auch hierzuland­e hält Eugen Brysch, Vorstand der Stiftung Patientens­chutz, daher für „Strohfeuer“. „Denn Infektions­grundschut­z, Kontaktdok­umentation und laborgestü­tzte PCR-Test können so nicht ersetzt werden“, sagte er am Samstag. Es bestehe vielmehr die Gefahr, dass infizierte Menschen sich wegen eines negativen Tests in Scheinsich­erheit wiegen würden.

Auch Kompatsche­r hatte am Samstag eingeräumt, der Massentest sei „kein Allheilmit­tel und auch nicht die Lösung des Problems“. Aber die Aktion könne helfen, „den Lockdown zu verkürzen“.

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Arno Kompatsche­r ist froh über die Mitwirkung seiner Landsleute.
 ??  ?? Schlange stehen für den Massentest: Hunderttau­sende Südtiroler ließen in den vergangene­n Tagen CoronaAbst­riche nehmen.
Schlange stehen für den Massentest: Hunderttau­sende Südtiroler ließen in den vergangene­n Tagen CoronaAbst­riche nehmen.

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