PRO: NÄChstenlieBe geht vor
Die Corona-Zeit ist die Zeit, in der Politiker mit den Bürgern manchmal sprechen wie mit kleinen Kindern. „Wenn ihr nur brav seid, dann können wir auch in diesem Jahr ein schönes gemeinsames Weihnachtsfest feiern“: So lautete die Botschaft immer wieder. Heute ist eindeutig klar: Es war falsch, den Bürgern zu suggerieren, die Hoffnung auf ein weitgehend ungetrübtes Weihnachtsfest sei realistisch. Denn jetzt gibt es Weihnachten Einschränkungen. Und das ist richtig so.
Keine Frage: Weihnachten ist ein bedeutendes christliches Fest, wenn auch, zumindest mal kurz nebenbei bemerkt, nicht das wichtigste. Und es ist – völlig unabhängig davon, ob jemand gläubig ist oder nicht – ein gesellschaftliches Großereignis. In unserer stark säkularisierten Gesellschaft ist das Fest auch ein erheblicher Wirtschaftsfaktor: Es wird geschlemmt, getrunken und geschenkt. Das alles ist schön und gut, auch wenn einem das Ausmaß der Kommerzialisierung schon in normalen Jahren gelegentlich auf die Nerven fallen kann. In Zeiten, in denen es um den Kampf gegen eine Pandemie und die Gesundheit der Menschen im Land geht, gilt: Es gibt Wichtigeres als Weihnachten. Wenn Friedrich Merz sagt, „es geht den Staat nichts an, wie ich mit meiner Familie Weihnachten feiere“, spricht er nicht anders als ein 17-Jähriger, der darauf besteht, trotz Corona Silvester mit zig Leuten zu feiern, zu trinken und zu tanzen.
Die christliche Idee hinter dem Fest ernst zu nehmen, nämlich die Nächstenliebe, bedeutet diesmal: Machen wir weniger Brimborium um Weihnachten! An diesem Tag sollte niemand einsam sein müssen. Aber: Das Schlimmste wäre, durch zügelloses Feiern die Notwendigkeit eines neuen Lockdowns zu produzieren, bei dem gerade alte Menschen wieder über Wochen in die Isolation getrieben werden. Das Jahr hat so viele Tage mehr als Weihnachten.