Großeinsatz am Strafjustizgebäude
DANIEL GÖZÜBÜYÜK
Ein Mann steigt in seinen VW Pick-up und steuert gezielt auf mehrere Demonstranten zu, drei von ihnen verletzt er. Diese Szene spielte sich am Rande einer AfD-Veranstaltung Ende Oktober in Henstedt-Ulzburg (Kreis Segeberg) bei Hamburg ab – und noch immer gibt es bei vielen Demo-Teilnehmern großes Unverständnis darüber, wieso Polizei und Staatsanwaltschaft nicht wegen eines versuchten Tötungsdelikts ermitteln.
Denn noch immer lautet der Vorwurf der Ermittler gegen den 19-jährigen VW-Fahrer: gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr.
Keine Rede also von einem gezielten Tötungsversuch, obwohl die oben genannten Umstände auch den Erkenntnissen der Ermittler entsprechen: Der Mann habe gegen 17.50 Uhr mit einem Begleiter (18) das Auto gezielt in der Beckersbergstraße – unweit der AfD-Veranstaltung und der dazugehörigen Gegendemo – bestiegen und sei teilweise auf dem Gehweg fahrend auf mehrere Personen zugefahren, heißt es in einer Pressemitteilung. Wie viel deutlicher kann man mit einer Aktion den Anschein erwecken, den Tod eines oder sogar mehrerer Menschen billigend in Kauf zu nehmen?
„Der Tatvorwurf folgt aus der derzeit tatsächlichen Erkenntnislage“, teilte der Kieler Oberstaatsanwalt Henning Hadeler auf MOPONachfrage mit. „Bei sich verändernder Erkenntnislage ist jederzeit auch eine anderweitige rechtliche Würdigung möglich.“Die folge erst, wenn die Ermittlungen abgeschlossen seien.
Ina Franck, eine Hamburger Rechtsanwältin, erklärt der MOPO, wieso bei solchen Straßendelikten ein
Das Hamburger Strafjustizgebäude am Sievekingplatz ist am Freitagmorgen geräumt worden: Im Inneren hatten gleich mehrere Menschen Brandgeruch wahrgenommen und den Notruf alarmiert.
Die Feuerwehr rückte mit einem Großaufgebot an. Um kurz vor 10 Uhr war das Gebäude leer, Bedienstete, Anwälte, Richter und Angeklagte versammelten sich auf dem Vorplatz.
Tötungsvorsatz nur schwer zu belegen ist: „Vor Gericht muss man die Motivation des Täters zweifelsfrei belegen können. Aus Umständen lässt sich viel schließen, aber wenn der Angeklagte aussagt, er habe niemanden töten wollen, dann muss man ihm auch erst mal das Gegenteil beweisen.“
Dazu gebe es in der Justiz die sogenannte Hemmschwellen-Theorie: Bei Verkehrsdelikten sei die Hemmschwelle größer, weil das Auto kein typisches Tötungswerkzeug darstelle. „Und diese Hemmschwelle, so sagt der Bundesgerichtshof, ist sorgfältig abzuwägen. Beim Messer ist das schon anders. Da ist man schnell beim Tötungsvorsatz“, sagt Franck. „Teilweise kann das unverständlich sein.“
In dem Fall aus HenstedtUlzburg müsste die Staatsanwaltschaft dem 19-Jährigen also zweifelsfrei ein Tötungsmotiv
Die Rettungskräfte inspizierten das Objekt mit einer Wärmebildkamera, um den genauen Ort zu lokalisieren. Wie die MOPO erfuhr, brannten Kabel in einem Sitzungssaal.
Ein Elektriker wurde angefordert. Gegen Mittag wurde der Einsatz seitens der Feuerwehr für beendet erklärt: Alle durften wieder ins Gebäude und der Betrieb konnte fortgesetzt werden.
nachweisen; hat er in Kauf genommen, dass Menschen sterben? Oder dachte er, sie würden noch rechtzeitig zur Seite springen? Wollte er ihnen nur einen Schrecken einjagen? „Und ganz wichtig: Wie hoch war die Aufprall- und allgemeine Geschwindigkeit? Wie wahrscheinlich ist da eine Tötung?“, so Rechtsanwältin Ina Franck.
Allerdings: Noch ist der Staatsschutz weiterhin in die Ermittlungen mit einbezogen, der sich um politisch motivierte Straftaten kümmert. Wie die MOPO erfuhr, gibt es nämlich Indizien, die belegen, dass der Tatverdächtige rechte Tendenzen in der Vergangenheit gezeigt hatte – unter anderem mit dem „Liken“rechter Internetseiten, der Verbreitung rechter Propaganda via Instagram und durch das Tragen von T-Shirts mit rechtsmotivierten Aufdrucken.