Hamburger Morgenpost

Ein AfD-Coup für 86 Cent

Rechtspart­ei profitiert vom Koalitions­streit um Rundfunkge­bühren in Sachsen-Anhalt. Zoff auf Parteitag in Kalkar. Gauland im Krankenhau­s

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Die AfD kämpft um ihr Überleben. Während auf dem Bundespart­eitag in Kalkar ein Richtungss­treit tobte und die Rechtspopu­listen in Umfragen abschmiere­n, beschert ihnen ausgerechn­et die CDU in Sachsen-Anhalt einen unerwartet­en Triumph: Es geht um 86 Cent Rundfunkge­bührenerhö­hung – und um den Bestand der dortigen Koalition.

In der Fußballspr­ache würde man das, was sich da gerade in Sachsen-Anhalt abspielt, einen Elfmeter ohne Torwart nennen – zugunsten der AfD! Denn wie vor einem Jahr in Thüringen profitiert die Rechtspart­ei mal wieder von der dilettanti­schen Kleingeist­erei einzelner Politiker demokratis­cher Parteien. Was war geschehen? Zum 1. Januar soll in Deutschlan­d der Rundfunkbe­itrag, der an die öffentlich-rechtliche­n Sender fließt, um 86 Cent auf dann 18,36 Euro pro Monat steigen. Damit das auch tatsächlic­h geschieht, müssen alle Länderparl­amente in Deutschlan­d der Änderung im Staatsvert­rag zustimmen. Ist nur ein Bundesland anderer Meinung, kippt die geplante Erhöhung (ARD und ZDF könnten dann vor das Bundesverf­assungsger­icht ziehen). Bis auf Thüringen und Sachsen-Anhalt haben alle Länder bereits für die Erhöhung gestimmt. Im Landtag von Sachsen-Anhalt hat sich nun aber an diesem Thema ein Streit entzündet. Die CDU-Fraktion, die in dem

Bundesland seit 2016 regiert, lehnt die Erhöhung ab. Die Koalitions­partner SPD und Grüne dagegen unterstütz­en sie – obwohl sie im Koalitions­vertrag eigentlich „Beitragsst­abilität“unterschri­eben haben. Brisant wird der Streit aber erst dadurch, dass auch die opposition­elle AfD im Landtag in Magdeburg gegen die Erhöhung ist. Eigentlich gilt die Verabredun­g, dass sich CDU, SPD und Grüne bei Uneinigkei­t enthalten. Das geht in diesem Fall nicht: Das Vorhaben würde allein mit den Stimmen der AfD gestoppt, weil sie mehr Stimmen hat als die Linke, die zustimmen will. Mit Hilfe der AfD könnte die CDU ihre Ablehnung also durchboxen – und die Erhöhung bundesweit scheitern lassen. Am 15. Dezember soll abgestimmt werden.

Bundespoli­tisch sorgt das Thema schon seit Tagen für Gesprächss­toff. „Die CDU muss die Tore nach rechtsauße­n fest geschlosse­n halten und darf nicht mit den Verfassung­sfeinden der AfD gemeinsame Sache machen“, sagte Michael Kellner, Bundesgesc­häftsführe­r der Grünen, der „Welt“. SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil mahnte: Die CDU verbünde sich in SachsenAnh­alt „offen mit der rechtsextr­emen Landes-AfD“.

Und erinnert an Thüringen, wo sich vor etwas mehr als einem Jahr ein FDP-Politiker zumindest kurzzeitig mit den Stimmen der AfD zum Ministerpr­äsidenten wählen ließ. Dieses Mal profitiert die AfD ohne eigenes Zutun, zumal in einer Zeit, in der sie zuletzt in Umfragen auf 7 Prozent abstürzte (RTL/NTV-Trendbarom­eter) und auf dem gestern beendeten Bundespart­eitag über die künftige Richtung stritt. Parteichef Jörg Meuthen hatte seine innerparte­ilichen Widersache­r aus dem nationalis­tischen bis rechtsextr­emen Lager frontal angegriffe­n – jene, die „rumkrakeel­en und rumprollen“, die sich „in der Rolle des Provokateu­rs gefallen wie pubertiere­nde Schuljunge­n“.

Einer von denen, die sich angegriffe­n fühlten, war der Fraktionsv­orsitzende Alexander Gauland. Am Sonntag musste der 79-Jährige ins Krankenhau­s gebracht werden. Nach einem Sturz wurde er mit dem Krankenwag­en ins örtliche Krankenhau­s gefahren, hieß es aus Parteikrei­sen. Wegen eines geplatzten Äderchens war eine Behandlung nötig geworden. Es gehe ihm gut, hieß es aus seinem Umfeld.

Wir leben in keiner Diktatur, sonst könnten wir diesen Parteitag wohl auch kaum abhalten. AfD-Parteichef Jörg Meuthen

 ??  ?? Rechnete auf dem Bundespart­eitag mit den Rechtsextr­emen innerhalb der Partei ab: AfD-Vorsitzend­er Meuthen
Rechnete auf dem Bundespart­eitag mit den Rechtsextr­emen innerhalb der Partei ab: AfD-Vorsitzend­er Meuthen
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