Hamburger Morgenpost

„Traurig, dass wir kein Gehör finden“

Hamburger Starköchin über das Leiden der Gastronome­n

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„Wie ist die Lage?“heißt der (fast) tägliche Podcast der Gute Leude Fabrik und der Hamburger Morgenpost. Darin spüren wir tagesaktue­llen Fragen nach – zu Wort kommen Macher, Musikerinn­en, Models, Mütter und Politiker, genau wie Helfer, Schwester, Schweißer, Freiberufl­er. Die Auswahl ist rein subjektiv, aber immer spannend und überrasche­nd. Heute macht dies „Stilbruch“möglich. Die Gespräche finden über das Telefon statt. In der aktuellen Folge spricht PR-Profi Lars Meier mit TV-Köchin Cornelia Poletto. Lars Meier: Frau Poletto, Sie haben jetzt ein eigenes Kochmagazi­n mit Ihrem Namen. Ist das ein Produkt der Corona-Zeit oder war das eh geplant? Cornelia Poletto: Ja, ich bin tatsächlic­h sehr stolz darauf und es erscheint am 2. Dezember bereits zum zweiten Mal. Ein Corona-Baby ist es aber nicht. Tatsächlic­h sollte es erstmals im April herauskomm­en, aber Corona hat uns da einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber jetzt ist es da, das Cornelia-Poletto-Magazin. Was war Ihr Impuls, ein PrintMagaz­in zu machen und nicht einen Blog oder Ähnliches? Für mich gehört ein Print-Magazin zur totalen Entspannun­g dazu. Wenn ich wirklich mal Zeit habe – ob ich auf dem Sofa sitze oder unterwegs bin – gehe ich zum Kiosk und kaufe mir positive Magazine, die Freude bringen. Von Genuss, leckerem Essen, Mode, von all den schönen Dingen. Das bringt mir einfach so viel Spaß, dass ich gesagt habe, ich möchte entgegen dem Trend zu den anderen Medien ein richtig tolles Print-Magazin haben. Was war inhaltlich die Linie für Ihr Magazin? Nur Rezepte wären ja langweilig, oder? Rezepte gehören natürlich dazu. Das Magazin dreht sich rund um Genuss und auch um mein Leben. Davon sind die Rezepte ein Teil, aber ich bin ja auch Mensch, Frau, Mutter und Unternehme­rin. Alles, was mich beschäftig­t, was mir Freude bringt oder mich auch herausford­ert, wie beispielsw­eise mehrere Leute nach Hause einzuladen, das sind die Themen. Über die negativen Aspekte der Krise wurde viel gesprochen. Gibt es für Sie auch positive Dinge? Ich finde es tatsächlic­h positiv, dass ich viel mehr Zeit habe, mich mit meinen Mitarbeite­rn und meinem Restaurant zu beschäftig­en, auch kreativ zu werden und Ideen zu entwickeln oder weiterzuen­twickeln. Das sind Dinge, zu denen ich vorher nicht gekommen bin. Ich habe beispielsw­eise ganz coole Kochboxen entwickelt, weil die ganzen Weihnachts­feiern ausfallen und es auch keinen „Palazzo“gibt. Jetzt gibt es also eine Poletto Kochbox, das Pacchetto Poletto. Es beinhaltet ein Drei-Gänge-Menü für zwei Personen – allerdings nur die Zutaten. Nur der Gemüsefond, den wir dazulegen, ist vorgekocht. Demnächst ist Grünkohlze­it. Wie sieht Ihr Grünkohlge­richt aus? Klassisch. Bei mir gehört wirklich Schweineba­cke und Kohlwurst rein. Bitte das Kasseler immer separat garen! Sonst wird es hässlich grün und trocken. Ich bin da wirklich die Klassikeri­n. Und bitte auch nicht unbedingt mit süßen Kartoffeln. Was wäre eine vegetarisc­he Variante zum eher fleischund fischlasti­gen Weihnachts­essen? Gibt es so was wie ein traditione­lles vegetarisc­hes Gericht? Ich habe tatsächlic­h im Rahmen meiner Kochboxen ein sehr schönes vegetarisc­hes Hauptgeric­ht entwickelt, ein Orangen-Risotto mit Kumquats, die mit etwas Honig wunderbar glasiert werden. Dazu gibt es gratiniert­en Fenchel. Das schmeckt fantastisc­h und hat auch dieses Knuspern, das man bei der Entenhaut ja auch gerne mag. Gut, Vegetarier weniger, aber es ist auf jeden Fall ein cooles vegetarisc­hes Rezept, das Freude macht. Wie ist es für Sie, von 100 auf – zumindest – 50 runterzusc­halten? 2019 sind Sie ja noch viel unterwegs gewesen. Es fällt mir schon schwer. Ich merke, dass ich rastlos bin. Mein Kopf arbeitet 24 Stunden und denkt darüber nach, was man vielleicht machen kann, während man das alles nicht darf. Das bringt mir manchmal schlaflose Nächte.

Heute: Cornelia Poletto

Ich mache mir natürlich auch viele Gedanken um meine Mitarbeite­r. Es ist für unsere Branche einfach eine Katastroph­e, genauso wie natürlich für alle Künstler und Veranstalt­er. Es ist hart. Irgendwie bin ich jedes Mal wieder erschrocke­n. Gefühlt wache ich jeden Morgen auf und es ist dunkel. Und wenn ich das erste Mal wieder aus dem Fenster schaue, ist es schon wieder dunkel. Der Tag geht wahnsinnig schnell vorüber und fordert einen im Moment wesentlich mehr als vorher. Müssen Sie jetzt mehr auf Mitarbeite­r eingehen und Chefin sein? Total, ich horche in meine Mitarbeite­r hinein, bin mit ihnen in unseren TeamSlots im Gespräch, die wir hier haben, damit nicht alle auf einmal hier sind. Wir sind in Kurzarbeit. Man muss ihnen noch mehr zuhören als vorher, überlegen wie man weitermach­t, obwohl es schwerMan muss in die Zufällt. kunft denken und positiv sein. Das fordert echt sehr. Was wäre Ihre erste Forderung an Wirtschaft­ssenator Westhagema­nn? Ich kann tatsächlic­h total nachvollzi­ehen, dass wir uns angesichts der Zahlen so viel wie möglich zu Hause aufhalten sollen. Aber ich glaube auch, dass es keinen sichereren Platz gibt als ein Restaurant. Ich fordere auch eine Zertifizie­rung und eine Belohnung dafür, dass wir diese Hygienekon­zepte aufgebaut haben. Ich habe vier Luftreinig­ungsgeräte in meinem kleinen Restaurant, Desinfekti­onssäulen, Check-in und Check-out, wenn die äste kommen. Ich laube, keiner beegt sich so disiplinie­rt wie in einem Restaurant. Deswegen bin ich so traurig, dass wir nicht mal Gehör finden.

Die 49-Jährige ist unter anderem Köchin und Buchautori­n.

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