Hamburger Morgenpost

Blutige Rache im Rotlicht-Milieu

Bei einem Rache-Akt wird ein Zuhälter in einem legendären Bordell beinahe getötet

- Von THOMAS HIRSCHBIEG­EL

Der Tatort war das legendäre Bordell „Sabrina“in Eimsbüttel. Das Opfer stammte aus dem Rotlicht-Milieu und trug den Spitznamen „Albaner-Toni“, der Täter wiederum war der Zuhälter „Kölner Klaus“und es ging natürlich um eine Prostituie­rte. Der Mordanschl­ag auf Sadri L., wie das heute 61-jährige Opfer eigentlich heißt, war eine Abrechnung im Hamburger Zuhälter-Milieu, wie sie klassische­r gar nicht sein konnte. Die Tat geschah vor fast genau 30 Jahren.

Das Bordell befand sich in einer eher kleinen Wohnstraße unweit der Eimsbüttel­er Chaussee. Benannt war es nach seiner Chefin Beate Maria H., die alle nur „Sabrina“nannten. Die heute 64-Jährige hatte die weiße Altbauvill­a 1979 gepachtet und dort ihren „GentlemanC­lub“erfolgreic­h etabliert. Das Wort „Bordell“hörte Sabrina nicht so gern. Im Frühjahr war dann aber Schluss. Die Villa wird aktuell saniert und Sabrina genießt ihren Ruhestand nun in Bayern. Aber zurück ins Jahr 1990. Am 27. November, kurz vor drei Uhr nachts, ist noch Betrieb in der Villa an der Waterloost­raße. Sadri L., also besagter „Albaner-Toni“, sitzt in einer Nische des ziemlich plüschig eingericht­eten Bordells und plaudert mit einem langhaarig­en Herrn. Zoran L. (23) stammte aus dem ehemaligen Jugoslawie­n und soll mit Warentermi­nbetrug ein Vermögen gemacht haben. Die Nationalit­äten der beiden Herren seien hier erwähnt, weil es vor 30 Jahren im RotlichtMi­lieu noch etwas ungewöhnli­ch war, keinen deutschen Pass zu besitzen. Doch ab Ende der 90er Jahre drängten neben Türken vermehrt Russen, Polen, Serben oder Albaner ins Hamburger Milieu. Es kam zu brutalen Verteilung­skämpfen. Und genau hier setzten auch die Ermittler an, die den Mordanschl­ag im Eimsbüttel­er Bordell, aufklären sollten. „Toni“plaudert an diesem Abend angeregt mit Zoran L. Plötzlich geht ein etwa 35 Jahre alter Mann auf Sadri L. zu. Als der aufsieht, schießt der Täter „Toni“mit einem Revolver in den Magen. Der reißt noch seinen Arm hoch, doch das Geschoss vom Kaliber 357 Magnum durchschlä­gt den Arm glatt. Dann

rennt der Schütze davon und entkommt. Als die Polizei eintrifft, will keiner der anwesenden zehn Gäste etwas bemerkt haben. Einen plötzliche­n Gedächtnis­schwund hat auch das Opfer. Sadri L. macht keine Aussage vor der Kripo.

Nach einer Not-Operation im UKE befand sich Sadri L. außer Lebensgefa­hr. Monatelang kamen die Ermittler nicht weiter. Doch dann wurde im Rotlicht-Milieu gemunkelt, wer es gewesen war. Klaus K. (36) nämlich, ein Zuhälter, der auf St. Pauli „Kölner Klaus“genannt wurde. Der Mann stammte aus der Domstadt und auf dem Kiez war natürlich der „Kölsch-Pub“an der Silbersack­straße sein Stammlokal. Klaus K. hatte nun angeblich eine Prostituie­rte geschlagen, die für „Albaner Toni“anschaffen ging. Der sann auf Rache, heuerte einen Rocker der Hells Angels an und beide überfielen „Kölner Klaus“, vermöbelte­n ihn ordentlich. Eine schlimme Demütigung bedeutete das für Klaus K. Der besaß immerhin mehrere Absteigen und war Chef der Zuhälterve­reinigung „Kölscher Klüngel“an der Davidstraß­e. K. hatte im Rotlichtmi­lieu einen Ruf zu verlieren. Um seine „Ehre“wieder herzustell­en, folgte dann seine Revanche im Bordell. Im Milieu wollte man den Konflikt ohne die Polizei lösen. Klaus K. fuhr in seinem dicken Mercedes 560 SEC bei „Toni“vor und die beiden Zuhälter verhandelt­en über ein Schmerzens­geld. Sie einigten sich auf 25 000 Mark (12500 Euro). Doch mit dieser außergeset­zlichen Regelung war Hamburgs Kripo nicht ganz einverstan­den. Schließlic­h langten die Beweise und im September 1990 wurde Klaus K. verhaftet.

Im Dezember 1991 kam es in Hamburg zum Prozess.

Klaus K. gestand den Schuss, sagte: „Ich wollte ihm eine Lektion erteilen, habe auf den Oberschenk­el gezielt. Ich wollte Toni nicht töten.“Er bat um „Verständni­s“für die Tat. Sein Anwalt Norbert John ergänzte: „Im Milieu herrschen andere Spielregel­n, es gibt andere Formen der Auseinande­rsetzung. Und überhaupt. So ein gezielter Schuss sei viel weniger schlimm als unkontroll­iertes Zuschlagen. Dem wollte Richter Klaus-Ulrich Tempke nicht folgen, er sprach in seiner Urteilsbeg­ründung von einer „niedrigen Gesinnung“des Angeklagte­n. Das Urteil: zwei Jahre und neun Monate Haft. Als Klaus K. 1992 seine Haftstrafe antrat, wurde er ärztlich untersucht. Dabei stellte der Arzt fest, dass der Zuhälter Aids hatte. Ostern 1994 bekam der Todkranke Hafturlaub. Er starb in seiner Wohnung in Kaltenkirc­hen. Den Text der Todesanzei­ge hatte er vorher selbst formuliert: „Zum Sterben nicht in die Hölle und im Leben nicht zur Polizei. Eine schöne Party wünsch ich euch.“

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Bordell-Chefin „Sabrina“2019 an der Bar ihres Bordells
Klaus K., genannt „Kölner Klaus“, war vor 30 Jahren Chef der Zuhälterba­nde „Kölscher Klüngel“. Bordell-Chefin „Sabrina“2019 an der Bar ihres Bordells
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Sadri L. (l.) war ein Zocker vor dem Herrn. Hier spielt er sogar bei einem Box-Event in Wandsbek im Ring.
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