Hamburger Morgenpost

Odu Fröhlicher: Jamie Cullum über sein Weihnachts­album

INTERVIEW Jamie Cullum über sein Christmas-Album und umgeschnal­lte Bäuche

- Das Interview führte KATJA SCHWEMMERS Ob das hilft, in Stimmung fürs Fest zu kommen?

Als „Sinatra in Turnschuhe­n“und „Robbie Williams des Jazz“wird der Brite Jamie Cullum (41) gern bezeichnet. Klar ist jedenfalls: Er vermischt Jazz und Pop wie kein Zweiter. Kurz vor dem Zoom-Interview mit der MOPO wurde er für sein Lied „The Age Of Anxiety“mit dem Ivor-Novello-Songwriter-Award ausgezeich­net – im Sommer 2021 will er es auch live im Stadtpark präsentier­en. Jetzt aber versüßt er uns mit dem Big-Band-Album „The Pianoman At Christmas“erst einmal das Fest.

MOPO: Mr. Cullum, wann hatten Sie zuletzt ein Interview mit einem Journalist­en, der – wie ich – einen Weihnachts­pulli trug? Jamie Cullum: Als ich gestern mit Japan im Zoom war, saßen da alle im Weihnachts­pulli im Bild. Ich schätze es sehr, dass sich alle so bemühen. Als ich anfing, diese Platte zu machen, war März – und ich habe an Weihnachts­pullis gedacht. Sie sind seither sehr präsent in meinem Leben. Wie viele „Ugly Christmas Sweater“haben Sie selber?

Vielleicht ruiniere ich jetzt Ihre Illusion. Ich besitze zwar eine riesige Kollektion von Pullovern – tolle Teile aus Kaschmir. Aber ich würde nicht sagen, dass einer davon hässlich ist. Ihrer ist ja auch nicht wirklich hässlich – sehr stilsicher und unaufdring­lich. Aber es stimmt schon: Es ist höchste Zeit, dass ich mir einen dieser lächerlich­en Weihnachts­pullis besorge. Denn wenn nicht dieses Jahr, wann dann?

Auch wenn 2020 ein merkwürdig­es Jahr ist, bin ich längst in Stimmung: Ich spreche seit Wochen über nichts anderes als über meine Weihnachts­platte.

Wie haben Sie sich denn in Stimmung gebracht, als Sie die Songs während des Lockdowns in Ihrem Heim-Studio geschriebe­n haben?

Ich habe in dem Buch „Christmas Poems“von Wendy Cope gelesen. Kennen Sie das? Es ist eine Sammlung wundervoll­er Gedichte von einer der größten Dichterinn­en Großbritan­niens. Sie schreibt jedes Jahr welche. In einem der Gedichte geht es darum, den Geist der Weihnacht ins Haus zu lassen. Ich nahm mir vor, dass meine Musik genau das schaffen sollte: Weihnachts­leben in die Häuser bringen. Ich hörte die Weihnachts­musik, die ich liebe; von Sufjan Stevens, Ray Charles und Nat King Cole. Ich las noch mal einige der Weihnachts­geschichte­n von David Sedaris. Ich schaute den Film „Kevin – Allein zu Haus“, und dann ging‘s los. Gehen Sie immer so gründlich vor? Das ist für mich Teil des Songwritin­g-Spaßes. Als Songwriter solltest du in der Lage sein, über den Schmerz der Liebe zu schreiben, selbst wenn du ihn gerade nicht in deiner eigenen Beziehung spürst. Du musst Zugang zu deinen Erinnerung­en bekommen. Das ist beim Thema Weihnachte­n nicht sehr schwer, denn wir verknüpfen doch alle sehr viele Erinnerung­en an vergangene Feste. Und mein Notizbuch war sowieso schon gefüllt mit Ideen für Lieder, weil ich wusste, dass ich eines Tages ein solches Album aufnehmen würde. Was gab letztendli­ch den Auslöser? Robbie Williams war eine große Inspiratio­n. Im vergangene­n Jahr erschien sein Weihnachts­album, darauf singe ich das Duett „Merry Xmas Everybody“mit ihm. Ich habe es geliebt, mit ihm zu arbeiten. Es war clever von ihm, ein Doppelalbu­m zu machen mit einer CD mit Coversongs und einer CD mit neuen Songs. Ich wollte aber nur selbst geschriebe­ne Weihnachts­lieder veröffentl­ichen und auch nicht unbedingt Popsongs schreiben, sondern Lieder, die klingen wie die Klassiker, die wir alle kennen. Ihr Weihnachts­album ist sehr klassisch.

Meine Musik soll wie eine innige Umarmung sein. Ich wollte es eher so wie Gershwin angehen oder wie einer der Autoren des „Great American Songbook“es gemacht hätte. Es sollten Lieder sein, die Nat King Cole gerne singen würde. Aber auch Sufjan Stevens hat mich stark inspiriert. Ich liebe seine Weihnachts­musik. Mein Ansatz war der des nerdigen Komponiste­n.

Gibt es bei Weihnachts­liedern Fallen, die man als Songwriter tunlichst vermeiden sollte?

Ich fand es wirklich schwer, nicht ins Klischee abzudrifte­n, und hoffe, dass es mir gelungen ist, es zu vermeiden. Es passiert schnell, dass man bei Worten wie Mistelzwei­g, Schnee und Glocken landet und bestimmte Akkorde variiert. Es ist ein Drahtseila­kt, die Kombinatio­n richtig hinzukrieg­en. Ich möchte dennoch, dass sich diese Musik so vertraut anfühlt wie der Pulli, den Sie tragen. Wenn man ihn überstreif­t und denkt: Jetzt ist Weihnachte­n! Oder wenn man die Weihnachts­deko vom Dachboden kramt und denkt: alle Jahre wieder! Genauso heimelig sollen meine Lieder anmuten, aber nicht ausgelutsc­ht und langweilig, sondern mit einem frischen Gefühl.

Auf dem Albumcover sieht man Sie und Ihre Frau (die Schriftste­llerin Sophie Dahl; Anm. d. Red.) auf der Rückbank eines Cabrios kuscheln. Wie kam es dazu?

Meine Frau war ziemlich involviert in die Entstehung der Platte – mehr als bei jedem anderen Album. Es war eine sehr romantisch­e Zeit während des ersten Lockdowns für uns. Sie war immer in der Nähe des Klaviers, während sie an ihrem nächsten Buch arbeitete, und sie kommentier­te die Musik, die sie hörte. Es fühlte sich richtig an, ein sehr romantisch­es, fast schon cineastisc­hes Bild auf dem Albumcover zu haben. Dieser Moment zwischen uns ist nicht gekünstelt. Wir fuhren durch London in diesem wunderschö­nen Chevrolet, der leider nicht meiner ist, hörten großartige Musik. Es ist auch schön, dass es nun ein offizielle­s Foto von uns beiden gibt. Eines, das wir ausgesucht haben und das nicht von irgendeine­m Paparazzi stammt. Apropos Familie: Haben Sie schon mal den Weihnachts­mann für Ihre Kinder gegeben?

Nein, den bestellen wir lieber. Ich denke auch nicht, dass ich einen besonders überzeugen­den Santa Claus abgeben würde. Nicht mal mehr, wenn ich mir einen Bauch umschnalle.

Es ist höchste Zeit, dass ich mir einen dieser lächerlich­en Weihnachts­pullis besorge. Wenn nicht 2020, wann dann?

➤ Album: „The Pianoman At Christmas“(Island/Universal)

➤ Konzert: 3.6.2021, 19 Uhr, Stadtpark, 57,50 Euro

Ob Schlager, Klassik, Country oder Pop: Rund um den 1. Advent am Sonntag kommen gefühlt mehr neue Weihnachts­alben in den Handel als in den Jahren zuvor – Lockdown-Langeweile scheint kreativ zu machen! Zum Glück hört man dem festlichen Liedgut nicht an, dass eine Pandemie das Jahr geprägt hat. Das Motto für Weihnachte­n 2020 kann entspreche­nd nur lauten: Jetzt erst Recht! Die MOPO hat sich zehn Platten rausgepick­t, die die Stimmung heben und aufs Fest einstimmen.

➤ Robbie macht ’ne Party – natürlich: Weihnachte­n 2020 – da ist eben alles anders: Desinfekti­onsmittel auf dem Wunschzett­el, Geschenke vor allem über Online-Shopping, die Liebsten auf Facetime oder Zoom, und selbst Santa muss auf seinem Schlitten zwei Meter Abstand halten. Robbie Williams ist (trotzdem) Weihnachts­fan und legt nach seinem Album „The Christmas Present“aus dem vergangene­n Jahr mit der Single „Can’t Stop Christmas“nach. Und natürlich herrscht bei ihm trotz Corona Partystimm­ung! Robbie Williams „Can’t Stop Christmas“(Sony)

➤ Ein Stimmungsh­eber von Kim Wilde: Das 2013 erstmals veröffentl­iche Album „Wilde Winter Songbook“erscheint jetzt mit sechs Bonus-Tracks und in neuer Verpackung. Die limitierte weiße 2-LP-Gatefold-VinylEditi­on ist besonders hübsch. Als Gäste sind ihre 80er-Kollegen Rick Astley und Nik Kershaw mit dabei. Toll: Kim Wilde hat auch Lieder im Repertoire für Menschen, die gerade besonders viel Hoffnung brauchen. Kim Wilde „Wilde Winter Songbook“(Earmusic/Edel)

➤ Flori und Thommy, das neue Super-Duo: Thomas Anders hat einen Neuen. Statt mit Dieter (Bohlen) musiziert er jetzt mit Florian Silbereise­n im Duett. Platz 1 gab es für ihr Debüt, das nun als 2-CD-Box mit 14 neuen, teils besinnlich­en, teils tanzbaren Schlagerli­edern auf die Winter- und Weihnachts­zeit einstimmt. Entwarnung: Ihr „Winterwund­erwelt“klingt auch nicht schlechter als „Brother Louie“. Florian Silbereise­n & Thomas Anders „Das Album – Winter Edition“(Telamo/Warner)

➤ Chillys Christmas – köstlich und ganz ohne Kitsch: Traditiwie onslieder „O Tannenbaum“oder „Silent Night“stehen auf „A Very Chilly

Christmas“neben Popsongs wie „Last Christmas“und „All I Want For Christmas Is You“– befreit von Chor und Kitsch, stilsicher und reduziert vorgetrage­n von Chilly Gonzales, dem Tassind tenmann im Badema . Gäste wie Feist u Jarvis Cocker si die Sahne auf de Kuchen. Herrlic entspannen­d! Chilly Gonzales „A Very Chilly Christmas“(Gentle Threat/Indigo)

➤ Weihnachte­n im County-Style: Die Country-MusikIkone Dolly Parton veröffentl­icht ihr erstes Weihnachts­album seit 30 Jahren. Klassiker reihen sich an neues Material. Die Duette besonders schön: Michael Bublé, Jimmy Fallon und Willie Nelson sind genauso dabei wie ihr Bruder Randy Parton, ihr Patenkind Miley Cyrus, sowie deren Vater Billy Ray Cyrus. Doll s Family-Busiss!

Dolly Parton „A Holly Dolly Christmas“(Rykodisc/ Warner)

➤ Riesenspaß für RapKids: Beste Kinderband der Welt, kredible Rap-Crew – das sind Deine Freunde. Und jetzt auch noch Weihnachts­lieder im Sack (MOPO berichtete). 15 brandneue und absolut krisensich­ere Hits sind auf „Das Weihnachts­album“, von besinnlich bis bekloppt, aber auf jeden Fall mit Beat und Bass und zertifizie­rt von echten Weihnachts­wichteln, verspricht das Trio für seine Platte von Freunden für Freunde. Und hält Wort. Deine Freunde „Das Weihnachts­album“(Sturmfreie Bude/Universal Music)

➤ Blackmore’s Night für die Stille Nacht: Ist die schön! Gemeint ist nicht etwa die Renaissanc­e-FolkTruppe um den legendären Hardrock-Gitarriste­n Ritchie Blackmore, sondern die limitierte Vinyl-EP in transparen­tem Grün, das farblich perfekt auf das Nadelkleid des Weihnachts­baums abgestimmt ist. Ab dem 4. Dezember ist die 4-Track-EP „Here We Come A-Caroling“auch als limitierte CDDigipak-Edition erhältlich. Wenn das nicht mal ein nettes Geschenk für echte Fans ist. Blackmore’s Night „Here We Come A-Caroling“(Earmusic/Edel)

➤ Angelo Kelly – Musik mit der ganzen Familie: Wo Kelly draufsteht, ist auch Kelly drin. Auf „Coming Home For Christmas“geht es um die wahre Bedeutung von Weihnachte­n. Familienzu­sammengehö­rigkeit wird dabei selbstvers­tändlich groß geschriebe­n. Hier singen auch die Kinder zum „Little Drummer Boy“, wie sollte es anders sein. Dazu wird keltisches Tanzliedgu­t serviert. 29 Songs voller Pathos, Weihnachts­kitsch und Besinnlich­keit. Hallelujah! Angelo Kelly & Family „Coming Home For Christmas“(Electrola/Universal Music)

➤ Mit André Rieu wird’s romantisch: Im Dezember 2019 reisten 35 000 Fans aus der ganzen Welt nach Maastricht, um Geiger André Rieu und sein JohannStra­uss-Orchester an drei Abenden voller Romantik, Musik und Weihnachts­flair zu erleben. Jetzt gibt es das Fan-Event auf einem LiveAlbum nachzuhöre­n. Die „Fröhliche Winterzeit“beigefügte DVD ermöglicht dazu den Blick hinter die Kulissen. Ja, ist denn schon Weihnachte­n? André Rieu „Fröhliche Winterzeit“(Universal)

➤ Andreas Gabalier macht’s mit Orchester: Eingesunge­n wurden die 15 Stücke für „A Volks-Rock’n’Roll Christmas“zwar bereits 2019 in Nashville. Doch während des Lockdowns gab es den letzten Schliff. Für Andreas Gabalier geht damit ein Traum in Erfüllung, wie er sagt: Sein Volks-Rock’n’Roll trifft auf Streicher, Chorsätze, Big Band und Orchester. Die Fanbox mit besticktem Tischtuch, Kerze und Holzstern ist jetzt schon ein Bestseller! Andreas Gabalier „A Volks-Rock’n’Roll Christmas“(Electrola/Universal Music)

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Ist seit März in Weihnachts­stimmung und strahlt noch immer: Jamie Cullum (41)
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 ??  ?? Das Albumcover zeigt Cullum und seine Frau, die Schriftste­llerin Sophie Dahl (43).
Das Albumcover zeigt Cullum und seine Frau, die Schriftste­llerin Sophie Dahl (43).
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Robbie Williams (46) ist bekennende­r Weihnachts­Fan.
 ??  ?? Mit der Single „Can’t Stop Christmas“legt Popstar Robbie Williams nach: 2019 gab’s schon das Album „The Christmas Present“.
Mit der Single „Can’t Stop Christmas“legt Popstar Robbie Williams nach: 2019 gab’s schon das Album „The Christmas Present“.
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Die Hamburger Rap-Crew Deine Freunde richtet sich an Kinder, die Bock haben auf Besinnlich­es und Beklopptes.
 ??  ?? Auf „Wilde Winter Songbook“singt Kim Wilde mit einigen ihrer Kollegen aus den Achtzigern – Rick Astley ist auch dabei.
Auf „Wilde Winter Songbook“singt Kim Wilde mit einigen ihrer Kollegen aus den Achtzigern – Rick Astley ist auch dabei.
 ??  ?? Die Country-Musik-Ikone Dolly Parton bringt nach 30 Jahren mal wieder eine Weihnachts­platte raus.
Die Country-Musik-Ikone Dolly Parton bringt nach 30 Jahren mal wieder eine Weihnachts­platte raus.
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Auch hübsch: Chilly Gonzales’ Weihnachts­album „A Very Chilly Christmas“
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Sieht richtig schön weihnachtl­ich aus: „Here We Come A-Caroling“von Blackmore’s Night.
 ??  ?? André Rieu hat „Fröhliche Winterzeit“vor 35 000 Fans eingespiel­t – 2019, als es noch Live-Publikum gab.
André Rieu hat „Fröhliche Winterzeit“vor 35 000 Fans eingespiel­t – 2019, als es noch Live-Publikum gab.
 ??  ?? Es ist schon das zweite Album, das Thomas Anders (l.) und Florian Silbereise­n in diesem Jahr rausbringe­n.
Es ist schon das zweite Album, das Thomas Anders (l.) und Florian Silbereise­n in diesem Jahr rausbringe­n.
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Andreas Gabalier gab der Platte während des Lockdowns den letzten Schliff.
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Angelo Kelly hat mit seiner (eigenen) Family „Coming Home For Christmas“aufgenomme­n.

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