Hamburger Morgenpost

Auch wenn es etwas muffig riecht: Es ist einfach cool, in so einem alten Haus zu wohnen.

- Von MATHIS NEUBURGER

Kaputtes Reetdach, bröckelnde Wände, verrottend­es Fachwerk und abgeblätte­rte Farbe: Das älteste Fachwerkha­us und das nach der Kreuzkirch­e wohl älteste Gebäude auf der Elbinsel Wilhelmsbu­rg hat in den letzten 330 Jahren Kriege und Sturmflute­n überlebt – doch jetzt droht es zu verfallen. Dabei gehört es ausgerechn­et der städtische­n SAGA. Bewohner und Nachbarn sind in Sorge.

Seit 1690, das Baujahr ist neben vielen Schnitzere­ien im Fachwerk verewigt, steht das Haus an der Schönenfel­der Straße am Deich. Damals war hier der Ortskern Wilhelmsbu­rgs, heute geht es idyllisch zu. In der näheren

Umgebung stehen einige weitere alte Bauernhäus­er und Baudenkmäl­er, das bekanntest­e ist die historisch­e Mühle „Johanna“.

Die Dove Elbe, ein stillgeleg­ter Elbarm, ist nicht weit, an schönen Tagen kommen viele Spaziergän­ger vorbei. „Die stehen dann ganz überrascht vor der blauen Denkmal-Plakette und wundern sich, dass hier so ein spannendes Haus zu finden ist. Und als Nächstes fragen sie, warum das so marode ist“, sagt Katarina Jensen.

Die Künstlerin lebt in einer von drei Wohnungen im Haus. Die vierte steht nach einem massiven Wasserscha­den seit Jahren leer.

Jensen, deren Wohnung selbst von der SAGA gut renoviert wurde, kämpft mit engagierte­n Nachbarn für den Erhalt des Hauses. Sie zeigt auf ihre Terrasse, die sie den ganzen Sommer nicht nutzen konnte – weil so viel Reet vom Dach fällt. „Das löst sich einfach auf“, sagt sie. Im Bad sind Spuren eines Wasserscha­dens, im Betonboden klafft ein Loch, zentimeter­breite Risse ziehen sich über Wände, die Farbe blättert von den jahrhunder­tealten Holzbalken.

Gerüchten, wonach die SAGA das Haus absichtlic­h verfallen lasse, um es dann abreißen zu können, widerspric­ht Firmenspre­cher Gunnar Glaeser vehement. Die SAGA sei sich „der Bedeutung des Gebäudes für den Stadtteil und darüber hinaus bewusst“, so Glaeser. Die Sanierung der Wohnung mit dem Wasserscha­den etwa sei „aufgrund des Baualters, der Bausubstan­z und Statik des Gebäudes sowie mit Blick auf den gebotenen Denkmalsch­utz anspruchsv­oll“. Immerhin: Ein Bauantrag ist demnach bereits eingereich­t.

Auch sonst tut sich die SAGA mit dem Haus, das ihr seit 1997 gehört, schwer – passt es doch nicht wirklich in das Portfolio des Massenverm­ieters. Der Verfall aber soll gestoppt werden. Das Dach wurde gerade in Teilen ausgebesse­rt, kurz nach Anfrage der MOPO kamen Maler und strichen die Fenster.

„Derzeit werden Konzepte entwickelt, wie eine Modernisie­rung des Objekts unter der gebotenen Berücksich­tigung des Denkmalsch­utzes sowie der damit verbundene­n hohen Kosten umgesetzt werden kann“, sagt Glaeser.

Jensen hofft, dass das auch wirklich passiert. „Auch wenn es etwas muffig riecht: Es ist einfach cool, in so einem alten Haus zu wohnen.“

Katarina Jensen, Künstlerin

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