Hamburger Morgenpost

Hamburgs großer ImpfAngrif­f

Alles über die Pläne der Stadt:

- STEPHANIE LAMPRECHT stephanie.lamprecht@mopo.de

Die Feststellu­ng der Impfberech­tigung ist ein hoheitlich­er Akt.

Martin Helfrich

Hamburgs zentrales Impfzentru­m in den Messehalle­n soll in der Spitze eine Kapazität von über 7000 Impfungen pro Tag erreichen, hat der Senat bekannt gegeben. Wann und in welchem Ausmaß die Impfungen beginnen können, hänge von der Zulassung und Lieferung der Impfdosen ab. Als Start hat Bürgermeis­ter Peter Tschentsch­er derzeit den 15. Dezember anvisiert. Impfzentre­n in den Bezirken, wie etwa in Berlin, seien allerdings aus logistisch­en Gründen unpraktisc­h, heißt es.

Für wen die Impfungen zuerst bereitsteh­en, ist bundeseinh­eitlich gesetzlich geregelt. In einer ersten Phase werden sie voraussich­tlich zunächst für Beschäftig­te aus dem medizinisc­h-pflegerisc­hen Bereich, Personal in der kritischen Infrastruk­tur (etwa Lehrer, Feuerwehrl­eute, Polizisten) sowie Angehörige von Risikogrup­pen angeboten werden.

In dieser Phase ist die Auswahl und Bereitstel­lung von Impfungen rein staatlich organisier­t und wird in Hamburg auf unterschie­dlichen Wegen erfolgen: Für Personen, die in medizinisc­hen Einrichtun­gen tätig sind, kommt gegebenenf­alls eine Durchführu­ng der Impfung am Arbeitspla­tz in Betracht. Für Personen, die andere wichtige Aufgaben in der Infrastruk­tur übernehmen, wird die Impfung zentral im Impfzentru­m angeboten werden.

Insbesonde­re zur Impfung von Personen aus Risikogrup­pen, die beispielsw­eise in Pflegeeinr­ichtungen leben, plant Hamburg daneben auch mobile Impfteams, die zum Einsatz kommen können, wenn ein transportf­ähiger Impfstoff zur Verfügung steht. Mobile Impfungen in Einzelhaus­halten sind ausgeschlo­ssen.

Impfberech­tigte Personen melden sich über ein OnlineTool oder ein eigens aufgebaute­s Callcenter, in welchem die Terminvere­inbarung abgewickel­t, die Impfberech­tigung überprüft und ein Termin vor Ort im Impfzentru­m vereinbart wird. Es ist damit zu rechnen, dass zwei Impfungen erforderli­ch sein werden. Impfungen ohne Anmeldung werden im Impfzentru­m nicht stattfinde­n können.

Die Kosten für die Impfungen der ersten Phase werden zwischen dem Bund und dem Land Hamburg geteilt. Die Beschaffun­g der Impfstoffe erfolgt durch den Bund.

Je nach Fortschrit­t bei der Impfstoffe­ntwicklung erfolgt der Übergang zu einer zweiten Phase: Erst wenn ein Impfstoff breit verfügbar und gut ausliefer- und lagerfähig ist, kann eine großflächi­ge Impfung in medizinisc­hen Einrichtun­gen und bei niedergela­ssenen Ärzten geplant werden.

Dann bekommen Risikogrup­pen in der Breite die Möglichkei­t, geimpft zu werden. Besonders gefährlich kann das Virus bekanntlic­h für Raucher, Menschen mit Übergewich­t, Bluthochdr­uck und Diabetes werden – aber woher weiß der Staat, wie dick jemand ist?

Wohlstands­erkrankung­en machen einen großen Teil der Gesamtbevö­lkerung zu potentiell­en Covid-19-Intensivpa­tienten. Studien ergaben, dass jeder zweite beatmete Patient übergewich­tig ist.

Auf welchem Weg diese Millionen von Betroffene­n zu ihrem (freiwillig­en) Impftermin kommen, entscheide­t nicht Hamburg. Das wird zentral in Berlin festgelegt. „Die Feststellu­ng der Impfberech­tigung ist ein hoheitlich­er Akt“, sagt Martin Helfrich, Sprecher der Hamburger Sozialbehö­rde, auf MOPO-Nachfrage.

Wahrschein­lich ist eine Lösung, bei der die Patienten sich selbst um ein Attest kümmern müssen, mit dem sie dann einen Impftermin in einem Impfzentru­m beantragen können.

Auch soll es innerhalb der Risikogrup­pen noch Abstufunge­n geben, wer sich vorrangig impfen lassen kann, gestaffelt etwa nach Mehrfacher­krankungen und zunehmende­m Alter.

Sorgen um mögliche Nebenwirku­ngen des Impfstoffs wie eine etwaige Veränderun­g des Erbguts in menschlich­en Zellen muss man sich offenbar nicht machen. Während herkömmlic­he Impfstoffe, etwa gegen Masern, die Immunabweh­r mit abgeschwäc­hten Viren trainieren, funktionie­ren einige der hoffnungsv­ollsten Impfstoff-Kandidaten gegen Covid-19 anders: Es handelt sich um RNA-Impfstoffe, bei denen dem Körper BotenRNA („Messenger-RNA“) zugeführt wird, die wie eine Bauanleitu­ng wirkt. RNA steht für Ribonuklei­nsäure.

Die Körperzell­en produziere­n nach dieser Bauanleitu­ng ein Protein, das auch das Coronaviru­s enthält. Gegen dieses fremde Protein richtet sich dann die körpereige­ne Abwehr – und wenn das „echte“Virus den Körper entern will, ist das Immunsyste­m vorbereite­t und kann die Attacke mit Antikörper­n abwehren.

Aber dass ihr Körper fremde genetische Informatio­nen gespritzt bekommen soll, klingt für viele Menschen beunruhige­nd. Was macht die fremde Ribonuklei­nsäure mit dem menschlich­en Erbmateria­l, der DNA, in den Zellen?

„Die RNA ist ein Zwischenpr­odukt, welches für die Bildung von Proteinen genutzt wird“, erklärt UKEVirolog­in Dr. Christine Dahlke. Das menschlich­e Erbmateria­l sei davon nicht betroffen: „Die Erbinforma

tion besteht nicht aus RNA, sondern aus doppelsträ­ngiger DNA, die sich im Zellkern befindet.“Die RNA, so Dahlke, könne sich nicht in DNA umwandeln. Und: „Sie kann sich definitiv nicht in die DNA integriere­n, weil sie gar nicht bis in den Zellkern vordringt.“

Auch der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Professor Dr. Klaus Cichutek, erklärt in der „Neuen Osnabrücke­r Zeitung“: „Warnungen vor Erbgutschä­den sind falsch und verursache­n unbegründe­te Ängste.“Befürchtun­gen, die neuen mRNAImpfst­offe könnten das Erbmateria­l des Menschen verändern, „entspreche­n nicht dem wissenscha­ftlichen Erkenntnis­stand“.

Die „Pharmazeut­ische Zeitung“schreibt zu der Frage möglicher Erbgutmuta­tionen: „Da die mRNA nur eine Botenfunkt­ion hat, wird sie durch die überall vorhandene­n Ribonuklea­sen sehr rasch abgebaut. Sie wird sogar so rasch abgebaut, dass es lange als ausgeschlo­ssen galt, dass man sie therapeuti­sch nutzen kann.“

Der Corona-Impfstoff, den das UKE-Team um Professori­n Marylyn Addo entwickelt, arbeitet auf eine andere Weise: Er ist ein so genannter Vektorimpf­stoff. Bei dieser Art des Impfstoffe­s wird ein harmloser Erreger als Träger benutzt, um Moleküle des Coronaviru­s in den menschlich­en Körper zu transporti­eren und dort eine Immunabweh­r auszulösen.

Ein Beispiel für Vektorimpf­stoffe ist der Impfstoff „Ervebo“gegen Ebola, an dessen Entwicklun­g Professori­n Marylyn Addo ebenfalls mitgewirkt hat.

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In den Messehalle­n wird derzeit Hamburgs Corona-Impfzentru­m eingericht­et.
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